21.03.2025
Finanzpaket und Sondierungspapier – was der Mittelstand jetzt erwarten kann

Die Reform der Schuldenbremse, die Errichtung eines Sondervermögens für Infrastruktur-Investitionen und die Zielsetzungen im Bereich Klimaschutz haben die erforderliche Zweidrittel-Mehrheit im Bundesrat erhalten. Damit ist die letzte Hürde im Gesetzgebungsprozess für ein in der deutschen Geschichte beispielloses Investitions- und Schuldenpaket heute genommen worden.
Ganz gleich, wie man zu Sondierungspapier und Grundgesetzänderung mitsamt XXL-Neuschuldenaufnahme steht: das Tempo stimmt. Wer hätte am Wahlabend vor knapp einem Monat – ja, die Bundestagswahl liegt noch keine vier Wochen zurück – vermutet, dass ein handlungsfähiger (alter) Bundestag Mitte März Grundgesetzänderungen vornimmt?
Ebenfalls ganz gleich, ob man diese Änderungen gut oder schlecht bewertet: Deutschland und der Mittelstand stehen vor tiefgreifenden Herausforderungen. Mit dem Finanzpaket ist die finanzielle Handlungsfähigkeit der nächsten Jahre gesichert. Gleichzeitig wächst mit den zusätzlichen Milliarden der Druck auf die neue Regierung, effizient, zielgerichtet und verantwortungsvoll mit diesen Mitteln umzugehen. Eine neue Regierung wird sich hieran besonders messen lassen müssen.
Der DMB hat dies auch bereits presseseitig deutlich herausgestellt. DMB-Vorstand Tenbieg sagte etwa, es sei „entscheidend, dass diese Finanzspritze historischen Ausmaßes nicht wahllos verteilt, sondern zweckgebunden und mit klar definierten Zielsetzungen eingesetzt wird“ (die Pressemitteilung finden Sie hier).
Viele Themen und Entscheidungen laufen derzeit eng ineinander verwoben und parallel ab, sodass es zunehmend schwerfällt, den Überblick zu behalten. Was ist überhaupt relevant für kleine und mittlere Unternehmen (KMU)? Der DMB hat die Neuerungen analysiert und kommentiert.

Grundgesetzänderung:
Wie sich das Milliardenpaket zusammensetzt
Die Reformen des „Finanzpakets“ betreffen drei zentrale Artikel des Grundgesetzes.
- Haushaltswirtschaft in Bund und Ländern · Artikel 109 GG
Was war die bisherige Regelung?
Bund und Länder müssen ihre Haushalte grundsätzlich ohne neue Schulden ausgleichen.
Was ändert sich?
Die Grungesetzänderung sieht Ausnahmen für bestimmte Ausgaben vor: Künftig sollen Ausgaben für Verteidigung, Zivil- und Bevölkerungsschutz sowie für Nachrichtendienste, die 1 % des nominalen Bruttoinlandsprodukts (BIP) übersteigen, von der Schuldenbremse ausgenommen werden.
Warum wird die Änderung vorgenommen:
Diese Änderung ermöglicht es dem Bund, in sicherheitsrelevanten Bereichen flexibler auf finanzielle Anforderungen zu reagieren, ohne die strikten Vorgaben der Schuldenbremse zu verletzen.
- Kreditaufnahme des Bundes (Schuldenregel) · Artikel 115 GG
Was war die bisherige Regelung?
Der Bund durfte nur in sehr begrenztem Umfang neue Schulden aufnehmen (max. 0,35 % des BIP). Lediglich im Falle von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, konnte diese Kreditgrenze überschritten werden.
Was ändert sich?
Erweiterung der Kreditaufnahme: Analog zu Artikel 109 GG soll auch hier festgelegt werden, dass Ausgaben für Verteidigung und bestimmte sicherheitspolitische Bereiche, die 1 % des BIP übersteigen, nicht unter die Schuldenbremse fallen.
Warum wird die Änderung vorgenommen?
Diese Anpassung stellt sicher, dass der Bund in außergewöhnlichen Situationen, die erhöhte Ausgaben in sicherheitsrelevanten Bereichen erfordern, handlungsfähig bleibt.
- NEU: Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaneutralität · Artikel 143h GG
Der Artikel 143h ist der einzig neu hinzugefügte Artikel, er regelt die Einrichtung eines Sondervermögens.
Neuer Artikel im Grundgesetz:
Einrichtung eines Sondervermögens: Der Bund wird ermächtigt, ein Sondervermögen mit einer Kreditermächtigung von bis zu 500 Milliarden Euro für zusätzliche Investitionen in die Infrastruktur und zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2045 einzurichten.
Details zum Sondervermögen:
- Verwendung der Mittel: 100 Milliarden Euro sollen den Ländern für Investitionen zur Verfügung gestellt werden. Weitere 100 Milliarden Euro fließen in den Klima- und Transformationsfonds (KTF).
- Laufzeit: Investitionen aus diesem Sondervermögen können über einen Zeitraum von zwölf Jahren bewilligt werden.
- Kriterium der „Zusätzlichkeit“: Mittel aus dem Sondervermögen dürfen nur verwendet werden, wenn im jeweiligen Haushaltsjahr eine angemessene Investitionsquote im Bundeshaushalt erreicht wird, definiert als mindestens 10 % der Ausgaben.
Warum wird das Sondervermögen geschaffen?
Das Sondervermögen soll massive Investitionen in die Modernisierung der Infrastruktur und den Klimaschutz ermöglichen, um die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu stärken und die Klimaziele zu erreichen.
Zusammenfassende Einschätzung und DMB-Standpunkt
Die Änderungen an den Artikeln 109 und 115 GG schaffen finanzielle Spielräume für sicherheitsrelevante Ausgaben, während der neue Artikel 143h GG die Grundlage für ein umfangreiches Investitionsprogramm in Infrastruktur und Klimaschutz legt.
Diese Maßnahmen sollen die finanzielle Flexibilität des Bundes erhöhen und gleichzeitig wichtige Zukunftsinvestitionen ermöglichen. Das Finanzpaket markiert dabei eine wesentliche Weichenstellung für die Investitions- und Finanzpolitik Deutschlands.
Während Kritiker eine Aushöhlung der Schuldenbremse befürchten, betonen Befürworter die Notwendigkeit, Infrastruktur und Sicherheit langfristig zu stärken.
DMB-Standpunkt
Entscheidend wird sein, wie schnell die bereitgestellten Mittel eingesetzt werden und ob sie tatsächlich dringend benötigte Wachstumsimpulse setzen können. Grundsätzlich hat sich der DMB in seiner Zukunftsagenda klar für einen Reform der Schuldenbremse ausgesprochen. Zukunftsinvestitionen sind die Grundlage für Wachstum und Wohlstand, Deutschland muss fit für die kommenden Jahre gemacht werden.

Das Sondierungspapier von CDU/CSU und SPD
Das Sondierungspapier von den Unionspartien und der SPD gibt sich den Anstrich eines ambitionierten Reformdokuments. Stabilität und wirtschaftlicher Aufbruch – eigentlich ja recht widersprüchliche Begriffe – sind die Leitmotive des Dokuments. Doch was bedeutet das für die vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen? Eine kritische Einordnung vorweg: Der Mittelstand wird gewürdigt, aber leider nicht priorisiert! Das merkt man schon alleine daran, dass der Begriff „Mittelstand“ nur ein einziges Mal in dem 11-seitigen Dokument vorkommt.
Allerdings muss auch betont werden: ein Sondierungspapier ist kein detailliertes Regierungsprogramm, sondern eine verschriftlichte Grundlage für weiterführende Verhandlungen zwischen den Parteien. Die möglichen Koalitionäre sollten dem Thema Mittelstand in den Verhandlungen dennoch deutlich mehr Präsenz Raum geben.
- Mittelstandspolitik: Wohlwollende Worte, wenig Substanz
Unionsparteien und SPD betonen die zentrale Rolle des Mittelstands. Doch zwischen den Zeilen liest sich das Sondierungspapier ernüchternd: Während Großindustrien mit spezifischen Maßnahmen bedacht werden, bleibt der Mittelstand weitgehend sich selbst überlassen. Die Ankündigung eines tatsächlichen Bürokratieabbaus – eine Reduktion der bürokratischen Belastung um 25 % – klingt vielversprechend, doch es fehlen bisweilen belastbare Mechanismen zur Umsetzung.
Gut, dass eine Unternehmenssteuerreform angesprochen wird. Dieser Punkt ist bislang aber lediglich eine vage Absichtserklärung.
DMB-Standpunkt
Das Sondierungspapier bietet lediglich eine rhetorische Anerkennung des Mittelstands, wirklich handfeste, spezifische Maßnahmen zur Unterstützung von KMU und Mittelstand werden kaum genannt.
- Arbeit & Bildung: Flexibilisierung, steigende Kosten, Altersvorsorge
Der geplante Mindestlohnanstieg auf 15 Euro bis 2026 ist für viele KMU eine finanzielle Hürde. Gleichzeitig sollen Wochenarbeitszeiten flexibler gestaltet werden – eine sinnvolle Anpassung an moderne Arbeitsrealitäten und eine Forderung des DMB. Doch das eigentliche Problem, der grassierende Fachkräftemangel, wird bisweilen zu wenig adressiert. Eine digitale Agentur für Fachkräfteeinwanderung ist sinnvoll und mag Prozesse beschleunigen, löst aber nicht das Kernproblem: Es gibt zu wenige qualifizierte Arbeitskräfte im deutschen Arbeitsmarkt.
Zum Themenbereich Sozialversicherung findet man in dem Papier lediglich Stückwerk. Allerdings: Der Bereich Rente/Alterssicherung hat es in sich – insbesondere für Unternehmer und Selbstständige. So soll die private Altersvorsorge reformiert werden. Zudem wird eine Altersvorsorge- bzw. gar Rentenversicherungspflicht für „neue Selbstständige“, die keinem obligatorischen Alterssicherungssystem (wie dies z. B. viele freie Berufe anbieten) zugeordnet sind, angekündigt. Hier fehlen bisweilen Details, um eine konkrete Bewertung vorzunehmen.
DMB-Standpunkt
Die Lohnkosten steigen, Fachkräfte bleiben weiterhin rar – eine unbefriedigende Kombination für KMU. Hier gilt es, in den Koalitionsverhandlungen deutlich nachzusteuern. Änderungen in der Altersvorsorge könnten insbesondere auf Unternehmer und selbständige zukommen – Details sind allerdings noch unklar!
- Digitalisierung: Staat im Aufbruch, Unternehmen auf sich gestellt
Gut ist, dass die möglichen Koalitionäre Vollgas bei der Digitalisierung der Verwaltung geben wollen: flächendeckende digitale Behördengänge, ein einheitliches Bürgerkonto, effizientere Prozesse. Alleine der Glaube, dass diese Punkte tatsächlich schnell umgesetzt werden, fehlt. Denn hinter uns liegen viele Jahre, in denen genau diese Versprechungen nicht oder nur ungenügend umgesetzt wurden. Wichtige Erkenntnis der Sondierer: Die Kompetenzzuordnungen zwischen Bund, Ländern und Kommunen müssen grundsätzlich neugeordnet werden.
Was fehlt: eine klare Positionierung hinsichtlich der Einführung eines Digitalministeriums. Was ebenso fehlt: konkrete Ansätze zur Förderung der digitalen Transformation innerhalb der Betriebe. Weder steuerliche Anreize für Digitalisierungsprojekte noch konkrete Förderprogramme für KMU werden erwähnt.
DMB-Standpunkt
Gute Ansätze ohne große Überraschungen, auch hier muss dringend mehr Konkretes erarbeitet werden, damit Deutschland nicht den digitalen Anschluss verliert.
- Energiewende & Energiepreise: Kurzfristige Entlastung, langfristige Unsicherheit
Die geplante Reduktion der Stromsteuer auf das europäische Mindestmaß und die Halbierung der Netzentgelte könnten für KMU eine spürbare Entlastung bedeuten. Doch was passiert, wenn diese befristeten Maßnahmen auslaufen?
Mehr als einen Allgemeinplatz („Unser Ziel sind dauerhaft niedrige und planbare, international wettbewerbsfähige Energiekosten“) findet man nicht im Sondierungspapier, die langfristige Stabilität der Energiepreise bleibt also eine offene Frage. Während „strategische Industrien“ bevorzugt behandelt werden sollen, ist für KMU kein spezifisches Programm vorgesehen.
DMB-Standpunkt
Bislang wirken die Vorschläge wie eine kleine Atempause für Unternehmen bei den hohen Energiekosten. Eine nachhaltige Lösung für den Mittelstand bei Energiepreisen ist allerdings (noch) nicht zu erkennen.
- Finanzen & Steuern: Versprechen ohne viel Substanz
Die angekündigte Einkommensteuerreform könnte Teile der Mittelschicht entlasten, steuerliche Anreize für Investitionen bleiben bisweilen vage, ebenso wie die bereits angesprochene Unternehmenssteuerreform. Die Reform der Schuldenbremse mitsamt XXL-Wachstumspaket wird mehr öffentliche Investitionen ermöglichen, birgt aber natürlich größere Unsicherheiten über künftige Steuerlasten.
Sinnvoll hingegen: die dauerhafte Senkung der Umsatzsteuer für Speisen auf sieben Prozent hilft der Gastronomie, ebenso die Erhöhung der Pendlerpauschale und die „massive Aufstockung der Mittel für Forschung und Entwicklung“.
DMB-Standpunkt
Viele (gute) Ankündigungen, wenig Konkretes zur Ausgestaltung. Auf den Bereich Finanzen& Steuern wird mit Sicherheit in den Koalitionsverhandlungen ein Hauptaugenmerk liegen. Wichtig ist, dass es schnell zu unbürokratischen Entlastungen für kleine und mittlere Unternehmen kommt.
- Freihandel: Chancen für Exporteure, Risiken durch mangelnden Schutz
Die möglichen Koalitionäre sprechen sich deutlich für neue Freihandelsabkommen aus, was gut ist. Doch wie wird die deutsche Wirtschaft vor unfairen Handelspraktiken geschützt? Das Papier bleibt bei geopolitischen Herausforderungen und den sich abzeichnenden Turbulenzen im Welthandel äußerst vage.
DMB-Standpunkt
Das Bekenntnis zu Freihandel und Multilateralismus ist wichtig in diesen Zeiten aber auch kaum überraschend. Wichtig wäre es aus DMB-Perspektive aufzuzeigen, wie sich Deutschland (und Europa) unter veränderten internationalen Voraussetzungen strategisch positionieren wird.
- Wettbewerbsfähigkeit: Die Industrie im Fokus, der Mittelstand am Rand
Die gezielte Förderung strategischer Industrien – Halbleiter, Wasserstoff, Batteriefertigung – ist volkswirtschaftlich sinnvoll, doch der Mittelstand bleibt weitgehend unbeachtet. Der geplante Einstieg in eine Unternehmenssteuerreform könnte positive Effekte haben, doch Details fehlen. Ohne klare Maßnahmen zur Entlastung bleibt die Wettbewerbsfähigkeit der KMU auf unsicherem Boden.
DMB-Standpunkt
Das Sondierungspapier geht deutlich auf das Thema Wettbewerbsfähigkeit ein, allerdings ausschließlich aus Perspektive der Industrie.
- Nachfolge: Ein blinder Fleck der Sondierer
Nachfolge: Ein blinder Fleck der Sondierer
Der demografische Wandel stellt KMU vor massive Herausforderungen – unzählige Betriebe suchen Nachfolger. Dennoch findet sich im Sondierungspapier kein einziges Wort zur Erleichterung von Unternehmensnachfolgen. Keine steuerlichen Anreize, keine Vereinfachungen in der Bürokratie, keine Förderprogramme. Eine eklatante Vernachlässigung eines drängenden Problems.
DMB-Standpunkt
Ignoranz gegenüber einer der zentralen Herausforderungen des Mittelstands, die dringend im Koalitionsvertrag behandelt werden muss.
Schlussbetrachtung: Mittelstand als Nebendarsteller einer großen Erzählung
Das Sondierungspapier von SPD, CDU und CSU ist ambitioniert, doch für den Mittelstand bleibt es ein Dokument der vagen Absichten. Es gibt positive Ansätze, etwa in der Bürokratieentlastung und bei der Energiekostenreduktion.
Doch ebenso viele große Herausforderungen – Nachfolgekrise, Energiewende, Fachkräftemangel, gezielte Investitionsförderung – werden entweder gar nicht oder nur sehr oberflächlich behandelt.
Die künftige Regierung hat selbstredend jetzt die Chance, im Koalitionsvertrag gezieltere Maßnahmen für den Mittelstand zu verankern. Der DMB zeigt in seiner Zukunftsagenda 2030, wo die Prioritäten jetzt gesetzt werden müssen.
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