20.05.1976
„In Krisenzeiten lernt man seinen Betrieb am besten kennen“
Gerade im Mittelstand lässt sich beobachten, dass Bereitschaft zur Veränderung und zielgerichtete Investitionen oft die entscheidenden Hebel sind, um Krisen erfolgreich zu meistern. Die Erfolgsgeschichten der DMB-Mitglieder Benny Hahn und Andreas Mittler verdeutlichen: Führung oder neudeutsch „Leadership“ bedeutet, immer wieder neue Wege zu denken, Verantwortung zu übernehmen und gleichzeitig das Vertrauen von Kunden und Mitarbeitenden zu gewinnen.
Krisen kommen oft unerwartet und erzeugen Unsicherheit sowie enormen Druck. Sie erfordern schnelle Entscheidungen, für die es keinen fertigen Plan gibt. In solchen Momenten zeigt sich, was wahre Führung bedeutet: Ruhe bewahren, überlegt handeln und gleichzeitig entschlossen agieren. Eine Führungskraft muss das Unternehmen als Steuermann durch stürmische Gewässer navigieren – ohne in Hektik zu verfallen und mit klarer Zielrichtung. Den DMB-Mitgliedern Benny Hahn und Andreas Mittler ist es eindrucksvoll gelungen, ganz unterschiedliche Herausforderungen zu meistern.
Neue Wege im Softwaremarkt: „Wir mussten reagieren“
Benny Hahn ist Co-Geschäftsführer der ZEP GmbH, eines Anbieters von Software für Zeiterfassung und Professional Services Automation. Mit einem Führungswechsel im Jahr 2022 kam frischer Wind ins Unternehmen: Benny Hahn und sein Co-Geschäftsführer Christian Bopp übernahmen als externe Nachfolger die Geschäftsleitung. Der Übergang war nicht nur ein Generationenwechsel, sondern auch eine strategische Neuausrichtung in einem sich wandelnden Marktumfeld. Während ZEP historisch stark über das Bestandskundengeschäft wuchs, hat die unsichere Wirtschaftslage die Dynamik des Marktes und des Unternehmens verändert.
Hahn betont: „In unsicheren Zeiten halten sich viele Unternehmen mit Neueinstellungen zurück und frieren Stellen ein. Das wirkt sich auf unser Lizenzgeschäft aus, da wir mit unseren Kunden wachsen – wenn es ihnen gut geht, profitieren auch wir.“
Führung in herausfordernden Zeiten verlangt mehr als nur strategische Anpassungen. Hahn weiß, dass Kommunikation, Transparenz und Vertrauen essenziell sind: „Gerade in Krisenzeiten hinterfragen Unternehmen ihre Ausgaben für Software, und potenzielle Neukunden überlegen lieber einmal mehr, ob sie in ein neues Tool investieren. Da punktet derjenige, der mit echten Lösungen überzeugt und Vertrauen schafft, mehr als jemand, der nur die Funktion einer Software erklärt.“
Um diesen Entwicklungen zu begegnen, entschloss sich Hahn, gezielt in Vertrieb, Marketing und Kundenberatung zu investieren. Statt nur ein Zeiterfassungstool zu verkaufen, setzt ZEP verstärkt auf darauf aufbauende Software-Lösungen und Services, die Unternehmen zusätzlichen Mehrwert bieten. In unsicheren Zeiten zahlt sich das besonders aus, da dadurch zwei bis drei einzelne Tools – beispielsweise für Reisekosten, Rechnungslegung und Zeiterfassung – in einer einzigen Lösung gebündelt werden können. Parallel dazu baute Hahn eine Remote-Organisation auf, um hochqualifizierte Fachkräfte aus ganz Deutschland zu rekrutieren. So konnte ZEP trotz der verhaltenen Marktlage weiter wachsen.
Mit steigender Mitarbeiterzahl veränderte sich auch Hahns Führungsstil. Es wurde und bleibt entscheidend, Verantwortung abzugeben und klare Strukturen zu schaffen. In dieser Phase ist die interne Kommunikation besonders wichtig: „Je größer das Team, desto wichtiger ist es, dass jeder die Unternehmensziele versteht und weiß,
welchen Beitrag er leistet.“
Durch diesen strategischen Ansatz gelingt es Hahn, das Unternehmen sicher durch die turbulente und unsichere Marktlage zu steuern. Indem er nicht nur kurzfristige Lösungen umsetzt, sondern auch langfristige Perspektiven berücksichtigt, legt er die Grundlage für eine stabile und nachhaltige Weiterentwicklung.
Energiekrise als Ansporn: Metzgermeister Mittler wird zum Zukunftsarchitekten
Auch der seit 34 Jahren selbstständige Metzgermeister Andreas Mittler kennt den Druck steigender Kosten. Im Jahr 1991 gründete Andreas Mittler sein Unternehmen im Alter von nur 21 Jahren – damals noch ohne gewachsene Netzwerke oder etablierten Kundenstamm. Durch kontinuierlichen Ausbau und strategische Entscheidungen
konnte er den Betrieb von einem kleinen Fachgeschäft zu einem modernen Produktionsunternehmen mit rund 45 Mitarbeitenden entwickeln.
Aktuell bereitet sich der Familienbetrieb auf den Übergang in die zweite Generation vor: Sohn Moritz ist bereits im Unternehmen fest verankert. In über drei Jahrzehnten seiner unternehmerischen Tätigkeit musste Andreas Mittler schon so manche Krise bewältigen. Doch die letzten Jahre stellten den Betrieb vor besondere Herausforderungen: Explodierende Energie- und Rohstoffpreise, steigende Lohnkosten und zunehmende bürokratische Hürden hätten die Existenz des Unternehmens schnell gefährden können. Doch Mittler blieb positiv: „In Krisenzeiten lernt man seinen Betrieb am besten kennen. Man muss langfristige Strategien entwickeln und steht immer wieder vor unvorhergesehenen Herausforderungen. Man muss sich der Sache annehmen und versuchen, seinen eigenen Weg zu gehen.“ Deshalb traf er eine mutige Entscheidung: Er investierte in einen hochmodernen Produktionsstandort mit Photovoltaik, Wärmerückgewinnung und CO₂-sparender Klimatechnik. Bürokratische Auflagen und langwierige Förderverfahren erschwerten den Prozess, doch er sah die Vorteile für die Zukunft: „Es war richtig, diesen Weg zu gehen. Sobald sich die hohen Anschaffungskosten amortisieren, sind wir deutlich unabhängiger von Energiepreisschwankungen.“
Auch in Sachen Personal bewies Mittler Weitblick: Die Belegschaft ist längst international, in der Produktion ist die Betriebssprache inzwischen Englisch, die Arbeitsprozesse der körperlich anstrengenden Tätigkeit wurden konsequent auf Ergonomie ausgerichtet, und flexible Arbeitsmodelle wie eine Vier-Tage-Woche sind längst Realität. Trotz vieler Veränderungen bliebt das Teamverständnis familiär – ein zentraler Grund, warum der Betrieb gut durch turbulente Zeiten steuert.
Fünf Impulse für krisenfeste Führung
Sowohl Benny Hahn als auch Andreas Mittler haben in ihren Branchen bewiesen, dass kluge Führung in Krisenzeiten den Unterschied macht. Aus ihren Geschichten lassen sich fünf zentrale Impulse ableiten, die Unternehmen helfen können, auch in schwierigen Phasen widerstandsfähig und handlungsfähig zu bleiben.
1. Frühzeitig gegensteuern
Statt abzuwarten, haben beide Unternehmen aktiv reagiert. Neue Geschäftsmodelle, Prozessoptimierungen oder Modernisierungen wurden zeitnah angegangen.
2. Vertrauen durch Mehrwert
ZEP setzt auf tiefgehende Beratung und passgenaue Softwarelösungen; die Metzgerei Mittler bietet hochwertige Produkte und transparente Kommunikation. So entsteht ein Vertrauensverhältnis zu den Kunden.
3. Investitionen in die Zukunft
Ob durch Digitalisierungsprojekte oder energiesparende Technik: Wer jetzt investiert, kann sich langfristig unabhängiger aufstellen und neue Potenziale erschließen.
4. Die Belegschaft als Rückgrat
In einer Krise kommt es auf ein motiviertes, gut eingespieltes Team an. Flexible Arbeitsmodelle, Weiterbildungen und offene Kommunikation fördern Loyalität und Leistungsbereitschaft.
5. Strukturen hinterfragen
Krisen machen Schwächen sichtbar. Ob bei bürokratischen Hindernissen, veralteten Maschinen oder ineffizienten Prozessen – alles, was nicht zukunftsfähig ist, sollte auf den Prüfstand kommen.
Wendepunkt als Wachstumschance
Krisen sind selten planbar – umso wichtiger ist es, vorausschauend zu handeln. Wer sein Geschäftsmodell konsequent anpasst, Lösungen statt bloßer Produkte anbietet und ein engagiertes Team hinter sich weiß, kann gestärkt aus der Unsicherheit hervorgehen.
So können sich Wendepunkte als echte Wachstumschancen entpuppen. Denn trotz aller Herausforderungen bleibt der Mittelstand einer der wichtigsten Motoren der deutschen Wirtschaft – wenn er in turbulenten Zeiten nicht nur reagiert, sondern aktiv gestaltet.
Führung in der Krise besteht nicht nur aus Schadensbegrenzung, sondern vielmehr aus der langfristigen Gestaltung und Zukunftsfähigkeit des Unternehmens. Ungewissheit und Unsicherheit dürfen nicht zum Stillstand führen, sondern sie müssen aktiv gemanagt werden. Mit Unsicherheit umzugehen, entwickelt sich immer mehr zu einer zentralen Führungsfähigkeit. Denn: Mut zur oder trotz Unsicherheit wird häufig belohnt.
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