17.10.2019Interview

DMB-Interview: Nelly Kostadinova

"Made in Germany" ist ein international anerkanntes Gütesiegel. Die Leistungen deutscher Unternehmen werden weltweit geschätzt. Die tragende Säule der Wirtschaft, der Mittelstand – das sind motivierte Unternehmer/innen, Gewerbetreibende und Selbstständige, die sich ihrer unternehmerischen Verantwortung stellen. Der DMB hat sie gefragt, was sie antreibt und welche Hürden beseitigt werden müssen, um zukünftige Herausforderungen meistern zu können um weiter erfolgreich zu sein.

 

"Unternehmertum ist eine Berufung. Ein Unternehmer braucht Mut, Visionen, innovative Ideen und Durchhaltevermögen."

Nelly Kostadinova (Lingua-World GmbH)


In welchem Bereich sind Sie tätig? Bitte stellen Sie sich und Ihr Unternehmen kurz vor. 

Nelly Kostadinova: Ich bin Gründerin und Inhaberin des internationalen Übersetzungs- und Dolmetsch-Unternehmens Lingua-World. 1997 gegründet, hat Lingua-World heute 19 Standorte auf zwei Kontinenten mit einem Netzwerk aus 10.000 freien Übersetzern und Dolmetschern, sodass wir alle Sprachen der Welt und auch seltene Dialekte abdecken können. Neben einem 24-Stunden-Übersetzungs-Service bieten wir auch Lokalisierungsdienste und Lokalisierungskonzepte an.


Was macht für Sie den Mittelstand aus und warum ist er wichtig für Deutschland?

Der Mittelstand ist für Deutschland enorm wichtig, weil aus ihm heraus Innovationen wachsen. Die Selbstverwirklichung der Mitarbeiter, die Umsetzung eigener Ideen, funktioniert in mittelständischen Unternehmen einfach am besten. Die Mitarbeiter zählen hier noch etwas und verschwinden nicht in einer anonymen Masse. Nach meiner Erfahrung müssten sich deutlich mehr deutsche Mittelständer den Weg zur Expansion ins Ausland trauen. Etwas wagen. Um Innovationen voranzutreiben und die Zukunft der Wirtschaft zu stärken.


Was motiviert Sie, tagtäglich unternehmerisch zu denken und zu handeln?  

Als Unternehmerin trage ich nicht nur für mich, meine Familie und meine Firma Verantwortung, sondern vor allem auch für meine Mitarbeiter und deren Familien. Und das zurecht, denn ohne meine unglaublich engagierten Angestellten könnte Lingua-World nicht existieren! Egal, ob es meine Mitarbeiter in der Firmenzentrale in Köln, in der Filiale in London oder in Südafrika sind: Ich möchte, dass sie vorankommen, sich bei Lingua-World wohl fühlen und mit mir und meiner Firma weiter wachsen. Es macht mich glücklich, Wege zu finden, wie sie zum Beispiel Job und Familie unter einen Hut bringen können. Wenn sie zufrieden sind, bin ich es auch, denn am Ende kommt die Motivation meiner Mitarbeiter schließlich wieder der Firma zu Gute. Natürlich motiviert mich aber auch meine Familie. Sie hat mich von Anfang an darin bekräftigt, Lingua-World aufzubauen und immer weiterzumachen – obwohl mir damals von der IHK abgeraten wurde, ein Übersetzungsunternehmen zu gründen! Ich persönlich motiviere mich außerdem durch Sport und durch meine Arbeit als Autorin und Keynote-Speaker, mit der ich anderen Menschen helfen will, mutig ihre Ziele zu verfolgen und zu bleibendem Erfolg zu gelangen.


Krisen und Herausforderungen gehören ebenfalls zum Unternehmertum dazu. Welche unternehmerischen Kompetenzen sind besonders wichtig, um in turbulenten Zeiten zu bestehen?

Das Allerwichtigste ist, Krisen als Chancen zu erkennen und wahrzunehmen und aus den Niederlagen zu lernen! Wer das verstanden hat, hat die besten Voraussetzungen, erfolgreicher Unternehmer zu werden. Denn Unternehmertum kann man nicht studieren, es gibt keinen Ausbildungsberuf „Unternehmertum“. Man kann BWL studiert und die betriebswirtschaftliche Organisation seines Unternehmens im Voraus geplant haben und trotzdem kein guter Unternehmer sein. Andersherum kann man eine komplett andere Ausbildung absolvieren, keine Fachausbildung haben und trotzdem ein erfolgreicher Unternehmer sein. Unternehmertum ist eine Berufung. Ein Unternehmer braucht Mut, Visionen, innovative Ideen und Durchhaltevermögen. Man darf sich niemals unterkriegen lassen. Fehler, Niederlagen und sogar Desaster gehören zu unserem Leben als Unternehmer dazu.


Welche Probleme muss die Politik am dringendsten angehen, damit der Mittelstand auch künftig erfolgreich sein kann? 

Die Politik muss verstehen, dass der Mittelstand das Fundament, das Skelett der deutschen Wirtschaft ist. Ein gut aufgestellter Mittelstand sorgt für Stabilität in der Gesellschaft und für Unabhängigkeit der deutschen Wirtschaft von internationalen Global-Playern. Damit das so bleibt, müssen sich mittelständische Unternehmen dem Zeitgeist anpassen. So ist etwa die Digitalisierung ein riesiges Thema, dass so gut wie jeden Mittelständler vor große Herausforderungen stellt und bei der ich mir mehr Unterstützung durch die Politik wünsche.

Oft werden mittelständische Unternehmen aber gegenüber großen Konzernen benachteiligt. Nehmen wir das Beispiel Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Große Konzerne bekommen Zuschüsse für firmeninterne Kitas oder Ähnliches. Doch auch im Mittelstand gibt es Möglichkeiten, Betriebe familienfreundlicher zu machen und das muss durch die Politik entsprechend gefördert werden!  Ebenso würde ich mir eine Förderung für Betriebe wünschen, die ältere Mitarbeiter einstellen. Diese haben ein enormes Wissen über die Tradition und Werte der deutschen Unternehmenskultur, die sie an die jüngeren Angestellten weitergeben können und das nicht verloren gehen darf!

Auch Betriebe, die Ausbildungsplätze anbieten oder neu schaffen, sollten finanziell mehr gefördert werden. Und natürlich ist es enorm wichtig, Gründungswillige zu fördern: Durch gezielte Beratung zur Unternehmensgründung und Fördermittel. Hier muss die Politik insbesondere endlich mehr für die gezielte Förderung von Frauen tun. Denn wir Frauen sind mit rund 15 Prozent bei den Unternehmensneugründungen noch immer deutlich in der Minderheit. Dadurch geht dem deutschen Mittelstand und der deutschen Wirtschaft enorm viel innovatives Potenzial verloren. Ich bin überzeugt: Die Wirtschaft muss weiblicher werden!

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