07.10.2021Hintergrund

Energiewende: Streit oder Übereinstimmung?


SPD, Grüne und FDP sondieren über eine mögliche „Ampel-Koalition“. Doch wie gut passen die Parteien inhaltlich zusammen und wo gibt es Konfliktpotential in den Gesprächen? Der DMB zeigt mit seiner „Koalitionsampel“ auf, wo Streitpunkte liegen.

Themenfeld Energiewende

Alle drei Parteien bekennen sich zum Klimaabkommen von Paris und dem damit verbundenen Ziel, die Erderwärmung auf unter 2°C zu begrenzen. Große Uneinigkeit herrschte in der Vergangenheit allerdings insbesondere zwischen Grünen und Freien Demokraten darüber, auf welchem Wege die daraus folgenden nationalen und europäischen Klimaziele erreicht werden sollen. Während Energiewende und Klimaschutz ein Kernthema der Grünen ist und sie in der Öffentlichkeit allgemein als Treiber der Energiewende wahrgenommen werden, setzte die FDP auf Technologieoffenheit und die Kraft des Marktes auf dem Weg zur Klimaneutralität. Der Erfolg von Koalitionsverhandlungen dürfte aus Sicht der Grünen wesentlich von einer Einigung in diesem Themenfeld abhängen. Bei all den bestehenden Differenzen zwischen den drei Parteien bietet das Feld Energiewende jedoch auch Gemeinsamkeiten, die eine Grundlage für erfolgreiche Koalitionsverhandlungen bilden könnten.

 

Kreislaufwirtschaft fördern

SPD, Grüne und FDP sind sich einig darin, dass sie die Kreislaufwirtschaft fördern möchten. Während die SPD auf das Recycling setzt und ein Rohstoffsicherungskonzept erarbeiten möchte, „um eine sichere Lieferung der für umweltfreundliche Produktion nötigen Rohstoffe zu gewährleisten“, setzt die FDP auf ein innovatives, technologieoffenes Recycling. Die Grünen betonen, dass das Konzept der Kreislaufwirtschaft ganzheitlich bei Design, Herstellung, Nutzung sowie Entsorgung von Produkten zu berücksichtigen ist und Hersteller sowie Müllverursacher stärker in die Verantwortung zu nehmen seien.

Bei diesem Aspekt ist eine Einigung sehr wahrscheinlich, da es bei der grundsätzlichen Einigkeit nur noch um Detailfragen geht.
 

 

Entlastung von KMU beim nationalen Emissionshandel

SPD und FDP sprechen sich dafür aus, KMU beim nationalen Emissionshandel künftig zu entlasten. Die SPD möchte es mithilfe „maßgeschneiderter Instrumente“ unattraktiver machen, Produktion und Emissionen ins Ausland zu verlagern. Die Freien Demokraten sehen den Weg in einem international abgestimmten Vorgehen beim Klimaschutz mit einer einheitlichen CO2-Bepreisung, das über den europäischen Emissionshandel (EU-ETS) hinaus geht. Bis es zu einem solchen weltweiten CO2-Zertifikatehandel kommt, möchte die FDP jedoch die EU dabei unterstützen, eine WTO-konforme Weiterentwicklung des „Carbon-Leakage“-Schutzes einzuführen, der sich am europäischen Emissionshandel (EU-ETS) orientiert. Während sich bei SPD und FDP in diesem Punkt Gemeinsamkeiten abzeichnen, äußern sich die Grünen in ihrem Wahlprogramm nicht zu einer Entlastung von KMU beim nationalen Emissionshandel.
 

 

Neue umweltpolitische Auflagen für KMU

Weder SPD noch Grüne und FDP sprechen sich explizit für neue umweltpolitische Auflagen für KMU aus. Dieser Aspekt dürfte also kein Hindernis bei möglichen Koalitionsverhandlungen darstellen.
 

 

EEG-Umlage beibehalten

Die SPD möchte die EEG-Umlage in ihrer derzeit bestehenden Form bis zum Jahr 2025 abschaffen und den Ausbau der Erneuerbaren Energien stattdessen aus dem Bundeshaushalt finanzieren, wozu auch die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung dienen sollen. Die FDP setzt darauf, die EEG-Umlage schrittweise abzuschaffen und Förderzusagen aus der Vergangenheit stattdessen weitestgehend über die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung finanzieren. Gleichzeitig sollen aber keine neuen Fördertatbestände mehr geschaffen werden. Die Grünen möchten die EEG-Umlage nicht abschaffen, streben aber eine Senkung der EEG-Umlage an.
 

 

Klimaneutralität früher (vor 2045) herstellen

Die Sozialdemokraten haben das Ziel, dass Deutschland bis spätestens 2045 komplett klimaneutral sein soll. Sie schließen also nicht aus, dass Klimaneutralität auch früher erreicht werden kann. Die Grünen legen sich in ihrem Wahlprogramm nicht explizit fest, Klimaneutralität vor 2045 erreichen zu wollen. Allerdings dürfte es im Interesse der Grünen sein, den Ausstoß von Treibhausgasen so schnell wie möglich auf netto Null zu bringen. Die FDP beruft sich auf die Ziele Deutschlands und der EU zur Klimaneutralität. Sollte die EU jedoch eine frühzeitigere Klimaneutralität anstreben, verweisen die Freien Demokraten darauf, dass der Emissionshandel die Zielerreichung durch Anpassung des Senkungspfades durch den Emissionshandel weiterhin garantiert werden. Auch an dieser Stelle scheint eine Einigung somit denkbar.
 

 

Aufbau einer Wasserstoff-Infrastruktur

Alle drei Parteien sprechen sich für den Aufbau einer Wasserstoff-Infrastruktur aus. Die SPD möchte „Deutschland bis 2030 zum Leitmarkt für Wasserstofftechnologien machen – für die klimaneutrale Erzeugung von Stahl, für CO2-arme PKWs, LKWs und den Schiffs- und Flugverkehr.“ Die FDP spricht davon „Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe neben Strom als zweite Säule des künftigen Energiesystems aufbauen und den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft schnellstmöglich vorantreiben“ zu wollen. Die Freien Demokraten setzen dabei nicht nur auf grünen Wasserstoff aus Erneuerbaren Energien, sondern auch auf CO2-neutralen „blauen“ und „türkisen“ Wasserstoff aus Erdgas, bei dessen Herstellung der enthaltene Kohlenstoff gespeichert werden kann. Die Grünen sehen Deutschland bei den Technologien zur Erzeugung von Wasserstoff weit vorne und wollen diese Führungsposition weiter ausbauen und die entsprechende Infrastruktur dafür schaffen. Sie sind sich mit der FDP einig, dass eine Wasserstoff-Infrastruktur europäisch gedacht werden muss.

 

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