13.08.2021Fachbeitrag

„Ich habe noch nie eine Frau in Ihrer Position gesehen“

Die Beitragsserie „Markteinstieg in Japan“ fasst alles Wissenswerte für wirtschaftliche Aktivitäten in „Nippon“ (jap. für Japan) zusammen.

Mädchen für alle? Hüterin des Heims? Von wegen: In Japan ändert sich gerade einiges! Immer mehr Frauen erklimmen in Japan erfolgreich die Karriereleiter – und auch die Männer lassen sich auf den Wandel ein.

Vielen, die seit längerem mit Japanern vor Ort oder in Japan zusammenarbeiten, wird aufgefallen sein, dass manche ältere Manager früher weiblichen Angestellten eine andere Erwartungshaltung entgegengebracht haben als heute.

Dies begann bei Fragen wie „Wo bleibt denn Ihr Chef?“ oder „Ich habe noch nie eine Frau in Ihrer Position getroffen“, wenn z.B. bei einem ersten Meeting das europäische Gegenüber eine Frau war. Auch wird sich manche europäische Managerin noch erinnern, dass in Teambesprechungen ausschließlich von weiblichem Mitarbeitern erwartet wurde, „doch mal für Kaffee zu sorgen“.

 

(Double) Pay Gap: Frauen verdienen 20%-40% weniger als Männer

Das ist natürlich fast nicht mehr der Fall, aber bis heute sind Frauen in höheren Positionen in Japan nicht die Regel. So waren 2017 nur 44% aller weiblichen Angestellten regulär angestellt und verdienten ca. 24,5% weniger als männliche Kollegen. Dazu kommt eine hohe Zahl von Zeitarbeiterinnen und befristeten Vertragsverhältnissen, die 40% weniger Gehalt bekommen und dadurch in einem „Double Pay Gap“ hängen. 73% aller weiblichen Neueinstellungen fallen in diese Gruppe.

Dass Japan unter einem sehr starken Bevölkerungsschwund leidet, liegt unter anderem daran, dass es nach wie vor sehr schwer ist, nach der Geburt der Kinder schnell wieder in den Beruf einzusteigen, da viel zu wenig Plätze für Kinderbetreuung vorhanden sind.

 

Breaking News: Babypause jetzt auch für Männer!

Babypause, also ein „Paternal leave“ für Männer ist zwar gesetzlich vorgesehen, wird aber fast nie wahrgenommen. Und doch machte Anfang 2020 ein Minister Schlagzeilen, da er trotz seines Amtes (vergleichbar Staatssekretär hier) ein paar Wochen in Elternzeit gehen und/oder zumindest manche Aufgaben im Homeoffice abarbeiten wird. Das ist in Japan eine „Breaking News“ Schlagzeile wert!

In vielen Firmen gehen jetzt auch HR Manager ganz demonstrativ in Elternzeit, um den anderen Angestellten zu zeigen, dass das jetzt „erlaubt“ ist.

 

Vom „Mädchen für alles“ zur „Hüterin des Heims“

Der Hintergrund all dessen ist, dass bis vor 10-20 Jahren noch durchaus gängige Ideal des „ryōsai kenbo“, das Frauen eine Rolle als „gute Ehefrau und gütige Mutter“ umschrieb. Diesem zufolge war es erstrebenswert, als Hüterin des Heims und der Kinder seine volle Erfüllung zu finden. Man muss anmerken, dass damit aber oft eine Machtposition verbunden war, da nicht wenige Ehefrauen bis heute als „Finanzministerin der Familie“ gelten und der Ehemann nur ein Taschengeld für Mittagessen und abendliches Ausgehen mit dem Team zugeteilt bekommt. Es gibt noch Fälle, wo an Tagen, an denen die Ehefrau ein O-Bento (japanische Brotzeit) als Mittagessen mitgibt, rückwirkend vom Mann der Betrag für die nicht im Restaurant oder der Kantine eingenommenen Mahlzeiten wieder eingefordert wird.

Die Sphären Familie und Arbeitswelt waren also traditionellerweise streng getrennt, wobei viele junge Frauen vor der Heirat als „Office ladies“ (OL) oder auch als „Mädchen für alles“ angestellt wurden. Die Erwartung, dass diese nicht zu lange in den Firmen verbleiben sollten, war schon in den Arbeitsverträgen angelegt, die ganz klar in unterschiedliche Klassen für Männer und Frauen eingeteilt waren. Erst 1986 wurde Japanerinnen durch ein Gleichstellungsgesetz der Weg in den wirklichen Karrierepfad geöffnet.

 

Womenomics: Für mehr Frauen in Führungspositionen

Vor dem Hintergrund des sich abzeichnenden Arbeitskräftemangels hatte die japanische Regierung im Rahmen der „Womenomics“ das ambitionierte Ziel von 30% weiblichen Führungskräften bis 2020 ausgegeben und plante mit allerlei Maßnahmen die Rahmenbedingungen für Frauen zu verbessern.

Firmen wie „Nomura Trust & Banking“, die als erste Bank eine Managerin auf die höchste Position hoben, gingen mit gutem Beispiel voran. Und doch wurde schnell klar, dass dieses Ziel bis 2020 nicht zu erreichen war, denn es sind immer noch nur 13,2% Frauen als Managerinnen tätig (Stand 2018) und in 73% aller Firmen in Japan gibt es überhaupt keine weiblichen Manager (Stand 2017). Diese Zahlen ändern sich aber gerade rasant und auch in Japan gibt es jetzt immer mehr Firmen, die sich den Zielen des „30% Club“ verschreiben, sprich mindestens 30% weiblicher Anteil im Middle und Executive Management.

Dass sich allmählich etwas ändert, sieht man aber auch neuerdings in Deutschland an einer gewissen Zahl von weiblichen japanischen Expatriates und Managerinnen, die es früher gar nicht gab.

 

Wandel: In Japan ändert sich gerade einiges!

Die Einstellung der jüngeren Generation hat sich stark gewandelt. Viele Frauen möchten heutzutage genauso selbstverständlich wie die Männer einen attraktiven Beruf mit Aufstiegsmöglichkeiten ausüben. Zudem ist das Einkommen des Ehemanns meist nicht mehr ausreichend, um eine Familie zu ernähren.

Trotz allem gibt es viel mehr Möglichkeiten, als Frau eine Karriere zu haben, doch muss einschränkend bemerkt werden, dass man dann auch doppelt so hart wie die männlichen Angestellten arbeiten muss, um sich abzusetzen und Vorurteile zu kontern. Doch das soll es auch in anderen Industrieländern geben…

Wie bei jedem gesellschaftlichen Wandel spielt aber auch hier die öffentliche Meinung eine große Rolle.

Erst im März 2021 musste der Präsident des japanischen olympischen Komitees zurücktreten, nachdem der öffentliche Druck zu groß wurde. Yoshiro Mori, der früher auch Premierminister war, hatte in einem Interview gesagt, dass Meetings mit weiblichen Teilnehmern sich deswegen in die Länge zögen, weil die Frauen so kompetitiv seien und daher so viel redeten. Wäre das früher noch als „Japaner vom alten Schlag sind halt so“ zu den Akten gelegt worden, so ist die Öffentlichkeit auch in Japan nicht mehr bereit, derlei Aussagen durchgehen zu lassen.  

Teil XIII der Beitragsserie Markteinstieg in Japan

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