08.12.2021Fachbeitrag

Unternehmenskauf: Chancen und Herausforderungen durch Corona

Der Markt hatte bis Juni des Jahres eine Pause eingelegt, sich aber relativ schnell wieder erholt und sich aus der Schock-Starre befreit.

Zäsur für ein fragiles Wirtschaftssystem

Wir schreiben das Jahr 2020, welches in wenigen Wochen schon wieder zu Ende geht. Hätte Ihnen jemand in 2019 erzählt, dass im nächsten Jahr für zwei bis drei Monate die gesamte Weltwirtschaft lahmgelegt wird, ich vermute Sie hätte Ihn oder Sie für verrückt erklärt.

Buchstäblich verrückt erscheinen einem die brüchigen Säulen, auf die die Menschheit diese so komplex-vernetzte Weltwirtschaft aufgebaut hat. Kaum können nur mehr die dringendst benötigten Waren und Dienstleistungen für ein paar Wochen abgerufen werden, zeigt sich die Fragilität unserer globalen Wirtschaftsstruktur.

Insbesondere die kleine und mittelständische Wirtschaft hat es in diesem Jahr massiv gebeutelt. Da ist wohl die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und deren Verlängerung bis Jahresende mehr eine Verschiebung als Lösung des Problems.

Aber welche Konsequenzen kann man für den Kauf- und den Verkauf von Unternehmen ableiten, mit einem Blick zurück auf die letzten Monate? Ist ein Rückblick überhaupt jetzt schon zulässig?


Der Markt für Unternehmenskäufe hat sich aus der Schockstarre befreit

Der Markt hatte bis Juni des Jahres eine Pause eingelegt, sich aber relativ schnell wieder erholt und sich aus der Schock-Starre befreit. Dabei haben sich zwei Effekte herauskristallisiert:

  1. Corona als Lupe, so hatte ein Investor einmal die Corona-Krise im Bezug auf Unternehmenskäufe bezeichnet. Damit meinte er, dass das Interesse an Unternehmen nach wie vor groß ist. Jedoch wird deutlich genauer hingesehen, und dabei geht es immer um die Tragfähigkeit des Geschäftsmodells. War dieses 2018/2019 schon ins Schwanken geraten oder ist es ausschließlich durch Corona unter Druck gekommen?
  2. Die Messlatte hat sich verschoben. Hätten Sie im 2019 einen Maschinenbaubetrieb mit 20% Umsatzeinbruch angeboten, wäre das ein ernsthaftes Problem gewesen. Aktuell zeigt sich im Austausch mit möglichen Kaufinteressenten, dass ein Umsatzeinbruch von „nur“ 20% eher als Auszeichnung statt als Abwertung gilt.

Als Käufer hilft Ihnen nur eine differenzierte Betrachtung. Die Krise 2020 hatte nicht nur Verlierer. Da gab es den Ausverkauf der Webcams und anderer digitaler Produkte insbesondere für den Homeoffice-Betrieb. Natürlich Medizin- und Hygieneartikel, die Ihren Hype hatten und jedem Gebäudereiniger schön steigende Umsätze bescherten. Auch Fahrräder fanden außergewöhnlich viele Abnehmer, als Kompensation für den gestrichenen Urlaub im Süden.


Eine deutliche Bereinigung bei den Unternehmen

Wie wir aus erster Hand wissen, schauten sich die Banken hier insbesondere die Jahre 2018 und 2019 an. War da schon ein Kriseln in den Jahresabschlüssen zu sehen, war es sehr schwer den Bankberater von einer erforderlichen Liquiditätsspritze zu überzeugen.

Das billige Geld der letzten Jahre hat natürlich – so der Ex-Bankenberater und Autor Markus Krall – mehr, wie er sie nennt, Zombie-Unternehmen hervorgebracht – als eine Volkswirtschaft eigentlich vertragen kann. Da spricht er von natürlichen 1,5% an Unternehmen, die jährlich aus dem Wettbewerb ausscheiden. Dieser Anteil ist in den letzten Jahren auf ca. 15% angestiegen. 15% an Unternehmen, die nur aufgrund der billigen Liquidität noch am Markt sind.

Giso Weyand – der bekannte Berater der Berater sagt knallhart: „Wer als Berater jetzt gestrichen wird, war nicht relevant genug“. Das gilt im Prinzip für jedes Unternehmen und diese Corona-Krise ist sicher eine Zäsur der besonderen Art, die die Relevanz der einzelnen Player am Markt sehr deutlich macht.


Der perfekte Zeitpunkt

Den perfekten Zeitpunkt, um ein Unternehmen zu kaufen gab es weder vor, in und wird es auch nicht nach der Krise geben. Zumindest lässt sich das selten nur von äußeren Faktoren und einer pauschalisierten Marktbetrachtung abhängig machen. Es gilt also der alte Spruch der Rechtsanwälte: „Es kommt darauf an“.

Drum gibt es aus meiner Sicht zwei relevante Faktoren, die ein Unternehmen für Sie als Käufer interessant machen:

  1. Das Geschäftsmodell eines Unternehmens
    Das muss nachweislich funktionieren und somit Vertrauen schaffen. Wie schafft das Unternehmen welchen Nutzen für wen? Diese Frage hört sich im ersten Moment trivial an. Geht man aber in die Tiefe – z.B. mit dem Business Canvas Modell von Alexander Osterwalder, werden einem Fragen bewusst, die man bisher immer nur intuitiv oder auch gar nicht beantwortet hat. Ein Firmenexposé sollte darüber Auskunft geben. Tut es das nicht, fragen Sie intensiv nach, bis sich ein Gefühl des Vertrauens und der Sicherheit einstellt.
    Des Weiteren gibt es auch gute Möglichkeiten so ein Geschäftsmodell auf den Prüfstand zu stellen. Zum Beispiel mit dem IDEASCANNER - digital, einfach und schnell. Weißt das Zielunternehmen erhebliche Defizite im Geschäftsmodell auf, wissen Sie auf was Sie sich einzustellen haben. Mit oder ohne Corona!          
  2. Die Passung zum Investor
    Das Unternehmen muss zu Ihrer Wachstumsstrategie passen, ohne es mit Gewalt passend machen zu müssen. Sei es, dass es Existierendes verstärkt, Fehlendes ergänzt, Regionen und/oder Branchen ausbaut. Sei es, dass es Technologien, Methoden oder Verfahren mitbringt, die Sie aufbauen wollen.  Stets geht es vorrangig darum das zu kaufende Unternehmen strategisch (und auch kulturell) sauber und möglichst störungsfrei integrieren zu können, ohne sich weitere Probleme aufzuhalsen. Ist eine klare strategische Passung nicht erkennbar, so lassen Sie bitte die Finger von dieser Akquisition. 


Was wird sich noch ändern am M&A-Markt?

Die Ermittlung der Kaufpreise und Vertragsgestaltung wird zunehmend käuferfreundlich strukturiert werden. Wir werden wohl vermehrt sog. Closing-Accounts sehen, was bedeutet, dass der finale Kaufpreis erst in der Zukunft (nach der Unterzeichnung des Kaufvertrages) quantifiziert werden kann. Der verkäuferfreundliche „Locked-Box“-Mechanismus, bei dem man den Zeitpunkt des wirtschaftlichen Übergangs zur Kaufvertragsunterzeichnung in der Vergangenheit wählt, wird wohl eher zurückgehen. Das Risiko schwappt somit auf den Verkäufer über.

Ebenso werden wir deutlich mehr von sog. Earn-Out-Klauseln, also die Knüpfung von Teilzahlungen des Kaufpreises an das Erreichen bestimmter Zielgrößen des Unternehmens, wie Umsatz, EBIT, etc. sehen. Sogenannte MAC-Klauseln, die den Käufer in der Phase zwischen Signing (Kaufvertragsunterzeichnung) und Closing (Vollzug der Transaktion) vor signifikanten Leistungseinbrüchen des Unternehmens schützen sollen.

 

Teil VI der Beitragsserie Unternehmensnachfolge in der Krise

 

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