06.05.2025

Arbeit & Bildung

Energiekrise? Metzgerbetrieb Mittler nutzt sie zum Kurswechsel

Metzgermeister Andreas Mittler mit seinem Sohn Moritz

Als Metzgermeister Andreas Mittler mitten in der Energiekrise stand, war schnell klar: Weitermachen wie bisher – das würde nicht reichen. Die dramatisch gestiegenen Energiepreise infolge des Ukrainekriegs setzten dem Familienbetrieb im Westerwald massiv zu. Doch statt abzuwarten, entschied sich der Inhaber für einen radikalen Kurswechsel: Mit der Investition in einen hochmodernen Produktionsstandort und einem zeitgemäßen Führungsstil stellte er sein Unternehmen zukunftsfähig auf.

Metzgereibetrieb Mittler

Eine Erfolgsgeschichte aus eigenem Antrieb

Mit gerade einmal 21 Jahren gründete Andreas Mittler 1991 seinen Metzgereibetrieb – und blieb seiner Philosophie bis heute treu: Verwendung regionaler Produkte und höchste Qualitätsstandards für die Herstellung hochwertiger Fleischwaren. Damit erarbeitete er sich nicht nur einen festen Platz in der Region, sondern auch eine loyale Kundschaft. Heute beschäftigt das Unternehmen im rheinland-pfälzischen Staudt 45 Mitarbeitende. Aktuell wird schon der Übergang in die zweite Generation vorbereitet: Sohn Moritz ist bereits im Unternehmen fest verankert

Energiekrise als Wendepunkt

In über drei Jahrzehnten bewältigte der Firmenchef bereits zahlreiche Krisen – zu den größten zählten bisher die BSE- und die Corona-Krise. Doch die letzten Jahre stellten den Unternehmer vor besondere Herausforderungen: Explodierende Energie- und Rohstoffpreise, steigende Lohnkosten, Fachkräftemangel und zunehmende bürokratische Hürden hätten die Existenz des Unternehmens schnell gefährden können. Doch Mittler blieb optimistisch: „Gerade in Krisenzeiten lernt man seinen Betrieb am besten kennen. Man muss langfristige Strategien entwickeln und versuchen, neue Wege zu gehen.“ 

Sohn Moritz ist bereits fest im Betrieb verankert

Strategisch investieren – mit Weitblick

Mittler wagte einen ungewöhnlichen Schritt: 130 Kilometer vom Stammsitz in Staudt entfernt investierte er in einen neuen hochmodernen Produktionsstandort. Ziel: Die Energieeffizienz verbessern und gleichzeitig die Umweltbilanz deutlich optimieren. Eine 70-kW-Photovoltaikanlage, Wärmerückgewinnungssysteme und CO₂-sparende Klimatechnik sorgen heute für eine nachhaltige und weitgehend unabhängige Energieversorgung. „Die Investition war groß – aber sie rechnet sich. Sobald sich die Kosten amortisieren, sind wir deutlich unabhängiger von Energiepreisschwankungen“, so der Unternehmer.  

Es wird großer Wert auf ergonomisch gestaltete Arbeitsplätze gelegt

Arbeiten neu gedacht

Zudem wurden die Arbeitsbedingungen neu gedacht: Cleveres Raumkonzept mit ergonomisch gestalteten Arbeitsplätzen, moderne Hebetechniken und individuell anpassbare Arbeitsstationen sorgen dafür, dass körperlich belastende Tätigkeiten spürbar erleichtert werden.

Kulturwandel inklusive  

Auch intern setzte das Unternehmen auf Veränderung. Heute ist Englisch die gemeinsame Arbeitssprache – denn die Belegschaft ist international. „Wir haben festgestellt, dass der Einsatz von Englisch unseren Mitarbeitern nicht nur hilft, sondern auch das Teamgefühl stärkt“, erklärt der Unternehmer.  

Ein weiteres Zeichen für moderne Unternehmensführung: Die Einführung der 4-Tage-Woche, um Familie und Beruf besser vereinbaren zu können. Der Tenor: Flexibilität statt Zwang. So nutzen einige das neue Modell, andere bleiben lieber bei der klassischen 5-Tage-Woche.  

Dass viele seiner Mitarbeitenden täglich bis zu 130 Kilometer pendeln, um am neuen Standort zu arbeiten, verrät viel über das Betriebsklima. „Wir pflegen flache Hierarchien, tägliche Abstimmungen auf Augenhöhe und ein respektvolles Miteinander – das zahlt sich aus,“ so Mittler. 

Hygiene wird bei den Mitarbeitenden im Arbeitsalltag großgeschrieben
Aufgrund internationaler Belegschaft ist die Betriebssprache auf Englisch umgestellt worden

Erfolgreiche Förderung und externe Beratung

Ein solches Projekt erforderte nicht nur Mut, sondern auch strategische Planung bei der Finanzierung. Mittler setzte bewusst auf externe Beratung: „Wir haben die Unterstützung der Handwerkskammer und unseres Steuerberaters genutzt, um alle Fördermöglichkeiten auszuschöpfen. Eine sehr wertvolle Hilfe, die uns in dieser schwierigen Phase viel Druck genommen hat.“ So ließ sich ein tragfähiges Finanzierungskonzept aufstellen – bestehend aus Eigenmitteln und öffentlichen Zuschüssen. Auch wenn bürokratische Auflagen und langwierige Förderverfahren den Prozess erschwerten, sah er die Vorteile für die Zukunft und glaubte an sein Projekt.

Politisch engagiert für den Mittelstand

Mittler denkt über sein eigenes Unternehmen hinaus und engagiert sich politisch – kommunal und in Netzwerken. Themen wie Bürokratieabbau, praxisnahe Förderung und faire Rahmenbedingungen für Handwerksbetriebe liegen ihm besonders am Herzen. „Wir brauchen klare, einfache Regeln – nicht zusätzliche Hürden für Betriebe, die ohnehin an der Belastungsgrenze arbeiten.“ Die wachsenden Auflagen – etwa neue Meldepflichten für Filialbetriebe – sieht er kritisch. Seine Forderung: weniger Vorschriften, mehr Ermöglichung.  

Entschlossene Führung zahlt sich aus

Die Geschichte von Andreas Mittler steht exemplarisch für viele mittelständische Unternehmen in Deutschland. Mit Mut, Weitblick und klarem Bekenntnis zu seinen Mitarbeitern hat er gezeigt, wie unternehmerischer Wandel auch in Krisenzeiten gelingen kann. 

Zur Autorin

Ariane Walther

Persönliche Referentin des Vorstandes