01.07.2025
Erfolgreich(er) durch Krisen in Industrieunternehmen: Klarheit, Charakter und Kommunikation als Wegweiser

Ein Leitfaden für Leadership mit Haltung in der Praxis der Industrieunternehmen
Gert Löhmer: In vielen Industrieunternehmen herrscht derzeit Ausnahmezustand: explodierende Energiepreise, Fachkräftemangel, Bürokratie, bröckelnde Lieferketten, rückläufige Aufträge. Die deutsche Industrie steht erneut an einem Wendepunkt. Die Zukunft entscheidet sich jedoch nicht allein durch politische Rahmenbedingungen, sondern vor allem in der Führungsetage.
1. Die Krise als Brennglas – und Chance
Krisen entstehen meist schleichend – von Strategie- über Ertrags- bis zur Liquiditätskrise. Sie machen sichtbar, was zuvor verdeckt war: strukturelle Schwächen, Defizite in der Kommunikation – und die wahre Qualität der Führung. In der Krise zeigt sich, ob Vertrauen gelebte Realität oder nur Schlagwort ist. Führung wird zum Prüfstein.
2. Beispiel: Vertrauen durch Klartext
Ein süddeutscher Maschinenbauer steckt in einer Ertragskrise. Der neue Werksleiter startet nicht mit großen Ansagen, sondern mit ehrlichem Zuhören. In einer Betriebsversammlung sagt er offen: „Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos.“ Ohne Managerfloskeln benennt er Fehler – auch eigene – und legt klare Schritte dar. Ergebnis: Das Klima verbessert sich, Verbesserungsvorschläge steigen, Reklamationen sinken. Die Mitarbeitenden spüren: Da ist jemand, der führt – echt und nahbar.
»Menschen folgen Menschen – nicht PowerPoints.
3. Leadership beginnt mit Haltung – nicht mit Methoden
In der Krise zählen keine Tools, sondern Haltung. Gute Führung beruht auf:
- einem positiven Menschenbild,
- emotionaler Stabilität (Stoizismus),
- respektvoller Kommunikation,
- klarer Entscheidungsfreude,
- und innerer Klarheit, die ausstrahlt.
4. Beispiel: Präsenz statt PR
Ein Automatisierungstechniker meistert die Unruhe mit einem einfachen Mittel: Präsenz. Der Geschäftsführer spricht nicht über Kanäle, sondern direkt mit Mitarbeitenden – in der Kantine, am Kaffeeautomaten, auf Spaziergängen. Ein Mitarbeiter berichtet: „Er sagte einfach: ‚Ich weiß, dass vieles unklar ist. Was beschäftigt Sie?‘“ So entsteht Vertrauen – persönlich und echt.
»Vertrauen wächst im Kleinen. Sichtbarkeit schlägt Show.
5. Der Mensch in der Krise: Angst ernst nehmen
Krisen sind psychologisch. Angst blockiert Denken und fördert Rückzug. Wer Gefühle ignoriert oder bagatellisiert, verstärkt die Unsicherheit. Führung heißt auch: zuhören, fragen, einbinden:
- „Was beunruhigt Sie am meisten?“
- „Was bräuchte es für mehr Vertrauen?“
- „Was wäre Ihre Idee zur Verbesserung?“
»So entsteht Verbindung – nicht durch Durchhalteparolen, sondern durch echtes Gespräch.
6. Beispiel: Stoische Ruhe im Vertrieb
Ein internationaler Anlagenbauer verliert einen Großkunden. Der Vertriebsleiter bleibt ruhig, versammelt sein Team und sagt: „Wir haben den Kunden verloren – aber nicht unseren Kopf.“ Statt Schuldzuweisung: Lernen, reflektieren, handeln. Das Team kontaktiert Bestandskunden mit der Frage: „Wie zufrieden sind Sie?“ Die Rückmeldungen bringen neue Erkenntnisse – und eine neue Anfrage.
»Emotionale Selbstführung ist der Anfang aller Führungswirkung.
7. Kommunikation: Klar, ehrlich, oft
Der größte Fehler in der Krise: zu wenig Kommunikation. Der zweithäufigste: falsche Kommunikation. Gute Führung nutzt einen Dreiklang:
- Offenheit („Das sind unsere Zahlen“),
- Perspektive („Dahin wollen wir“),
- Einbindung („Was denkt ihr?“).
»Praxistipps:
- Etablieren Sie ein wöchentliches Kurzformat wie „10 Minuten Klartext“ – für ehrliche, regelmäßige Updates.
- Persönliche Wertschätzung wirkt – etwa durch einen Geburtstagsgruß mit kleiner Aufmerksamkeit.
- Humor nicht vergessen: Wer über sich selbst lachen kann, baut Brücken.
8. Beispiel: Der Besen als Signal
Ein neuer Produktionsleiter in einem Werkzeugbauunternehmen greift am ersten Tag zum Besen – nicht fürs Foto, sondern weil die Halle schmutzig ist. Auf die Frage, warum er das tue, antwortet er: „Ordnung ist keine Frage der Hierarchie.“ Die Wirkung: enorm. Weil er es vorlebt – nicht predigt.

9. Klare Strategie, mutige Entscheidungen
„Weiter so“ ist in der Krise keine Option. Führung heißt: entscheiden – auch ohne vollständige Sicherheit. Gute Leader denken rückwärts vom Ziel: „Wo wollen wir in drei Jahren stehen – und was tun wir heute dafür?“ Umsetzung ist entscheidend: Strategie ohne Umsetzung bleibt Deko. Konsequenz ist gefragt.
10. Die zweite Führungsebene – Schlüssel zur Umsetzung
Die beste CEO-Kommunikation hilft nichts, wenn das mittlere Management nicht mitzieht. Die „zweite Reihe“ ist das Bindeglied zur Belegschaft – sie muss vorbereitet, eingebunden und befähigt werden. Wer diese Ebene unterschätzt, scheitert in der Umsetzung.
11. Fazit: Führung in der Krise ist Menschensache
Krisen lassen sich nicht schönreden – aber mit kluger, klarer und menschlicher Führung gestalten. Der entscheidende Erfolgsfaktor ist nicht der Plan, sondern das Vertrauen der Menschen, die ihn tragen.
»Oder, wie es ein erfahrener Krisenmanager sagte:
„In der Krise sehen Menschen nicht, was du weißt – sie fühlen, wer du bist.“
Kommentar abgeben