13.05.2025
„Ich erlebe oft Führungskräfte, die im Resignationskeller feststecken“

Sascha Odenthal, Bereichsleiter BGM und Standortleiter der Firma B2Bfit GmbH in Hamburg
Wer als Unternehmer in einer Krise steckt, denkt nicht zuerst an Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM). Doch gerade dieses kann Betrieben helfen, besser durch herausfordernde Zeiten zu kommen, sagt Sascha Odenthal, Bereichsleiter BGM und Standortleiter der Firma B2Bfit in Hamburg. Was Führungskräfte tun können, um die psychische Gesundheit ihres Teams zu stärken, erklärt er im exklusiven DMB-Interview. Für KMU hat Odenthal einen besonderen Tipp.
DMB: Herr Odenthal, Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) wird oft mit Gesundheitsförderung im Arbeitsalltag assoziiert – und weniger mit Krise. Warum aber ist BGM gerade in Krisenzeiten besonders wichtig?
Sascha Odenthal: Gerade in Krisenzeiten wird Gesundheitsförderung oft nach hinten geschoben – etwa, wenn finanzielle Engpässe bestehen. Umso bedeutender ist es dann, ein klares Zeichen zu setzen: Eure Gesundheit ist uns wichtig. Das macht BGM zu weit mehr als einem „Nice to have“. Ein Unternehmer, der sich – trotz Krise – aktiv um die Gesundheit seiner Mitarbeitenden kümmert, zeigt damit, dass ihm seine Belegschaft wirklich wichtig ist. Konkret geht es geht darum, Mitarbeitende mit einem guten Werkzeugkoffer auszustatten, damit sie besser mit Krisen und Belastungen umgehen können. Gleichzeitig gilt es Belastungen zu identifizieren, die sich möglicherweise reduzieren lassen.
Welche Erfahrungen haben Unternehmen mit BGM in Krisensituationen wie der Pandemie oder wirtschaftlicher Unsicherheit gemacht?
Im Vergleich zu Unternehmen, die keine etablierten Gesundheitsstrukturen hatten,wurde gerade in der Krise deutlich, wie stark BGM zur Mitarbeiterbindung beitragen kann. Auch Ausfallzeiten konnten reduziert werden – das zeigen zum Beispiel auch die relevanten Kennzahlen und Performance-Werte. Man hat gesehen, dass sich die mentale Belastung bei Mitarbeitenden verringert hat und das psychische Wohlbefinden gestärkt wurde. Ich habe mir auch Studien dazu angeschaut, unter anderem zu der Frage, was passiert, wenn Unternehmen erst in der Krise mit dem Aufbau von BGM-Strukturen beginnen.
Ist es dann schon zu spät?
Nein, selbst Unternehmen, die erst während der Krise, etwa der Corona-Pandemie, mit BGM gestartet sind, konnten bereits spürbare Effekte feststellen. Mitarbeitende haben durch Workshops oder andere Austauschformate deutlich resilienter auf die Herausforderungen reagiert. Natürlich war der initiale Aufwand höher – das ist klar –, aber es hat sich gezeigt: BGM wirkt, auch wenn man erst in der Krise damit beginnt.

Wir leben in einer Zeit multipler Krisen. Wie wirkt sich das auf Ihre Arbeit aus?
Sicherlich erleben wir eine zunehmende Dynamik, vor allem in den letzten Jahren – COVID war da nur der Anfang. Krisen gab es immer, aber zuletzt haben sie in Häufigkeit und Intensität deutlich zugenommen. Das führt auch zu der Frage, wie Unternehmen gesund mit diesen Veränderungen umgehen. Man merkt in der täglichen Arbeit schon, dass viele Menschen in einer Phase der Resignation angekommen sind. Viele fragen sich: Wofür mache ich das eigentlich noch?
Gerade da setzen wir an, auch bei uns intern. Ich bin selbst in einer Führungsrolle und sehe, wie wichtig es ist, den Sinn des gemeinsamen Handelns immer wieder in den Fokus zu rücken – also nicht nur den wirtschaftlichen Zweck, sondern auch die emotionale Verankerung: Warum machen wir das hier gemeinsam? Ziele und Visionen geben Halt und helfen dabei, Krisen abzufedern. Ich würde schon sagen, dass ich eine gewisse Veränderungsmüdigkeit wahrnehme. Da ist es umso wichtiger, als Führungskraft transparent zu sein, gemeinsam Entscheidungen zu treffen und klar zu kommunizieren.
Welche Rolle spielt die Führungskraft im BGM – gerade in Bezug auf die psychische Gesundheit der Teammitglieder?
Die Führungskraft unterstützt Strukturen nicht nur operativ, sondern auch als Kulturträger und Multiplikator. Gleichzeitig befindet sie sich oft in der klassischen Sandwichposition – zwischen den Anforderungen von oben und den Bedürfnissen des Teams.
Deshalb ist es zunächst wichtig, sich mit dem Thema gesunde Selbstführung zu beschäftigen: Wo muss ich als Führungskraft bei mir selbst aufmerksam werden, wenn ich Krisen managen muss? Wie gehe ich selbst mit Veränderungen um? Unsere Analysen zeigen, dass viele Führungskräfte gar nicht genau wissen, wie sie ihr Team wirklich motivieren und langfristig gesund halten können.
Welchen Rat würden Sie in so einer Situation Führungskräften geben?
Der erste Schritt ist, sich selbst drei zentrale Fragen zu stellen – besonders im Sinne einer gesunden Selbstführung.
- Erstens: Was sind meine aktuellen Themen? Wo sind meine persönlichen Energieräuber, wie voll ist meine eigene Batterie?
- Zweitens: Welche Haltung und welche Werte möchte ich als Führungskraft vertreten – besonders in der Krise?
- Drittens: Wie kann ich meinen Mitarbeitenden Orientierung geben, ohne dabei selbst auszubrennen?
Diese Selbstreflexion hilft dabei, Veränderungen nicht nur als Problem, sondern als Chance zu begreifen. Ich erlebe oft Führungskräfte, die regelrecht im Resignationskeller feststecken und nicht mehr wissen, wofür sie das alles eigentlich machen. In solchen Momenten kann es hilfreich sein, sich bewusst mit diesen Fragen auseinanderzusetzen.

Viele unserer Mitglieder sind Inhaber kleiner, oft familiengeführter Unternehmen, die sich stark mit ihrer Rolle identifizieren aber im stressigen Arbeitsalltag gesundheitlich oft wenig auf sich selbst achten. Haben Sie speziell für diese Gruppe konkrete Empfehlungen, wie sie besser auf ihre psychische Gesundheit achten können?
Da verweise ich gerne auf die Generation meines Vaters– auch ein Unternehmer im mittelständischen Handwerk. In solchen Kontexten spielen klassische Rollenbilder noch eine große Rolle. Das Thema „Führung“ ist da oft nicht emotional oder gesundheitlich aufgeladen, sondern rein funktional verstanden. Daher ist es ganz wichtig, diese alten Muster Stück für Stück aufzubrechen – auch indem man das Thema Gesundheit enttabuisiert. Der erste Schritt wäre: sich selbst einmal ehrlich zu fragen: Warum sollte ich mich überhaupt um meine Gesundheit kümmern?
Was folgt dann?
Anschließend gilt es das Team einzubeziehen. Gerade in kleinen, familiengeführten Unternehmen kann es sehr hilfreich sein, diese Fragen nicht nur für sich allein zu stellen. Nicht im Sinne von „sich nackig machen“, aber durchaus mit Offenheit zu sagen: Auch ich als Inhaber oder Führungskraft stoße gerade an meine Grenzen.
Oft entsteht daraus eine wertvolle Dynamik: Vielleicht hat jemand im Team gute Strategien im Stressmanagement oder kennt Wege, wie man sich besser abgrenzt – und dann unterstützt man sich gegenseitig. Manchmal hilft auch ein externer Impuls: ein Coaching, ein moderierter Austausch oder ein Workshop.
Kleine Unternehmen haben oft weniger Ressourcen, gerade im Bereich BGM. Was können diese Betriebe trotzdem konkret tun?
Zunächst sollte man herausfinden, wo überhaupt der Bedarf liegt. Und der einfachste Weg ist oft der naheliegendste: die Mitarbeitenden direkt fragen. Das klingt banal, wird aber häufig übersehen. Es braucht dafür keine aufwändige Mitarbeiterbefragung – ich finde zum Beispiel Arbeitssituationsanalysen sehr hilfreich. Dabei setzt man sich strukturiert mit verschiedenen Berufsgruppen oder auch dem gesamten Team zusammen und schaut: Wo liegen unsere aktuellen Herausforderungen? Und wo sehen die Mitarbeitenden selbst mögliche Lösungen?
Ein weiterer Ansatz ist, externe Partner einzubeziehen – etwa die gesetzlichen Krankenkassen oder Berufsgenossenschaften. Sie haben oft einen Förderauftrag und können gezielt unterstützen.
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