05.11.2025
Mehr Transparenz beim Entgelt: Was die EU-Richtlinie für Unternehmen bedeutet

Viele kleine und mittlere Unternehmen (KMU) blicken mit Sorge auf die geplante Umsetzung der EU-Entgelttransparenzrichtlinie in deutsches Recht. Noch ist offen, wie genau die Vorgaben ausgestaltet werden – doch schon jetzt befürchten viele Betriebe zusätzliche Bürokratie und einen hohen Mehraufwand. Um Vorschläge für die nationale Umsetzung der Richtlinie zu entwickeln, hat die Bundesregierung eine Kommission eingesetzt, die dabei insbesondere die Praxistauglichkeit für kleine und mittlere Unternehmen berücksichtigen soll. Ein genauer Blick auf den aktuellen Stand, die Kernelemente der Richtlinie und mögliche Handlungsspielräume soll Aufklärung schaffen.
Ziele der EU-Entgelttransparenzrichtlinie
Gleicher Lohn für gleiche Arbeit – klingt fair, ist aber in der Praxis oft schwer umzusetzen.
Mit der EU-Entgelttransparenzrichtlinie setzt die EU neue Maßstäbe für Lohngerechtigkeit. Kernziele sind transparente Entgeltstrukturen in Unternehmen zu etablieren sowie den Anspruch auf gleiches Entgelt bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit durchsetzbar zu machen. Damit soll die nach wie vor bestehende Entgeltlücke zwischen Frauen und Männern dauerhaft geschlossen werden.
Das bisherige Entgelttransparenzgesetz und seine Grenzen
Bereits seit dem 6. Juli 2017 gilt in Deutschland das Entgelttransparenzgesetz. Es soll das Prinzip „Gleicher Lohn für gleiche oder gleichwertige Arbeit“ sichern.
Allerdings ist die Wirkung bisher begrenzt:
- Ein Auskunftsanspruch besteht nur in Unternehmen mit mehr als 200 Beschäftigten.
- Beschäftigte können den Median der Gehälter des jeweils anderen Geschlechts erfragen, sofern mindestens sechs Vergleichspersonen vorhanden sind.
- Ein Anspruch auf den Ausgleich der Vergütungsdifferenz besteht dagegen nicht – nur auf Information.
Dadurch wird das eigentliche Ziel, gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit, in der Praxis oft verfehlt.
Die neue EU-Entgelttransparenzrichtlinie
Die Richtlinie (EU) 2023/970 wurde am 10. Mai 2023 verabschiedet und trat am 6. Juni 2023 in Kraft. Die Mitgliedstaaten müssen sie bis spätestens 7. Juni 2026 in nationales Recht umsetzen.
Kernelemente der Richtlinie
- 1. Transparenzpflicht bei Stellenausschreibungen (Artikel 5)
Arbeitgeber müssen Bewerberinnen und Bewerbern Informationen über das Einstiegsgehalt oder die Gehaltsspanne bereitstellen.
Fragen nach dem bisherigen Gehalt sind nicht zulässig.
- 2. Recht auf Entgelttransparenz im Betrieb (Artikel 6)
Unternehmen müssen offenlegen, nach welchen objektiven und geschlechtsneutralen Kriterien Gehälter und Gehaltserhöhungen festgelegt werden – z. B. Qualifikation, Verantwortung oder Erfahrung.
Diese Informationen müssen leicht zugänglich und verständlich dokumentiert sein.
- 3. Offenlegung der Entgeltkriterien und Auskunftsrecht (Artikel 7)
Beschäftigte dürfen erfragen, wie hoch das durchschnittliche Gehalt von Kolleginnen und Kollegen in vergleichbarer Position ist – aufgeschlüsselt nach Geschlecht.
Zudem gilt: Gehaltsverschwiegenheit ist unzulässig – Beschäftigte dürfen offen über ihre Bezahlung sprechen.
- 4. Berichtspflichten (Artikel 9)
Unternehmen mit mindestens 100 Beschäftigten müssen regelmäßig über ihr geschlechtsspezifisches Entgeltgefälle berichten:
- ab 250 Beschäftigten: jährlich (ab 2027)
- 150–249 Beschäftigte: alle drei Jahre (ab 2027)
- 100–149 Beschäftigte: alle drei Jahre (ab 2031)
- Unter 100 Beschäftigten: Vorlage auf freiwilliger Basis
- 5. Gemeinsame Entgeltbewertung (Artikel 10)
Zeigt der Bericht eine Lohnlücke von mehr als 5 %, die nicht objektiv erklärbar ist, muss das Unternehmen gemeinsam mit der Arbeitnehmervertretung eine Entgeltbewertung durchführen und Maßnahmen zur Korrektur ergreifen.
- 6. Beweislastumkehr (Artikel 18 & 19)
Im Streitfall muss der Arbeitgeber nachweisen, dass keine Entgeltdiskriminierung vorliegt – nicht der Beschäftigte.
- 7. Sanktionen (Artikel 23 & 24)
Die Mitgliedstaaten müssen wirksame Sanktionen vorsehen, etwa Bußgelder oder den Ausschluss von öffentlichen Aufträgen.
Wie Unternehmen schon jetzt aktiv werden können
Viele Unternehmen müssen sich künftig neu aufstellen – doch es lohnt sich, frühzeitig aktiv zu werden:
- Gehaltsstrukturen prüfen und dokumentieren: Bestehende Vergütungen auf objektive Kriterien wie Qualifikation und Verantwortung prüfen und dokumentieren.
- Stellenausschreibungen anpassen: Einstiegsgehalt oder Gehaltsspanne angeben und Stellenbezeichnungen sowie Ausschreibungen geschlechtsneutral formulieren.
- Transparente Kommunikation fördern: Beschäftigte über ihre Rechte informieren und offene Gespräche über Gehälter ermöglichen.
- Stellenbewertungssysteme einführen: Gehälter systematisch erfassen, vergleichen und Ungleichheiten identifizieren.
- Prozesse für Entgeltbewertung festlegen: Zuständigkeiten und Verfahren festlegen, um auf Lohnunterschiede reagieren zu können.
- Schulungen und Sensibilisierung: Führungskräfte, Personalverantwortliche und Mitarbeitervertretungen zum Thema Entgeltgerechtigkeit schulen.
Warum auch kleinere Unternehmen von der frühzeitigen Umsetzung profitieren
Auch wenn die Berichtspflicht erst für Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitenden gilt, betreffen die übrigen Vorgaben der Richtlinie auch kleinere Betriebe. Umso wichtiger ist es, sich frühzeitig mit dem Thema auseinanderzusetzen – aus guten Gründen:
- Wettbewerbsvorteil: Faire und transparente Vergütung stärkt das Arbeitgeberimage und hilft bei der Fachkräftegewinnung.
- Früherkennung von Ungleichheiten: Wer Unterschiede früh erkennt, kann rechtzeitig gegensteuern.
- Rechtssicherheit: Auch kleine Unternehmen sind an das Prinzip „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ gebunden und vermeiden so rechtliche Risiken.
- Vorbereitung auf zukünftige Pflichten: Unternehmen, die sich an der Schwelle zu 100 Mitarbeitenden befinden, können frühzeitig Transparenzprozesse etablieren und ersparen sich später Aufwand und Zeitdruck.
Aktueller politischer Stand in Deutschland
Am 17. Juli 2025 hat Bundesgleichstellungsministerin Karin Prien die Kommission „Bürokratiearme Umsetzung der Entgelttransparenzrichtlinie“ eingesetzt.
Ziel der Kommission ist die bürokratiearme Umsetzung der EU-Entgelttransparenzrichtlinie, um die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern zu verringern und gleichen Lohn für gleiche sowie gleichwertige Arbeit sicherzustellen. Sie erarbeitet dafür Vorschläge und entwickelt zugleich Maßnahmen zur Unterstützung kleiner und mittelständischer Unternehmen.
Die Kommission setzt sich aus elf Expertinnen und Experten zusammen. Vertreten sind Sozialpartner (BDA, DGB), Unternehmensverbände sowie Personalmanagement-Expertinnen und -Experten.
Bis Ende Oktober 2025 sollten die Vorschläge dem Ministerium übergeben werden – derzeit liegen dazu noch keine offiziellen Informationen vor. Anschließend soll das Gesetzgebungsverfahren zur nationalen Umsetzung starten.
Fazit
Die EU-Entgelttransparenzrichtlinie wird die Vergütungssysteme vieler Unternehmen grundlegend verändern. Wer schon heute transparente Strukturen schafft, Gehaltsentscheidungen dokumentiert und Offenheit fördert, ist besser vorbereitet. Gleichzeitig zeigt die Richtlinie: Damit Fairness und Gleichbehandlung tatsächlich gelingen, muss die Umsetzung für Unternehmen praktisch und bürokratiearm gestaltet werden. Nur so profitieren Betriebe, Beschäftigte und der Arbeitsmarkt gleichermaßen – ohne dass unnötiger Verwaltungsaufwand die Wirkung schmälert.

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