13.10.2025

Arbeit & Bildung

Vom Mentoring bis zur Nachfolge: Wie weibliche Führung gelingt

Sabine Hansen, Expertin für Karriere- und Mentoringprogramme im Interview

Frauen sind in Führungspositionen noch immer unterrepräsentiert – trotz zahlreicher Initiativen und Programme. Wie kann es gelingen, mehr Frauen an die Spitze zu bringen, und welche Ansätze bewähren sich in der Praxis? Darüber haben wir mit Sabine Hansen, Expertin für Karriere- und Mentoringprogramme gesprochen.

DMB: Frau Hansen, warum braucht es Ihrer Meinung nach spezielle Führungsprogramme für Frauen?

Es gibt nach wie vor eine klare Notwendigkeit. Traditionelle Rekrutierungsprozesse bevorzugen häufig männliche Kandidaten, weil zu stark nach branchenspezifischer Erfahrung gesucht wird – und damit landet man oft automatisch bei Männern. Frauen hingegen bringen oft andere Kompetenzen mit, die in diesen Prozessen zu wenig berücksichtigt werden. Zudem fehlt es in vielen Unternehmen an gezielter interner Unterstützung für Frauen, die bereits Führungsverantwortung übernommen haben. Sie werden häufig allein gelassen, sobald sie die erste Team- oder Abteilungsleitung innehaben. Dabei wäre gerade dann eine strategische Begleitung wichtig, um die nächste Karrierestufe zu erreichen.

Es braucht mehr weibliche Vorbilder im Mittelstand.

Was hindert Frauen noch immer am Aufstieg in Führungspositionen?

Ein zentrales Hindernis ist der Mangel an weiblichen Vorbildern. Frauen möchten sich mit Führungspersönlichkeiten identifizieren können – doch die ersten Frauen in Spitzenpositionen mussten sich oft stark an männliche Führungsstile anpassen, was diese Identifikation erschwerte. Hinzu kommt die Herausforderung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Teilzeitführung oder flexible Modelle werden vielerorts noch immer mit Skepsis betrachtet. Auch die bestehende Unternehmenskultur spielt eine große Rolle: Wenn die Unterstützung durch die Führungsebene fehlt, fehlt auch die Motivation, gegen ständige Widerstände anzukämpfen. Besonders in kleineren Unternehmen gibt es oft noch strukturelle Barrieren und wenig Offenheit für neue Wege.

Wie unterscheiden sich große Konzerne und mittelständische Unternehmen in ihrer Frauenförderung?

Großunternehmen verfügen meist über standardisierte Programme, die sie auch strategisch für ihr Employer Branding nutzen. Im Mittelstand hingegen ist der Ansatz oft pragmatischer und individueller. Statt groß angelegter Programme werden dort gezielt Lösungen für einzelne weibliche Führungskräfte entwickelt, um sie zu halten und zu fördern – etwa durch flexible Arbeitszeitmodelle oder persönliche Entwicklungspläne. Diese Fallorientierung kann sehr wirkungsvoll sein, wenn sie ernsthaft betrieben wird.

Welchen Mehrwert bringen Frauen in Führungspositionen konkret?

Frauen bereichern Unternehmen durch neue Perspektiven und eine hohe Offenheit für Innovationen – beispielsweise beim Thema Künstliche Intelligenz erlebe ich eine große Begeisterung und Aufgeschlossenheit. Außerdem schaffen sie durch ihre Sichtbarkeit wichtige Vorbilder, die wiederum andere Frauen motivieren. Allerdings muss dieser positive Effekt strukturell verankert werden. Wenn Veränderungen nur an einzelnen Persönlichkeiten hängen und diese das Unternehmen verlassen, droht schnell ein Rückfall in alte Muster.

Frau Hansen spricht über Ihre Erfahrungen als Expertin zur Förderung weiblicher Führungskräfte.

Sie leiten mehrere Programme zur Förderung weiblicher Führungskräfte. Welche Initiativen haben sich bewährt?

Besonders wirkungsvoll sind Programme, die strategische Kompetenzentwicklung und Netzwerkbildung verbinden. Ein Beispiel ist das Cross-Mentoring-Programm der Initiative Women into Leadership, bei dem erfahrene Führungspersönlichkeiten weibliche Talente begleiten. Wichtig ist, dass das entsendende Unternehmen dabei eine klare strategische Absicht verfolgt und diese der Mentee auch mitteilt. Ergänzend dazu bietet die LeadershipNext Academy maßgeschneiderte Lernreisen, in der Frauen ihre Führungskompetenzen stärken und ein branchenübergreifendes Netzwerk aufbauen. Diese Kombination aus Lernen, Reflektieren und Vernetzen ist entscheidend.

Welche Rolle spielt Mentoring allgemein für die Karriereentwicklung von Frauen?

Mentoring ist ein strategisches Instrument, das weit über Coaching hinausgeht. Es hilft, die eigene Laufbahn bewusst zu planen, die eigene Sichtbarkeit zu erhöhen und ein starkes Netzwerk von Unterstützerinnen und Unterstützern aufzubauen. Gute Leistung allein reicht für den Aufstieg nicht – entscheidend ist, sichtbar zu werden und Einfluss zu gewinnen. Ein erfahrener Mentor kann dabei helfen, die eigene Position im Unternehmen zu analysieren, klare Ziele zu definieren und sie mit der Unternehmensstrategie zu verbinden.

Eine offene und vertrauensvolle Unternehmenskultur ist die Grundlage für Engagement.

Was raten Sie Unternehmerinnen im Mittelstand, die weibliche Führungskräfte fördern möchten?

Authentizität ist der Schlüssel. Unternehmerinnen sind selbst die wichtigsten Vorbilder. Wer glaubwürdig für die eigenen Werte steht und eine klare Vision für die Zukunft des Unternehmens vermittelt, zieht Talente an. Diese Vision darf Bewährtes mit Neuem verbinden – also Tradition und Innovation vereinen. Gleichzeitig braucht es eine offene, vertrauensvolle Kultur. Nur wenn Menschen spüren, dass sie Teil einer verlässlichen und zukunftsorientierten Gemeinschaft sind, bleiben sie engagiert.

Viele Familienunternehmen stehen vor der Herausforderung einer weiblichen Nachfolge. Welche Erfahrungen machen Sie hier?

Nachfolgerinnen stehen oft vor Akzeptanzproblemen – sowohl im Unternehmen als auch in der Familie. Entscheidend ist eine strukturierte Einarbeitung und eine kluge Wahl des Verantwortungsbereichs. Wer einen neuen, noch unbesetzten Bereich übernimmt, etwa Innovation oder Digitalisierung, kann schnell eigene Glaubwürdigkeit aufbauen. Zudem empfehle ich, sich intern einen Mentor zu suchen, um Unternehmensstrukturen und Machtverhältnisse besser zu verstehen. Wenn die Belegschaft Vertrauen fasst, verändert sich auch die Beziehung zur Vorgeneration positiv – der Vater mischt sich weniger ein, weil er sieht, dass es läuft.

»Unternehmen sind längst in der Wirklichkeit angekommen: Fach- und Führungskräftemangel sowie Nachfolgefragen machen deutlich, dass sie sich bewegen müssen, um gute Talente zu gewinnen und zu halten. Ich bin immer wieder erstaunt, wie viel Veränderung möglich ist – doch oft braucht es erst den nötigen Druck, um Strukturen wirklich zu hinterfragen.“

Sabine Hansen | She4Her Leadership Consulting

Zur Person

Sabine Hansen

Sabine Hansen ist Personal- und Karriereberaterin. Die 55-jährige hat bis 2019 bei Kienbaum gearbeitet, führt mit She4Her Leadership Consulting (www.she4her.de) inzwischen aber ihre eigene Beratungsboutique. Als Gründerin, Ideengeberin und langjährige Vorstandsvorsitzende der Initiative Women into Leadership e.V. (www.iwil.eu), die sich für die Beförderung von Frauen ins Topmanagement auf Basis eines Cross-Mentoring-Programms einsetzt, hat sie vielen Frauen den Weg in die Chefetage geebnet.  Als Investorin & Kapitalgeberin engagiert sich Sabine Hansen bei Start-ups im Bildungsbereich und setzt sich für die gestiegene Bedeutung von Female Finance bei der eigenen Kapitalbildung von Frauen ein.

Zum Autor

Maximilian Flaig

Referent für Presse und Öffentlichkeitsarbeit

Luisa Lippert

Referentin Wirtschaft & Politik

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luisa.lippert@mittelstandsbund.de