20.05.2025

Arbeit & Bildung

Warum 70 % aller Change-Projekte scheitern und wie Wandel wirklich verankert werden kann

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Klaus Mahr: „Als Begleiter zahlreicher Transformationsprozesse erlebe ich immer das gleiche Phänomen: Während des Projekts brennt das Feuer, doch danach droht die Glut zu verlöschen. Um dies zu verhindern, müssen Führungskräfte den Change-Prozess tief in der Unternehmenskultur verankern, damit sie nachhaltig greifen und zum gewünschten Erfolg führen – denn Change beginnt erst richtig, wenn die Beratung endet.“

Bereits 1995 hat Harvard‑Professor John Paul Kotter, bekannt für seine Forschungen im Bereich Veränderungsmanagement, acht typische Stolpersteine beschrieben, an denen 70 – 80 % aller Veränderungsvorhaben scheitern.

Kotters acht Thesen für das Scheitern von Veränderungsprozessen:

  1. Die Notwendigkeit der Veränderung wurde nicht oder zu wenig klargemacht
  2. Es wurde keine ausreichend mächtige Führungskoalition für den Wandel geschaffen
  3. Die Kraft einer sinnvollen Vision wurde unterschätzt
  4. Die Vision wurde zu wenig kommuniziert
  5. Hindernisse für die neue Vision sind nicht beseitigt worden
  6. Es wurden keine kurzfristigen Erfolge erzielt
  7. Der Sieg wurde zu früh ausgerufen
  8. Die Veränderungen wurden nicht stark genug in der Unternehmenskultur verankert

Seine Thesen gelten noch immer – doch steht heute neben guter Führung vor allem die Mitarbeiterbeteiligung im Fokus. Es braucht eben nicht nur eine starke Führung, sondern auch die aktive Einbindung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Veränderungsprozess. Dies verlangt viel Fingerspitzengefühl und Empathie bei den Führungskräften bei gleichbleibender innerer Klarheit und Zielorientierung.

Um dem Scheitern Ihres Veränderungsprozesses entgegenzuwirken, können folgende Lösungsansätze helfen:

  • 1. Machen Sie die Notwendigkeit der Veränderung klar

    Erzeugen Sie bei Ihren Mitarbeitenden Motivation bzw. Dringlichkeit darüber, warum eine Veränderung notwendig ist: Welche Marktveränderungen haben den Anlass für die Veränderung gegeben. Welche Krisen oder potenziellen Krisen können Anlass oder Chancen sein, jetzt eine Veränderung einzuleiten?

    Praxis-Tipp: Die Darstellung über Zahlen, Daten, Fakten, - wie die Entwicklung der Umsätze, Erträge, Marktanteile – bringt Glaubwürdigkeit und Vertrauen. Voraussetzung ist eine Unternehmenskultur der Transparenz und Offenheit.

  • 2. Schaffen Sie eine mächtige Führungskoalition

    Identifizieren Sie frühzeitig Menschen (Change-Agents) in Ihrem Unternehmen, die von der Veränderung überzeugt sind. Auch wenn hier von Führungskoalition gesprochen wird, muss diese Gruppe nicht komplett aus Führungskräften bestehen. Auch Multiplikatoren aus der Mitarbeitergruppe können die Veränderung vorantreiben. Das Leitungsteam muss über ausreichend Macht verfügen, die Veränderung aktiv zu gestalten und anzuleiten.

    Praxis-Tipp: Definieren Sie klare Rollen, Aufgaben und Verantwortlichkeiten. Bieten Sie Schulungen und Coachings an, um Führungskompetenzen auszubauen und zu stärken.

  • 3. Entwickeln Sie eine Vision sowie Strategien

    Entwickeln Sie möglichst gemeinsam mit Ihren Unterstützern eine kraftvolle und sinnvolle Vision über den zukünftigen Status Ihres Unternehmens. Leiten Sie daraus konkrete Strategien für die Umsetzung ab.
     

    Praxis-Tipp: Achten Sie dabei auf Widersprüchlichkeiten, die möglichst schnell geklärt und korrigiert werden müssen.

  • 4. Kommunizieren sie ihre Vision

    Alles Neue, erst recht, wenn es mit Anstrengung und Arbeit verbunden ist, ist auch mit Abneigung verbunden. Wichtig ist, hier die Vision mantraartig täglich mehrmals an die Mitarbeiter zu bringen und sie auf das Ziel der Veränderung einzuschwören.

    Hierbei ist es wichtig, auch Skeptiker und Zweifler mit in die Prozesse einzubeziehen und herauszufinden: Haben diese Menschen Angst vor Veränderung oder sehen sie wirkliche Hindernisse? Manche Menschen brauchen Beständigkeit. Diese sind eher von der Veränderung zu überzeugen, wenn die Vision auf bereits bestehenden Systemen aufbaut.
     

    Praxis-Tipp: Sorgen Sie durch verschiedene Kommunikationskanäle des Betriebs dafür, dass die Botschaft immer wieder an die Mitarbeiter herangetragen wird. Seien Sie sich auch über Ihre Vorbildfunktion bewusst und leben Sie neue Werte aktiv vor.

  • 5. Beseitigen sie Hindernisse

    Hindernisse können durch Rahmenbedingungen oder Vorschriften geprägt sein. Hier ist es wichtig zu prüfen, ob diese kurzfristig beseitigt werden können. Manchmal sind diese Blockaden auch in menschlicher Form vorhanden. Die Kündigung ist hier jedoch die Ultima Ratio.

    Praxis-Tipp: Versuchen sie über Gespräche herauszufinden, was diesen Menschen davon abhält, die Veränderung zu unterstützen. Sind es Ängste, Ansehens- oder Statusverlust, oder spielen andere Faktoren eine Rolle. Hier ist Ihr Einfühlungsvermögen und eine empathische Gesprächsführung gefragt.

    Achten Sie darauf, dass Ihre Aktionen auf breiter Basis stattfinden können, was zu einer Stärkung des Zusammenhalts führen kann.
     

  • 6. Erzielen sie kurzfristige Erfolge

    Schaffen Sie möglichst „Quick Wins“, also schnelle Erfolge. Kommunizieren Sie diese und bedanken Sie sich bei den Mitwirkenden. Kleine Würdigungen, Feiern oder Prämien können den Erfolg unterstützen. Wichtig ist hier, diese Anerkennung emotional wirksam auszudrücken. Eine emotional positive Betroffenheit durch Anerkennung kann oft mehr bewirken als eine Bonuszahlung.
     

    Praxis-Tipp: Beziehen Sie Ihre Mitarbeiter in die Planung und Verwirklichung dieser kurzfristigen Erfolge ein und unterstützen Sie das Lernen aus Misserfolgen.

  • 7. Konsolidieren sie Erfolge und treiben diese weiter voran

    Festigen Sie die erzielten Erfolge, z.B. durch transparente Dokumentation, weitere Ausgestaltung und dauerhafte Implementierung. Erzeugen Sie weitere Veränderungen und gehen Sie zielorientiert vor. Sollten sich Versuche als Irrtum herausstellen, besprechen Sie die Korrekturmöglichkeiten mit Ihrem Team.
     

    Praxis-Tipp: Kleine Erfolge stärken die Glaubwürdigkeit. Nutzen Sie diese Ergebnisse, um Systeme, Strukturen und Regeln zu ändern, die nicht mehr effektiv sind und die Vision der Umgestaltung nicht unterstützen. Bereiten Sie auch konstruktive Interventionsmöglichkeiten beim Rückfall in alte Muster vor. Achten Sie dabei auf kontinuierliche Schulungen und Feedbackmechanismen.

    Fördern und entwickeln Sie Menschen, die diese Veränderung unterstützen. Hier kann es auch hilfreich sein, Mitarbeiter von Extern an Bord zu holen.
     

  • 8. Verankern sie neue Ansätze in der Kultur

    Die neuen Ansätze sollten so schnell und stark wie möglich in der Unternehmenskultur verankert werden. Dazu braucht es Wiederholungsschleifen und stetige Kommunikation. Hier ist es auch relevant, das eigene Management bzw. Führungsverständnis auf den Prüfstand zu stellen. Stellen Sie deutlich den Zusammenhang von neuen Verhaltensweisen und dem Erfolg des Unternehmens dar.
     

    Praxis-Tipp: Gestalten Sie über die aktuelle Vision hinaus Pläne zur Weiterentwicklung von Mitarbeitenden und Führungskräften. Dies ist in kleinen und mittelständischen Unternehmen oft schwierig, wenn sich die Entwicklung nur auf Karrierewege begrenzt.

    Job-Enlargement (ein größeres Aufgabenspektrum) und Job Enrichment (mehr Verantwortung) können Aspekte sein, die ebenfalls wirksam werden.
     

Veränderung ist immer ein individueller Prozess, welcher auf den Werten des Unternehmens aufbauen sollte. Damit dies gelingt, muss die menschliche Komponente mit ins Kalkül gezogen werden. Ängste, Befürchtungen, Überzeugungen und Werte der Mitarbeiter müssen dabei den gleichen Stellenwert einnehmen, wie die angestrebte Veränderung. Denn nur so gelingt Transformation!

Zum Autor

Klaus Mahr

DMB-Mitglied Klaus Mahr ist seit 1993 als Berater, Trainer und Coach europaweit unterwegs. Sein Schwerpunkt liegt in der Qualifikation von Führungskräften, Optimierung der Kommunikation im Unternehmen und im Coaching. Sein Klientenstamm reicht vom Einzelunternehmen über KMU bis hin zu Konzernen. Mit dem Studium der BWL und seinen Zusatzausbildungen in psychologischen Themen und Gesundheit kann er auf ein breites Repertoire in seinen Beratungsprozessen zugreifen.