18.02.2025
DMB-Wahlindex 2025

Business analytics and statistics
Die Mittelstandsfreundlichkeit der Wahlprogramme zur Bundestagswahl 2025
Im Vorfeld der Bundestagswahl 2025 hat der Deutsche Mittelstands-Bund (DMB) die Wahlprogramme von sieben Parteien erneut (DMB- Wahlprogrammanalyse 2021) auf ihre Mittelstandsfreundlichkeit untersucht.
Die Analyse stützt sich inhaltlich auf die DMB-Zukunftsagenda 2030, die zentrale Forderungen und Handlungsfelder für eine mittelstandsfreundliche Politik aufzeigt. Ziel der vorliegenden Untersuchung ist es, Unternehmerinnen und Unternehmern aus KMU und Mittelstand eine möglichst objektive wirtschaftspolitische Bewertung der Wahlprogramme zu bieten.
Zusammenfassung / Executive Summary
Die Ergebnisse zeigen deutliche Unterschiede zwischen den Parteien:
- CDU/CSU erreichen mit 0,64 von 1,00 möglichen Punkten den höchsten Wert auf der Mittelstandsfreundlichkeitsskala.
- FDP (0,59) und SPD (0,50) punkten ebenfalls mit mittelstandsfreundlichen Ansätzen, insbesondere bei den Themen Digitalisierung, Investitionen und Bildung.
- Die Grünen (0,47) setzen deutliche Akzente im Bereich Nachhaltigkeit.
- Parteien am Rand des politischen Spektrums, wie die AfD (0,25), Linke (0,23) und das Bündnis Sarah Wagenknecht (BSW) (0,22), bieten dem Mittelstand nur wenig konkrete Unterstützung.
Methodische Hinweise
Die Ergebnisse der Analyse werden auf einer Skala (von 0 bis 1) dargestellt, die den Grad der Mittelstandsfreundlichkeit angibt. Je höher der Wert, desto stärker berücksichtigt das jeweilige Wahlprogramm die Interessen des Mittelstands.
Die Frage, was ein Wahlprogramm „mittelstandsfreundlich“ macht, ist nicht eindeutig zu beantworten und hängt von verschiedenen Faktoren ab. Um die Programme dennoch vergleichbar zu machen, hat der DMB auf Erkenntnisse aus der Parteien- und Wahlprogrammforschung zurückgegriffen.
Der DMB hat die Wahlprogramme der Parteien CDU/CSU, SPD, FDP, Grüne, AfD, BSW und Linke mithilfe quantitativer und qualitativer Methoden untersucht.
Pro-Contra-Fragen (Positionsissues)
Die Analyse erfolgte einerseits anhand von 61 vom DMB vordefinierten „Issues“ – politischen Streitfragen, bei der eine mehr oder minder klare Pro- und Contra-Positionierung der Parteien erkennbar ist, zum Beispiel die Frage, ob in der nächsten Bundesregierung ein Digitalministerium geschaffen werden sollte.
Vorab definierte der DMB, ob eine Sachfrage aus Perspektive des Mittelstands positiv oder negativ zu bewerten ist. Die Analyse berücksichtigte auch die Ergebnisse von Umfragen, in denen DMB-Mitglieder ihre Einstellungen zu spezifischen Fragen äußerten. Ein Beispiel: Eine Reform der Schuldenbremse empfinden ein Großteil der DMB-Mitglieder als positiv und wünschen sich, dass der Staat in der jetzigen Rezessionsphase stärker investiert. Parteien, die eine solche Reform in ihrem Programm befürworten, erhalten einen positiven numerischen Wert (1) zugewiesen. Positionieren sich Parteien nicht zu dieser Sachfrage, wird ein neutraler Wert (0) vergeben. Parteien, die sich gegen eine Reform der Schuldenbremse aussprechen, erhalten einen negativen Wert (-1). Auf dieser Weise ordnet der DMB jeder Partei einen kumulierten Wert auf einer Skala von „gering“ (-1) bis „hoch“ (1) zu.
Die 61 Sachfragen decken die folgenden Themengebiete ab:
- Mittelstand
- Investitionen & Schuldenbremse
- Finanzen & Steuern
- Bürokratie & Regulierung
- Energiekosten & Energiewende
- Digitale Transformation
- Arbeitsmarkt
- Sozialversicherung
- Bildung
- Handel
- Nachfolge & Gründung
Worthäufigkeiten (Valenzen)
Der DMB hat zusätzlich zu der qualitativen Analyse aus den Wahlprogrammen die relative Häufigkeit von insgesamt 60 relevanten Begriffen für den Mittelstand erfasst. Grundgedanke ist, dass ein hoher sprachlicher Anteil eines Themas auf eine besondere Relevanz für die jeweilige Partei hinweist.
Um Unterschiede im Umfang der Programme zu berücksichtigen, wurden relative Worthäufigkeiten verwendet. Das Wahlprogramm der Grünen ist mit 30.693 Wörtern das längste Dokument, während das der BSW mit 17.011 Wörtern vergleichsweise kurz ist. Das Wahlprogramm der CDU/CSU umfasst 26.321 Wörter, die SPD bringt es auf 27.407 Wörter, die FDP auf 19.466 Wörter, die AfD 25.419 Wörter und die Linke kommt auf 25.489 Wörter. Ein Beispiel: Der Begriff „KMU“ wird im Wahlprogramm der Grünen insgesamt 10-mal genannt, bei der FDP hingegen 7-mal in absoluten Zahlen. In relativer Worthäufigkeit nutzt die FDP den Begriff allerdings häufiger (7/19466) als die Grünen (10/30693).
Die Methodik, die hier in Kürze beschrieben wurde, liefert eine fundierte Grundlage zur Bewertung der Mittelstandsfreundlichkeit der Wahlprogramme, bietet jedoch nur eine eingeschränkte Beurteilung: Im Gegensatz zu Programmvergleichen wie dem Wahl-O-Mat erfolgt keine Gewichtung einzelner Themen. Unternehmerinnen und Unternehmer, für die bestimmte Themen – wie Steuern oder Energiepreise – entscheidend für eine Wahlentscheidung sind, sollten ergänzende Formate des DMB oder die Wahlprogramme der Parteien heranziehen.
Einordnung der Ergebnisse und Bewertung
- CDU/CSU
Wert auf der DMB-Mittelstandsfreundlichkeitsskala: 0,64
Die Unionsparteien punkten in ihrem Wahlprogramm insbesondere in den Bereichen „Finanzen & Steuern”, „Bürokratie & Regulierung” sowie beim Thema „digitale Transformation”. Nur im Bereich „Investitionen / Schuldenbremse” schneiden sie unterdurchschnittlich ab. Zum Vorhaben der Union, Investitionen ohne eine Reform der Schuldenbremse zu ermöglichen, gab es bereits Kritik von verschiedenen wissenschaftlichen Instituten, da die Finanzierung so nicht nachvollziehbar sei. Insgesamt fällt in der Analyse sprachlich auf, dass die CDU/CSU am häufigsten zentrale Begriffe wie „Mittelstand“, „Vereinfachung“, „Wachstum“, „KI“, oder „Zukunftstechnologien“ verwendet.
- FDP
Wert auf der DMB-Mittelstandsfreundlichkeitsskala: 0,59
Die FDP positioniert sich klar als Partei der wirtschaftlichen Freiheit. Im DMB-Wahlindex 2021 führte die FDP das DMB-Ranking (deutlich) an, schneidet jedoch diesmal deutlich schlechter ab (0,73 in 2021 vs. 0,50 in 2025). Grund dafür sind insbesondere die wenig konkreten energiepolitischen Pläne, vergleichsweise wenige Aussagen im Bereich Nachfolge & Gründen sowie recht vage Aussagen im Bereich „Investitionen”. Dafür schneidet die FDP besonders gut bei der Nennung zentraler mittelstandspolitischer Begriffe ab: Begriffe wie „Digitalisierung“, „Bürokratie…“ oder „Effizienz“ finden sich am häufigsten im FDP-Wahlprogramm.
- SPD
Wert auf der DMB-Mittelstandsfreundlichkeitsskala: 0,50
Die SPD adressiert in ihrem Programm vor allem die Themen soziale Absicherung und nachhaltige Wirtschaft. Sie sammelt Pluspunkte beim Thema „Investition & Schuldenbremse”, aber auch bei Themen wie „Handel“ oder „Bildung“. Wenig berücksichtigt wird hingegen das Thema „Finanzen & Steuern”.
Dies spiegelt sich auch im Sprachgebrauch wider: Begriffe wie „Nachhaltigkeit“, „Förderung“, „Investitionen“, „Fachkräfte“ und „Chancengleichheit“ werden vergleichsweise häufig im Wahlprogramm der Sozialdemokraten genannt.
- Grüne
Wert auf der DMB-Skala: 0,47
Das Programm der Grünen legt besondere Schwerpunkte auf Nachhaltigkeit und die ökologische Transformation. Es enthält vielversprechende Ansätze zur Förderung grüner Technologien im Mittelstand. Allerdings bleiben die Bereiche „Bürokratieabbau” und „Finanzen & Steuern” unzureichend berücksichtigt.
Sprachlich zeigt das Wahlprogramm deutlich die zentralen Anliegen der Partei: eine progressive Agenda mit Begriffen wie „modern“, „Resilienz“, „zukunftsfähig“ sowie ein Fokus auf Klimaschutz („Klima“, „Nachhaltigkeit“). - AfD
Wert auf der DMB-Skala: 0,25
Bereits im DMB-Wahlindex 2021 war eine klare Verortung des AfD-Wahlprogramms nur schwer möglich: Bei vielen bedeutsamen Sachfragen für den Mittelstand bezieht die Partei keine eindeutige Position, weshalb häufig der Wert 0 vergeben wurde. Mittelstandsfreundlich zeigt sich das AfD-Programm vor allem im Bereich „Steuern und Finanzen“ – etwa mit der Forderung nach Abschaffung des Solidaritätszuschlags, der Ablehnung einer Vermögenssteuer oder der Ablehnung einer Erhöhung der Erbschafssteuer. Konkrete Maßnahmen zur Unterstützung von KMU und den Mittelstand bleiben im Wahlprogramm jedoch aus. Zwar werden Bürokratieabbau und Deregulierung betont, jedoch fehlen detaillierte Umsetzungsvorschläge. Sprachlich fällt auf, dass die AfD den Begriff „Mittelstand“ zwar durchaus häufig verwendet, dieser aber eher als Füllwort dient und selten mit konkreten Politikinhalten verbunden wird. Im Vergleich zu den anderen Parteien werden Begriffe wie „Markt“, „Finanz“ und „Energie“ von der AfD häufig verwendet.
- Linke
Wert auf der DMB-Skala: 0,23
Die Partei die Linke erreicht mit 0,23 einen niedrigen Wert auf der DMB-Skala. Mittelstandsfreundliche Positionen vertritt sie nur vereinzelt – und dann fast ausschließlich in der Europapolitik. Im Gegensatz dazu finden sich im Bereich „Steuern & Finanzen” Forderungen, die den Mittelstand stark belasten würden. In vielen anderen Themenbereichen bleibt die Linke oftmals vage und ohne klare Haltung, so beispielsweise im Themenbereich „Bürokratie und Regulierung“. Auffällig ist, dass die Linke als einzige Partei in ihrem Wahlprogramm kein explizites Bekenntnis zum deutschen Mittelstand formuliert. Auch wirtschaftspolitische Begriffe tauchen kaum im Wahlprogramm der Linken auf. „Weiterbildung“ und „Investitionen“ nennen die Linken in Wahlprogramm hingegen vergleichsweise häufig, der Begriff „Lieferkette“ taucht bei der Partei sogar am häufigsten auf.
- BSW
Wert auf der DMB-Skala: 0,22
Das Wahlprogramm der BSW liefert wenige bis gar keine Maßnahmen für den Mittelstand und fokussiert sich eher auf gesellschaftspolitische Themen. Das BSW betont zwar die Bedeutung des Mittelstands, was sich unter anderem in der häufigen Verwendung von Begriffen wie „kleine und mittlere Unternehmen“ (KMU), „Mittelstand“ und „Selbständige“ widerspiegelt – diese zählen im Vergleich zu den anderen Parteien zu den am häufigsten genannten. Dennoch werden diese Begriffe nicht in konkrete politische Vorschläge übersetzt.
Zusammenfassung und Fazit
Die Analyse der Wahlprogramme zeigt ein differenziertes Bild der Mittelstandspolitik der verschiedenen Parteien. CDU/CSU, FDP und SPD präsentieren vergleichsweise detaillierte Vorschläge, die zumindest in Teilen auf die spezifischen Bedürfnisse kleiner und mittlerer Unternehmen zugeschnitten sind. Besonders in den Bereichen Digitalisierung, Bürokratieabbau und Innovationsförderung setzen diese Parteien gezielte Akzente.
Die Grünen setzen ihren Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit und die ökologische Transformation, lassen jedoch wirtschaftspolitische Themen wie steuerliche Entlastungen und Bürokratieabbau weitgehend außen vor. Während der Mittelstand als wichtiger Bestandteil des wirtschaftlichen Systems anerkannt wird, bleiben spezifische Lösungen für dessen Herausforderungen aus.
Auch die Programme der AfD, der Linken und des BSW bleiben in Bezug auf mittelstandsspezifische Maßnahmen vage und bieten keine wirtschaftspolitische Strategie, die den Bedürfnissen von KMU gerecht werden.
Für mittelständische Unternehmen ist es entscheidend, die Wahlprogramme im Detail zu prüfen und ihre individuellen Prioritäten zu berücksichtigen. Je nach Branche und Größe spielen Themen wie Energiekosten oder Digitalisierung eine unterschiedliche Rolle und fließen so in die persönliche Wahlentscheidung ein. Der DMB unterstützt seine Mitglieder mit Orientierungshilfen, um die Programminhalte besser bewerten zu können und die für sie relevanten Themen zu identifizieren.
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