06.05.2025
Mittelstand erwartet wettbewerbsfähigere Digitalpolitik: Start der neuen Koalition
Der Bundestag wählt im zweiten Anlauf Friedrich Merz zum Bundeskanzler. Im Anschluss bildet sich die schwarz-rote Bundesregierung. Mit ihrer Vereidigung beginnt eine neue Phase der Digitalpolitik in Deutschland. Die digitale Transformation soll mit einem eigenständigen Bundesdigitalministerium vorangetrieben werden. Dies entspricht dem Verständnis und der Forderung des DMB: „Digitalpolitik ist Wirtschaftspolitik“. Doch lassen mutige und innovative Ansätze für konkrete Maßnahmen bislang auf sich warten. Was können Unternehmerinnen und Unternehmer vom digitalen Kurs der Koalition konkret erwarten?
Chancen für die Digitalisierung:
- Klare Verantwortung: Das neue Ministerium für Digitalisierung und Staatsmodernisierung soll als zentraler Treiber der Digitalisierung fungieren.
- Entlastung beim Datenschutz: Gemeinsame Standards der Bundesländer und eine Anpassung des Datenschutzrechts sollen KMU entlasten.
Potenzial für digitale Transformation von KMU noch offen:
IT-Sicherheit: Geplant ist eine Ausweitung präventiver Angebote zur Verbesserung der IT-Sicherheit von KMU – jedoch ohne weiterer Präzisierung der Maßnahme.
KI im Mittelstand: Innovative Ansätze, insbesondere im Bereich Künstliche Intelligenz, fehlen bislang.
Infrastruktur: Ein Beschleunigungsgesetz soll den Ausbau von Mobilfunk- und Glasfaserinfrastruktur voranbringen – jedoch ohne konkrete Fristsetzung.
Verwaltungsdigitalisierung: Ziel ist die Einführung einer einmaligen Dateneingabe in der Verwaltung („Once-Only-Prinzip“).
Digitales Bezahlen: Eine digitale Bezahloption soll zur Pflicht werden.
- Digitale Souveränität: Weltpolitische Entwicklungen verstärken die Bedeutung von „Made in Europe“ für Datensouveränität.
Neues Ministerium für Digitalisierung und Staatsmodernisierung

- Die neue Bundesregierung will die Verantwortung für alle Digitalprojekte in diesem neuen, eigenständigen Ministerium bündeln.
- Dieses soll damit der zentrale Akteur für die digitale Transformation in Deutschland werden.
- Die Leitung übernimmt Carsten Wildberger, bisher Chef einer deutschen Elektronikeinzelhandelskette.
- Erwartungen des Mittelstandes: Aus dieser strukturellen Veränderung muss sich nun ein echter „Digitalisierungstreiber“ entwickeln.
- Mit den Bundesländern sollen gemeinsame Standards erarbeitet und Anforderungen angeglichen werden.
- Geplant sind Entlastung von bürokratischen Aufwänden im Rahmen des bestehenden Datenschutzrahmens (DSGVO). Eine veränderte europäische Regelung soll KMU weniger belasten.
- Die Nutzung von Daten und damit auch der Schutz von Daten wird immer wichtiger. Deshalb wird die Datenschutzbeauftragte zukünftig zur „Bundesbeauftragten für Datennutzung, Datenschutz und Informationsfreiheit“.
- Erwartungen des Mittelstandes: Die Zielrichtung ist richtig: Die neue Bundesregierung will das Datenschutzrecht tatsächlich vereinfachen. Hier sind sie aber abhängig von anderen politischen Akteuren wie die Landesregierungen.
One-Stop-Shop und Once-Only für eine digitale Verwaltung

- Alle Behördengänge sollen künftig in einem zentralen „One-Stop-Shop”, d.h. auf einer digitalen Plattform, gebündelt werden. Die Gründung von Unternehmen soll damit innerhalb eines Tages möglich sein.
- Mit einem Verbot zurDatendoppelerhebung (Once-Only) sollen zwar unnötige Mehraufwände für Unternehmen entfallen. Unklar bleibt bislang, wie dies technisch umgesetzt wird.
- Außerdem nennt die Koalition keine Frist für die vollständige Umsetzung noch Etappenziele.
- Erwartungen des Mittelstandes: Die Digitalisierung der Verwaltung steht noch vor erheblichen Herausforderungen. Zunächst sollten vor allem häufig genutzte Verwaltungsleistungen von Unternehmern digital angeboten werden.
Flächendeckender Ausbau der Mobil- und Glasfaserinfrastruktur
- Ein Beschleunigungsgesetz für den Ausbau von Mobilfunk- und Glasfaser soll bürokratische Hemmnisse abbauen und durch Fiktionsregeln vereinfacht werden.
- Die Koalition hat jedoch keine Frist für den flächendeckenden Ausbau festgelegt. Damit steht die ehemalige Zielsetzung einer Vollversorgung bis 2030 infrage.
- Erwartungen des Mittelstandes: Mit dem Sondervermögen soll die digitale Infrastruktur finanziell besser aufgestellt sein. Die neue Bundesregierung muss nun sicherstellen, dass der Ausbau nicht noch länger durch Bürokratie gehemmt wird.
Pflicht zum Angebot einer digitalen Bezahlmethode und Abschaffung der Bonpflicht
- Die Pflicht für das Angebot einer digitalen Bezahlmethode ist in Teilschritten geplant: Dann müssen Unternehmen mindestens eine digitale Zahlungsoption anbieten.
- Die Bonpflicht wird abgeschafft. Ab 2027 soll für Geschäfte ab einem sechsstelligen Jahresumsatz eine Registrierkassenpflicht gelten.
- Erwartungen des Mittelstandes: Damit eine Digitalisierungspflicht nicht zum Nachtteil für Kleinstunternehmen wird, sollten sie zunächst von der Regelung ausgenommen werden.
Innovative Ansätze für mehr KI im Mittelstand fehlen

- Die Koalition plant den Aufbau einer „AI-Gigafactory“, leistungsfähige Rechnerinfrastrukturen sowie KI-Spitzenzentren im Verbund aufzubauen. Ebenfalls sollen KI-Reallabore für KMU entstehen.
- Bei der technischen Ausgestaltung der europäischen KI-Verordnung („AI-Act“) sollen wirtschaftliche Belastungen reduziert werden.
- Kreative bzw. Urheber sollen im Urheberrecht bei Nutzung ihrer Werke von generativer KI gestärkt und angemessen vergütet werden.
- Eine Expertenkommission „Wettbewerb und Künstliche Intelligenz“ im Bundeswirtschaftsministerium soll weitere Maßnahmen vorschlagen.
- Erwartungen des Mittelstandes: KI hält zunehmend Einzug im Mittelstand, bleibt aber im internationalen Vergleich zurück. Die Bundesregierung sollte mutige und praxisnahe Maßnahmen umsetzen, um das Innovationspotenzial stärker auszuschöpfen.
- Der Regierungsfokus liegt auf „Sicherheit“ - die speziellen Anforderungen der digitalen Sicherheit von KMU zählen jedoch nicht dazu.
- Sie erkennt an, dass der Mittelstand für einen besseren Cyberschutz mehr Aufklärung und Unterstützung benötigt. Geplant sind hier Maßnahmen wie präventive Beratungsangebote und verbessertes Notfallmanagement für KMU.
- Darüber hinaus will die neue Regierung bei der Umsetzung des „Cyber Resilience Acts“ im Bereich Produktsicherheit unterstützen.
- Erwartungen des Mittelstandes: Insbesondere kleine Unternehmen benötigen schnellstmöglich Unterstützungsangebote, um ihre IT-Sicherheit nachhaltig zu verbessern.

Wettbewerbsfaktor „Digitale Souveränität“
Viele deutsche KMU nutzen digitale Produkte von nicht-europäischen Staaten – auch mangels äquivalenten Alternativen. Damit sind ihre Daten, ihre Sicherheit aber auch die Preisgestaltung abhängig von anderen internationalen Marktakteuren. Erfahren sie hierbei Einschränkungen, schwächt das ihre Wettbewerbsfähigkeit. Mehr digitale Souveränität bedeutet in diesem Kontext wettbewerbsfähiger zu sein.
Welche Auswirkungen eine solche Abhängigkeit hat, zeigt sich zuletzt durch die rasanten Veränderungen des internationalen Marktes. Die aktuellen Nachrichten zu neuen Zollplänen der US-Regierung zeigen, wie sich scheinbar stabile Rahmenbedingungen verändern können und letztlich indirekt auf deutsche KMU auswirken. Insbesondere die hohen Zölle auf Importe aus asiatischen Staaten, die einen Großteil der Elektronikkomponenten des Weltmarktes herstellen, beeinflussen die Preisentwicklung und erhöhen den Wettbewerbsdruck für den Digitalunternehmen in Europa.
Vor diesem Hintergrund gewinnen die Maßnahmen der neuen Bundesregierung zur Stärkung der digitalen Souveränität an Bedeutung:
- „Made in Europe“ soll als globale Marke für digitale Sicherheit und Datensouveränität etabliert werden.
- Offene Schnittstellen und Standards sollen definiert und der Einsatz von Open Source im europäischen Digital-Ökosystem gezielt gefördert werden.
- Die neue Bundesregierung will die Entwicklung des digitalen Euros unterstützen.
- Eine Reform der EU-Zollunion im E-Commerce ist geplant: Standards sollen von allen Marktteilnehmern (inklusive Drittstaaten) einzuhalten sein. Bei Verstoß droht eine Sperrung der Onlinehandelsplattformen.
Wie entschlossen fördert die neue Bundesregierung die digitale Transformation im Mittelstand?
Die schwarz-rote Koalition hat in ihrem Koalitionsvertrag 2025 mehrere Initiativen angekündigt, um die digitale Transformation des Mittelstands zu fördern. Dabei steht insbesondere die Schaffung eines Digitalministeriums und der Ausbau der digitalen Infrastruktur im Fokus. Hier die zentralen Maßnahmen im Überblick:
- Herausforderungen erkannt: Die Koalition hat die spezifischen Herausforderungen des Mittelstandes erkannt und plant explizite Vereinfachungen für KMU, z. B. beim Datenschutz, um Unternehmen zu entlasten.
- Ziele sinnvoll gesetzt: Eine digitale Verwaltung, flächendeckender Ausbau der Mobil- / Glasfaserinfrastruktur und Novellierung des Datenschutzrechts sind weiterhin wichtige Ziele. Diese werden jedoch seit Jahren von der Bundespolitik betont. Die Nennung weiterer konkreter Etappenziele wäre daher sinnvoll und wünschenswert.
- Unklare Umsetzung: Obwohl die Ziele ambitioniert sind, fehlt es an detaillierten Plänen zur Umsetzung. Unternehmen erwarten nachvollziehbare Strategien und klare Verantwortlichkeiten. Zudem sind viele Maßnahmen von der Zusammenarbeit mit anderen politischen Akteuren abhängig.
- Mutige Innovationen fehlen: Innovative Ideen zur Förderung von Wachstum und Digitalisierung fehlen gänzlich. Darüber hinaus stehen selbst die genannten Maßnahmen des Koalitionsvertrages ausdrücklich unter Finanzierungsvorbehalt, was befürchten lässt, dass insbesondere Digitalisierungsprojekte als Erste von möglichen Einsparungen betroffen sein könnten.
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