11.03.2025

Energiewende

„Ein freiwilliger Nachhaltigkeitsreport wird extrem positiv wahrgenommen“

Lara Obst, Mitgründerin der Climate Intelligence Platform ClimateChoice, spricht im Interview über die Auswirkungen der neuen EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) auf den Mittelstand. Sie erklärt, wie die neue Regelung den Fokus auf nachhaltige Lieferketten lenkt und warum viele KMU jetzt unter Druck geraten. Dabei bietet sie praxisnahe Tipps, wie sich Unternehmen auf die Anforderungen vorbereiten können – vom Reporting über die Berechnung von Emissionen bis hin zur Nutzung von Plattformen.

Lara Obst, DMB-Mitglied und Mitgründerin der Climate Intelligence Platform ClimateChoice

DMB: Lara, was hat sich durch die EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) konkret verändert?

Lara Obst: Die CSRD hat zur Folge, dass sich die meisten Unternehmen jetzt erstmals auch sehr intensiv mit ihrer Lieferkette beschäftigen. Davor wurden Nachhaltigkeit und Klimaschutz vor allem als Maßnahme im eigenen Haus verstanden. Aber die Zeiten, in denen man jedes Jahr einfach nur ausrechnet, wie viel CO2 man emittiert, diese beibehält oder lediglich versucht sie durch Zahlungen auszugleichen, sind vorbei. Die CSRD fordert uns explizit auf, das ganze Geschäftsmodell auf das 1,5-Grad-Ziel abzustimmen. Somit rückt die Lieferketten in den Fokus. Denn es bringt wenig, wenn mein Hauptgebäude Strom aus erneuerbaren Energien bezieht, ich aber hunderte Lieferanten habe, die 90 Prozent meiner gesamten Emissionen ausmachen, und fossile Brennstoffe für ihre Produktion nutzen. Die CSRD verpflichtet Unternehmen aufzuzeigen, ob sie wirklich nachhaltig handeln – und zwar über die Grenzen des eigenen Betriebs hinaus.

KMU fallen bislang nicht unter die Berichterstattungspflicht der CSRD. Betrifft die Richtlinie den Mittelstand also nicht?

Das Gegenteil ist der Fall: KMU agieren häufig als Lieferanten für Großunternehmen, die berichtspflichtig sind. Mittelständler stehen damit vor der Herausforderung, dass sie als Teil einer globalen Lieferkette sehr transparent Informationen an ihre Kunden weitergeben müssen. In praktisch jeder Ausschreibung wird inzwischen nach CO2-Daten gefragt, genauso wie nach Energieausweisen oder sonstigen Zertifikaten. Auch für Klimazielsetzungen oder Dekarbonisierungsmaßnahmen interessieren sich die Kunden der KMU, denn nur so können sie die eigene Lieferkette auf Klimaschutz einstellen. Dabei stehen große Unternehmen allerdings durch die CSRD immer mehr unter einem steigenden Reporting-Druck und erhöhen dementsprechend die Anforderungen an ihre Lieferanten, von denen viele KMU sind. Wir erleben, dass viele Mittelständler damit ziemlich überfordert sind.

Wie entsteht diese Überforderung?

Die größte Hürde für die Lieferanten ist, dass sie inzwischen ein starkes Expertenwissen in Sachen Nachhaltigkeit haben müssen. In der Realität fehlt es daran aber meistens. Die einkaufenden Unternehmen, teilweise große Konzerne, hingegen haben dafür häufig ganze Abteilungen. KMU können das personell meist gar nicht bewerkstelligen. Dementsprechend haben Mittelständlern aktuell wenig Zustimmung übrig, wenn sie von ihren Auftraggebern unter Druck gesetzt werden, innerhalb von kurzer Zeit entsprechende Daten bereitzustellen. Sie sind dann überfordert und fürchten gleichzeitig, die Zusammenarbeit zu gefährden.

Was können KMU tun, um weniger unter Druck zu geraten?

Was markttechnisch am meisten Sinn macht, ist tatsächlich, sich in die Reportingpflichten der CSRD einzuarbeiten. So erhalten KMU ein Verständnis dafür, was von ihren Kunden gefordert wird. Zu wissen, was für einen selbst die wichtigsten fünf Punkte sind, ist schon mal ein großer erster Schritt. Außerdem empfehle ich, einen eigenen Nachhaltigkeitsreport zu erstellen und diesen auf der Website zu veröffentlichen, oder zumindest eine Übersicht zu dem Thema. Gerade weil KMU dazu nicht verpflichtet sind, wird diese Freiwilligkeit von Kunden extrem positiv wahrgenommen. Das Gute ist, dass ein solches Reporting nicht die Detailtiefe besitzen muss, wie bei einem großen Unternehmen, das unter die Berichtspflicht fällt.

Was sollte das Reporting eines KMU auf jeden Fall beinhalten?

Ein Statement zur allgemeinen Nachhaltigkeitsstrategie ist der erste Schritt. Aus diesem sollte zum Beispiel hervorgehen, auf welche der 17 UN-Nachhaltigkeitsziele sich das KMU bezieht. Zudem können KMU einen strategischen Fahrplan erstellen, der aufzeigt, welche Maßnahmen schrittweise ergriffen werden, um nachhaltiger zu werden. Sinnvoll ist es auch, die Emissionen mindestens vom eigenen Unternehmen zu berechnen – und am besten noch vom eigenen Hauptprodukt. Im Idealfall gehört das Erfassen von Nachhaltigkeits- und Klimazahlen genauso zum unternehmerischen Handeln wie der jährliche Betriebsbericht.

Wie hilft ClimateChoice den KMU, ihre Klima-Daten transparent zu machen? 

Wir bieten Lieferanten die Möglichkeit, ihre Daten in einem Profil auf unserer Plattform anzulegen. So können sie sehr einfach relevante Informationen mit ihren Kunden teilen und darüber hinaus Verbesserungsvorschläge erhalten. Dazu führen wir mithilfe von KI ein individuelles Screening durch, das die manuelle Dateneingabe reduziert und vereinfacht. Wir schauen also, welche Informationen bereits auf der Website der KMU, in Datenbanken oder anderen Veröffentlichungen online verfügbar sind und integrieren diese in das Profil. Lieferanten haben über ein Dashboard dann die Option, diese automatisiert gesammelten Daten anzupassen, zu erweitern und sich mit Wettbewerbern zu benchmarken.

Was ist, wenn KMU noch gar keine Daten erhoben haben?

Wenn wir den Eindruck haben, dass noch bestimmte Daten fehlen, unterstützen wir die Lieferanten mit Informationen. Wir zeigen, welche Lösungsanbieter zum Energiewechsel sinnvoll sind oder welche kostenlosen Tools es zur CO2-Berechnung gibt. Auch zeigen wir, welche Unternehmensberatungen ihnen in der gesamten Nachhaltigkeitsstrategie weiterhelfen könnten. Neben der Möglichkeit, Daten auf unserer Plattform hochzuladen, bieten wir KMU außerdem Informationsangebote und Trainings an. Wir haben zum Beispiel alle zwei Wochen ChoiceEvent-Webinare oder unseren jährlichen Climate Transformation Summit, wo wir zusammen mit Experten hilfreiche Tipps zur Dekarbonisierung von Lieferketten teilen.