11.02.2025

Energiewende

"Unsere Kunden wissen, dass Kunststoff ein sehr nachhaltiges Produkt ist"

Einmal produziert, kann man Kunststoff unendlich oft recyclen.

Hans Keim Kunststoffe mit Sitz im baden-württembergischen Zimmern ob Rottweil fertigt Bauteile für die Maschinenbau- und Autobranche. Im Interview entkräftet der geschäftsführende Gesellschafter Christoph Keim die Vorurteile gegenüber Kunststoff und erklärt, warum gerade dieser bei vielen in Verruf geratene Werkstoff eine Chance für die nachhaltige Transformation der Wirtschaft ist.

DMB: Herr Keim, Kunststoffe haben in Bezug auf die ökologische Nachhaltigkeit ein schlechtes Image. Was sagen Ihre Kunden dazu?

Man muss da unterscheiden zwischen den professionellen Käufern von Kunststoff, wie zum Beispiel einem Maschinenbauer, und den Endkonsumenten. Unsere Kunden wissen, dass Kunststoff ein sehr nachhaltiges Produkt ist. Nachhaltig insofern, als man den Werkstoff unendlich oft recyceln kann, wenn er einmal produziert wurde. Der normale Verbraucher hingegen denkt bei Kunststoff an Joghurtbecher oder Flaschendeckel. Wenn man die nicht richtig entsorgt, ladet der Müll vielleicht im Meer. Da sagt die EU zu Recht, diese Sauerei muss aufhören.

Das ganze Interview nur mit DMB+


Steht Kunststoff also zu Unrecht in Verruf?

Ja, wenn wir vom Werkstoff an sich sprechen. Das Problem ist vielmehr die unsachgemäße Entsorgung. Es kann nicht die Lösung sein, dass wir unseren Plastik-Müll in gelbe Säcke packen und dann nach Indien und China verschiffen, wo er in den Flüssen und im Meer landet. Das ist schlecht, da sind wir uns alle einig. Aber wenn man Kunststoff richtig behandelt, ist er ein sehr extrem vielseitiger Werkstoff, der aufgrund seiner Wiederverwertbarkeit Ressourcen schont. Voraussetzung dafür ist die Sortenreinheit.

Was bedeutet „Sortenreinheit“?

Sortenrein ist zum Beispiel eine PET-Flasche, die lässt sich wunderbar schreddern, wieder einschmelzen und in den Kreislauf zurückbringen. Wohingegen Papiertüten, die mit Kunststoff versiegelt sind, weder Kunststoff noch Papier sind und dementsprechend nicht wiederverwertet werden können. Unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit sind Papiertüten, wie man sie immer mehr im Einzelhandel findet, richtiger Schrott. Der Einzelhandel folgt hier der Konsumentenlaune, möglichst wenig Kunststoff zu verwenden, mit der Konsequenz, dass ein neues Entsorgungs-Problem entsteht.

Kann man jeden Kunststoff recyceln?

Die Einschränkungen in der Recyclingfähigkeit von Kunststoff liegen im einstelligen Prozentbereich. Man hat nur einen geringen Verlust in der Qualität pro Recycling-Vorgang. Je sauberer und je sortenreiner die Granulate sind, desto besser ist es. Viele Kunststoffe erreichen bis zu 99,9 Prozent ihrer ursprünglichen Qualität.

Trotzdem begegnen viele Endkonsumenten dem Thema Kunststoff mit einer gewissen Skepsis. Was können Unternehmen tun, um Vorurteile zu entkräften?

Unternehmen sollten das Thema Recycling noch mehr beleuchten. Wir nehmen zum Beispiel auch Kunststoffe von anderen Betrieben an und bringen sie in den Recycling-Kreislauf zurück. Hier arbeiten wir eng mit Partnern zusammen, die sich auf Recycling spezialisiert haben, und können so rund 100 Tonnen Kunststoff im Jahr wiederverwerten. Solche Anwendungsfälle verdienen mehr Aufmerksamkeit. Die Rechnung ist ganz einfach: Je mehr Kunststoff die Unternehmen in den Kreislauf mit einbringen, desto weniger muss aus Rohöl hergestellt werden.  

Nutzen Sie auch für Ihre eigene Produktion von Bauteilen recycelten Kunststoff?

Ja klar, wir bieten auch Recyclingkunststoff an. Da ist der Verarbeitungsaufwand natürlich etwas höher, aber die gemahlenen Recyclinggranulate werden von unseren Kunden vermehrt nachgefragt. Das Umweltbewusstsein ist auch bei den Einkäufern zu spüren und wir bedienen die Nachfrage gerne. Wir haben sogar einige Kunden, die nur dann Produkte kaufen, wenn die Granulat-Lieferanten bestimmte Nachhaltigkeitsstandards erfüllen.

Sie beziehen Ihre Kunststoffplatten ausschließlich von europäischen Herstellern. Welche Vorteile hat das im Hinblick auf eine möglichst ressourcenschonende Lieferkette?

Zunächst einmal haben wir dadurch keine weiten Wege, was natürlich auf die Nachhaltigkeit einzahlt. Auch sind alle unsere Hersteller zertifiziert, halten also die entsprechenden Standards nachgewiesenermaßen ein. Wir achten zum Beispiel darauf, dass die Verpackungseinheiten möglichst wenig Umfang haben. Oder darauf, dass die Energie aus Windparks oder aus Solaranlagen kommt und man versucht, den Recyclingprozess möglichst nah beim Kunden zu haben, um optimale Synergien zu schaffen. Würden wir unsere Kunststoffplatten hingegen aus dem nichteuropäischen Ausland beziehen, könnten wir die ganze Nachhaltigkeitsüberwachung, die unsere Kunden von uns verlangen, nicht gewährleisten. Kommt die Ware beispielsweise aus China, weiß ich häufig nicht, wie der Kunststoff gegossen wird, wie die Wege von China hierher sind, oder welche Normen eingehalten werden und welche Zertifikate vorhanden sind. Deshalb lehnen wir das derzeit ab. Gleichzeitig appellieren wir an die Politik, Rahmenbedingungen zu schaffen, die es uns ermöglichen, auch weiterhin Kunststoff in Europa einzukaufen. Wenn nämlich die Wertschöpfung aus Europa rausgeht und mit ihr auch das Knowhow, werden auch die Transportwege länger, was schlecht für die Umwelt ist.