22.01.2025
Deutlicher Anstieg bei Großinsolvenzen in 2024

Erfreulicherweise zeigt sich im dritten Quartal 2024 eine Verbesserung der Überlebenschancen für insolvente Unternehmen.
Die Zahl der Insolvenzen großer Unternehmen in Deutschland (mit einem Jahresumsatz von mehr als 10 Millionen Euro) hat im Jahr 2024 einen neuen Höchststand erreicht. Nach Angaben der Unternehmensberatung Falkensteg stieg die Zahl der Fälle im Vergleich zum Vorjahr um 31 Prozent, von 279 auf 364. Besonders stark betroffen sind die Automobilzulieferer, der Maschinenbau, die Immobilienbranche sowie die Metallwarenindustrie.
Wirtschaftliche Unsicherheiten belasten Unternehmen
Sebastian Wilde, Partner bei Falkensteg, sieht die Entwicklung als Folge struktureller Probleme: „Der Anstieg kommt nicht überraschend, steckt doch die deutsche Wirtschaft vor enormen Herausforderungen: überbordende Bürokratie, zu hohe Steuern und Lohnnebenkosten, ein unflexibler Arbeitsmarkt und eine schleppende Digitalisierung. Wir fallen im internationalen Vergleich zurück und die Insolvenzzahlen sind ein deutliches Warnsignal. Jetzt sind Reformen gefragt, die die Wirtschaft entlasten, flexibler machen und die Innovationskraft stärken.“
Besonders alarmierend ist der Anstieg von Insolvenzen bei sehr großen Unternehmen mit einem Jahresumsatz von über einer halben Milliarde Euro. Während im Jahr 2022 nur drei solcher Firmen Insolvenz anmeldeten, waren es 2023 bereits acht. Insgesamt erwirtschafteten die insolventen Unternehmen des vergangenen Jahres einen Umsatz von 27,4 Milliarden Euro – ein Plus von 44 Prozent gegenüber den 19,1 Milliarden Euro des Vorjahres.
Vertrauensverlust lähmt Investitionen
Die wirtschaftliche Unsicherheit zeigt sich nicht nur in den Zahlen, sondern auch in der Stimmungslage. „Die Stimmung ist im Keller und die Politik sendet widersprüchliche Signale“, betont Wilde. Widersprüchliche politische Signale wie Kürzungen bei Förderprogrammen für Elektroautos und Solarenergie oder Einsparungen beim Glasfaserausbau tragen zusätzlich zur Verunsicherung bei. Diese Unsicherheit führt dazu, dass Unternehmen Investitionen zurückhalten und Konsumenten ihr Geld lieber sparen als ausgeben.
Automobilindustrie unter Druck
Die Automobilbranche bleibt eine der am stärksten betroffenen Industrien. Fast jede sechste Insolvenz entfällt mittlerweile auf einen Automobilzulieferer. Die Zahl der Insolvenzen in diesem Bereich stieg um 65 Prozent auf insgesamt 56 Fälle. Auch andere Branchen wie Maschinenbau (32 Fälle), Elektrotechnik (28 Fälle) und Metallwarenherstellung (44 Fälle) verzeichneten deutliche Zuwächse.
Die Krise in der Automobilindustrie zieht zudem weitere Branchen mit nach unten. So stiegen beispielsweise die Insolvenzen bei Herstellern von Metallerzeugnissen um mehr als 50 Prozent auf 44 Fälle. In der Elektrotechnik gab es sogar einen Anstieg von 155 Prozent, was unter anderem auf Probleme in der Solarbranche zurückzuführen ist.
Immobilienwirtschaft weiter unter Druck
Auch in der Immobilienbranche bleibt die Lage angespannt. Die Zahl der Insolvenzen bei Projektentwicklern und Bauträgern verharrt seit 2022 auf einem hohen Niveau. Gleichzeitig geraten immer mehr Gewerke entlang der Wertschöpfungskette unter Druck: Die Insolvenzen im Rohbau stiegen um 50 Prozent (von 19 auf 29 Fälle), während sie bei nachgelagerten Gewerken wie Innenausbau und Facility Management sogar um 185 Prozent zunahmen (von 14 auf 40 Fälle).
Ausblick: Weitere Zunahme erwartet
Für das Jahr 2024 rechnet Falkensteg mit einem weiteren Anstieg der Großinsolvenzen um bis zu 25 Prozent. Wilde erklärt: „Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ändern sich nicht über Nacht. Hinzu kommen das politische Vakuum bis zur neuen Regierungsbildung, eine erneut protektionistische US-Präsidentschaft und weitere Handelskonflikte für die Exportnation Deutschland.“
Besonders gefährdet bleiben Branchen wie Automobilzulieferer, Immobilienwirtschaft und Maschinenbau. Wilde warnt zudem vor den Herausforderungen für deutsche Zulieferer im Bereich Elektromobilität. Neue Wettbewerber aus Ländern wie den USA, China oder Indien drängen mit innovativen Geschäftsmodellen auf den Markt. „Diese neuen Wettbewerber haben erkannt, dass es nicht die Karosserie oder Ingenieurskunst ist, mit der das Geld verdient wird. Am Ende zählt die Zeit, die der Fahrer im Auto verbringt, im Zweifel auch autonom, und wie diese Zeit monetarisiert wird“, warnt Wilde. Für viele deutsche Unternehmen sollen harte Einschnitte drohen – von Restrukturierungen über Stellenabbau bis hin zu Standortschließungen.
Die steigenden Insolvenzzahlen verdeutlichen die angespannte Lage der deutschen Wirtschaft. Ohne grundlegende Reformen droht eine weitere Verschärfung der Krise – insbesondere in Schlüsselbranchen wie Automobil, Maschinenbau und Immobilienwirtschaft.
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