27.05.2024
Reform des Strommarktdesigns für günstigere Energiepreise

Europawahl 2024: Der DMB fragt, die Parteien antworten.
Anlässlich der Europawahl am 9. Juni 2024 hat der DMB den aus Sicht des Mittelstandes relevanten Parteien Fragen zu den Herausforderungen des Mittelstandes gestellt. Die Antworten geben Aufschluss über die geplante europäische Mittelstandspolitik der Parteien.
Das Strommarktdesign umfasst die Regeln und Strukturen, die dem Handel, der Erzeugung und der Verteilung von Strom zugrunde liegen. Diese Frage untersucht, ob Parteien eine Reform dieses Designs als notwendig erachten, um wettbewerbsfähige Strom- und Energiepreise zu gewährleisten, und welche konkreten Veränderungen sie vorschlagen, um die Energiekosten für Unternehmen in Europa zu senken.
Sehen Sie eine Reform des Strommarktdesigns als Voraussetzung für wettbewerbsfähige Strom- und Energiepreise in Europa? [Ja/Nein] Falls ja, wie wollen Sie das Strommarktdesign verändern, damit die Energiepreise für Unternehmen in Europa sinken?

Ja: CDU und CSU sehen es für notwendig an, dass das Strommarktdesign an die neuen Gegebenheiten angepasst wird. Durch den Systemwechsel weg von der Grundlastfähigkeit hin zum Konzept der gesicherten Leistung benötigt man einen veränderten Rahmen. Im Kontext wird es zudem wichtig, die Preisgestaltung auch im Hinblick auf den sehr diversen Energiemix in der EU anzupassen. Grundsätzlich gilt hier: Deutschland und Europa brauchen eine sichere und bezahlbare Energieversorgung. Wir wollen den Binnenmarkt für Energie stärken, grenzüberschreitende Infrastruktur auf- und ausbauen und mit technologieoffener Forschung den Energiestandort Europa voranbringen.

Ja. In der 2024 vom Europäischen Parlament beschlossenen Strommarktreform haben wir uns dafür eingesetzt, dass Gewinne aus doppelseitigen Differenzverträgen zur Förderung von erneuerbarem Strom an industrielle Abnehmer weitergegeben werden können. Darüber hinaus sehen wir weiteren Reformbedarf, etwa bei der Regelung zu Kapazitätsmechanismen, um auf die Volatilität der Produktion von erneuerbarem Strom eingehen und extreme Preisausschläge abfedern zu können. Der Netzausbau ist innerhalb Deutschlands sowie grenzüberschreitend entscheidend, um preistreibende Staus im Netz zu vermeiden. Hier müssen wir nicht nur schneller vorankommen, sondern auch die Netznutzungskosten im Blick behalten, die für energieintensive Verbraucher im Wettbewerb zur Belastung werden könnten. Zuletzt bleibt ein europäischer Industriestrompreis eine kurzfristige Option, um die Bezahlbarkeit und Verlässlichkeit der Preise zu sichern. Wettbewerbsverzerrungen innerhalb der EU müssen dabei berücksichtigt werden.

Ja. Wir wollen das Strommarktdesign, die Netzentgelte und die Regulierung von Energiespeichern aller Art zielgerichtet auf ein System aus erneuerbaren Energien ausrichten und dabei die Integration der Verkehrs-, Wärme- und Industriesektoren mit einbeziehen. Heimische erneuerbare Energien können mittelfristig stabile niedrige Preise garantieren. Ein europäisches Strommarktdesign muss die Kostenvorteile der erneuerbaren Energien nutzen, um die Energiepreise zu senken und die Refinanzierung der Erneuerbaren zu sichern. Eigenstromnutzung von Erneuerbaren sollte durch vorteilhafte rechtliche Rahmenbedingungen begünstigt werden, da es nicht nur ihnen Kostenvorteile bringt, sondern auch die Netze und damit die Allgemeinheit entlastet. Produktionsspitzen der erneuerbaren Energien, für die es im Stromnetz keine Verwendung gibt, sollen gemäß dem Grundsatz „Nutzen statt Abschalten“ unkompliziert vor Ort genutzt werden können, beispielsweise für die Elektrolyse von grünem Wasserstoff, in Batterien oder Wärmespeichern.

Ja. Eine Reform des Strommarktes muss verschiedene Ziele verfolgen, insbesondere Versorgungssicherheit, günstige Preise und die Sicherstellung der notwendigen Investitionssignale für alle Komponenten des klimaneutralen Energiesystems (Erneuerbare, Backup-Kraftwerke, Speicher, Flexibilitäten etc.) sowie einen möglichst großen Wettbewerb. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Erneuerbaren Energien sich am Markt bewähren und förderfrei ausgebaut werden können. Gleichzeitig kommt es darauf an, dass die Regulierung nicht innovativen Geschäftsmodellen im Weg steht, mit denen möglichst viele Verbraucherinnen und Verbraucher von der Energiewende profitieren können, beispielsweise durch flexible Stromtarife. Zur Sicherstellung bezahlbarer Energiepreise müssen viele Maßnahmen ineinandergreifen, zum Beispiel ein effizienter, grenzüberschreitender Ausbau der Stromnetze oder die Vereinfachung von Direktlieferverträgen (PPA).

Wir wollen das Merit Order System beibehalten, aber erneuerbaren Energien zukünftig mit ihren tatsächlichen Kosten einschließlich der Kosten für die Backup-Kraftwerke ansetzen. Zudem soll der Direktverkauf von privat erzeugtem Strom ermöglicht werden.

Ja, das BSW fordert eine grundlegende Reform des Strommarktdesigns. Das Merit-Order-Prinzip, durch das der höchste Preis ausschlaggebend für die gesamte Preisgestaltung ist, hat – in Verbindung mit den EU-Energiesanktionen gegen Russland – wesentlich zur Energiepreis-Explosion in der EU beigetragen. Auch wenn die Preise seit dem Höhepunkt im Herbst 2022 wieder deutlich gesunken sind, sind beispielsweise die Strompreise im EU-Durchschnitt fast dreimal höher als in den USA – was für die europäische Industrie einen erheblichen Wettbewerbsnachteil darstellt und auch die privaten Verbraucher erheblich belastet. Das wollen wir ändern. Die Energieversorgung muss – für Wirtschaft und Privatverbraucher – bezahlbar sein und als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge begriffen werden. Dazu muss die Preisgestaltung den Börsen entzogen und an die Staaten zurückübertragen werden: Wir brauchen staatliche Preiskontrollen und -Festlegungen (in Deutschland: durch die Bundesnetzagentur) – so, wie dies vor der Liberalisierung des Strommarktes durch die EU über Jahrzehnte reibungslos funktioniert hat. Mittelfristig will das BSW die Netzinfrastruktur in die öffentliche Hand rücküberführen.
Wir fordern darüber hinaus diplomatische Initiativen zur Beendigung des Kriegs in der Ukraine (siehe auch Frage 1). Dies ist nicht nur wichtig, um das Töten und die Zerstörung der Ukraine zu beenden: Mit dem Eintritt in Waffenstillstands- und Friedensverhandlungen könnte die EU auch das Sanktionsregime gegen Russland schrittweise lockern. Dies würde die Energiekosten in der EU senken. Wir wollen die Öl- und Gaslieferungen mit Russland wiederaufnehmen und durch langfristige Verträge günstige Preise garantieren. Der Kauf von teurem LNG aus Fracking-Gas ist wirtschaftlich, sozial und klimapolitisch keine Alternative zu Pipelinegas.
Dieser Wahlprüfstein ist Teil von insgesamt acht Wahlprüfsteinen zur Europawahl 2024.
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