09.04.2025
DMB-Interview: "Wer zu kurzfristig plant, riskiert Fehler."
Viele Familienunternehmen stehen vor der Herausforderung, die Unternehmensnachfolge erfolgreich zu gestalten – ein Prozess, der oft von Unsicherheiten und Konflikten geprägt ist. Doch mit einer klaren Strategie, frühzeitiger Planung und professioneller Begleitung kann die Übergabe gelingen. Im DMB-Interview erklärt Nachfolgeexperte Christian Schönberger, warum die Nachfolge wie ein strategisches Unternehmensprojekt angegangen werden sollte, welche typischen Fehler vermieden werden können und wie externe Unterstützung den entscheidenden Unterschied macht.

DMB: Herr Schönberger, aktuelle Studien und Presseberichte zeichnen ein düsteres Bild der Unternehmensnachfolge im Mittelstand. Viele Unternehmen finden keinen Nachfolger. Teilen Sie diese Einschätzung?
Christian Schönberger: Ich sehe das anders. In der Presse wird oft ein dramatisches Bild gezeichnet, aber meine Erfahrung ist eine andere: Wer sich frühzeitig und aktiv mit der Nachfolge beschäftigt, findet eine Lösung – sei es innerhalb der Familie, mit einem externen Nachfolger oder durch einen Verkauf. Entscheidend ist, dass Unternehmer-innen früh handeln und ihre Pläne konsequent umsetzen. Lippenbekenntnisse allein bringen nichts.
Warum fällt es vielen Unternehmer-innen so schwer, ihre Nachfolge zu regeln?
Familienunternehmen sind mehr als nur Betriebe – sie sind das Lebenswerk der Inhaber-innen, oft über Generationen hinweg. Die größte Herausforderung ist es, wirtschaftliche und familiäre Interessen zu vereinen. Es geht nicht nur um Zahlen und Verträge, sondern auch um Vertrauen, Strategie und den richtigen Zeitpunkt. Ein Beispiel: Eine Unternehmerin Mitte 50 denkt über die Nachfolge nach. Ihr Sohn interessiert sich zwar für das Unternehmen, will sich aber noch nicht endgültig festlegen. Die Inhaberin wiederum zögert, das Thema anzusprechen, um keinen Konflikt zu riskieren. Die Übergabe wird zum Tabuthema – alle wissen, dass sie ansteht, doch niemand spricht darüber. Das führt zu Unsicherheit, kann Unfrieden in der Familie hervorrufen und letztendlich dem Unternehmen schaden.
Welche typischen Fehler beobachten Sie häufig in der Nachfolgeplanung?
Der häufigste Fehler ist das Hinauszögern. Viele Unternehmer-innen beschäftigen sich erst mit der Nachfolge, wenn es fast zu spät ist. Dann müssen Entscheidungen unter Zeitdruck getroffen werden, was oft zu schlechten Lösungen führt. Zudem wird häufig nur auf wirtschaftliche Faktoren geschaut oder die steuerliche Optimierung steht im Vordergrund, ohne die familiären und emotionalen Aspekte zu berücksichtigen.
Ich erinnere mich an einen Unternehmer, den ich gut kenne und welcher bestimmt zehn Jahre lang immer wieder über die Nachfolge nachdachte, aber nie konkrete Schritte unternahm. Mit Mitte 60 wurde er schwer krank. Da es keine zweite Führungsebene gab, geriet das Unternehmen in Schwierigkeiten. Als ein Liquiditätsengpass auftrat, hielten sich die Banken zurück, und das Unternehmen musste unter Wert verkauft werden. Hätte der Unternehmer frühzeitig eine Nachfolge geplant und eine zweite Führungsebene aufgebaut, hätte sich das vermeiden lassen.
Wie sieht eine gute Nachfolgestrategie aus?
Eine geregelte Übergabe beginnt mit Klarheit. Wo stehen wir als Familie und Unternehmen? Welche Erwartungen haben die Beteiligten? Danach folgt die Szenarien-Planung: Welche Optionen gibt es? Soll das Unternehmen in der Familie bleiben, an Mitarbeitende übergehen oder verkauft werden? Ein zentraler Schritt ist das Zielbild: Wie soll das Unternehmen in 10 oder 20 Jahren aussehen? Erst wenn diese Zukunftsvision klar ist, kann man zurück in die Gegenwart gehen und eine Strategie entwickeln, um dorthin zu gelangen.
In der Umsetzungsphase können oft unerwartete Probleme auftreten: Verzögerungen, Unsicherheiten oder Blockaden. Ohne externe Unterstützung kann dies die Übergabe gefährden. Ein erfahrener Berater hilft, Hürden frühzeitig zu erkennen und den Prozess aktiv zu steuern. Ein Praxisbeispiel: Ein Unternehmer hatte eine klare Strategie mit seiner Tochter entwickelt. Doch als die Umsetzung begann, wurde sie immer wieder aufgeschoben. Der Vater konnte nicht loslassen, die Tochter blieb unsicher. Das führte zu Spannungen im Unternehmen. Erst mit externer Unterstützung wurden klare Verantwortlichkeiten und verbindliche Meilensteine festgelegt, sodass die Übergabe erfolgreich durchgeführt werden konnte.
Was empfehlen Sie Unternehmer-innen, die sich mit der Nachfolge beschäftigen?
Die Nachfolge ist ein mehrjähriger Prozess und sollte, wie ein wichtiges Unternehmensprojekt behandelt werden. So wie eine neue Produktionshalle sorgfältig geplant wird – mit Marktanalysen, Bauexperten und strategischer Planung – braucht auch die Unternehmensübergabe eine klare Strategie. Wer zu kurzfristig plant, riskiert Fehler. Externe Begleitung hilft, Risiken zu minimieren und den Prozess erfolgreich zu steuern. Ein gutes Beispiel ist eine erfolgreiche Unternehmerin, die drei Jahre vor der geplanten Übergabe begann, Verantwortung zu übergeben. Die Inhaberin baute schrittweise eine zweite Führungsebene auf, wodurch das Unternehmen unabhängiger wurde und der Übergang reibungsloser verlief.
Wobei benötigen Unternehmerfamilien oft externe Unterstützung?
Viele Unternehmer-innen bleiben im Tagesgeschäft gefangen und haben Schwierigkeiten, das große Ganze zu sehen. Doch genau dieser Perspektivwechsel ist entscheidend. Es geht darum, verschiedene Szenarien zu entwickeln und daraus die beste Zukunftsstrategie abzuleiten.
Externe Beratung hilft, blinde Flecken zu erkennen und tragfähige Lösungen zu erarbeiten. Das ist einer der wichtigsten Aspekte in der Standortbestimmung und Strategieentwicklung.
Ein Beispiel: Ein Metallbauunternehmen, das stark von zwei Hauptkunden abhing, nutzte die Nach folge als Chance, sein Geschäftsmodell zu überdenken. Die familieninternen Nachfolger entwickelten eine breitere Kundenbasis, wurden unabhängiger und steigerten langfristig den Umsatz. Das Ziel einer Übergabe sollte immer sein, nachhaltige Lösungen zu entwickeln, die sowohl dem Unternehmen als auch der Familie dienen.
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