Halbzeitbilanz für die Bundesregierung

Arbeit

Viele kleine und mittlere Unternehmen (KMU) haben Schwierigkeiten qualifiziertes Personal zu finden – Tendenz steigend. Es besteht dringender Handlungsbedarf in der Politik – dem Fachkräftemangel muss mit zielgerichteten Regelinstrumenten entgegengewirkt werden. Im Koalitionsvertrag wurden Reformen angekündigt, die „gute Arbeit, breite Entlastung und soziale Teilhabe sichern“.  Nach der ersten Hälfte der Regierungszeit zeigt sich allerdings, dass die Umsetzung vielerorts noch auf sich warten lässt.

Mindestbeitrag gesetzliche Krankenkasse

Mit dem von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vorangetriebenen Versichertenentlastungsgesetz reduzierte sich der Mindestbeitrag der gesetzlichen Krankenkassen für Kleinunternehmer um mehr als die Hälfte. Durch diese Gesetzesänderung werden Selbstständige, die in einer gesetzlichen Krankenversicherung sind, wie z.B. Taxifahrer, entlastet. Die jährliche finanzielle Entlastung wird auf 800 Millionen Euro geschätzt.

Bewertung: Für Selbstständige, die gesetzlich versichert sind, stellt die Reduktion des Mindestbeitrages der gesetzlichen Krankenkasse eine erhebliche Erleichterung dar. In vielen Fällen ermöglicht es Kleinunternehmern ihr Geschäft aufrechtzuerhalten. Die Maßnahme ist zu begrüßen, allerdings sind noch weitgehendere Schritte zur Entlastung kleiner Betriebe notwendig.

Befristete Teilzeit

Mit dem Recht auf befristete Teilzeit können Arbeitnehmer seit Anfang 2019 ihre Arbeitszeit temporär reduzieren, um anschließend wieder zu ihrer ursprünglichen Arbeitszeit zurückzukehren. Unternehmen mit weniger als 45 Mitarbeiter sind von der Regelung ausgeschlossen. In KMU mit mehr als 45 Mitarbeitern gilt das Recht nur sehr eingeschränkt.

Bewertung: Den Arbeitgeber stellt die Regelung dennoch vor große Planungsunsicherheiten. Die Differenzierung nach Mitarbeitergröße war demnach kein Geschenk an die KMU – sondern eine notwendige Bedingung für das Gesetz. Um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu fördern, sollten zielorientierte Maßnahmen ergriffen werden.

Tariföffnungsklausel

Die Koalition stellte einen Reformbedarf des Arbeitszeitgesetzes fest, die eine Tariföffnungsklausel in Anlehnung an die EU-Arbeitszeitrechtlinie vorsieht. Damit könnten Arbeitszeiten flexibler werden. Das Vorhaben einer weitreichenden Reform ist im März 2019 allerdings im Bundesrat gescheitert.

Bewertung: Es besteht dringender Handlungsbedarf, moderne rechtliche Rahmenbedingungen für den "digitalen Arbeitsplatz" zu schaffen. Dazu gehören insbesondere flexiblere Arbeitszeiten, die es KMU ermöglicht, auf schwankende Auslastungen zu reagieren.

Stabilisierung der Sozialabgaben

Aktuell liegen die gesetzlichen Sozialabgaben bei 38,75 Prozent. An den Sozialabgabenlasten hat sich seit der Regierungsbildung wenig verändert. Die hohen Sozialausgaben stellen eine große finanzielle Last insbesondere für KMU dar.

Bewertung: Zwar wurde der im Koalitionsvertrag betonte Schwellenwert von 40 Prozent nicht überschritten, jedoch kam es auch nicht zu einer Entlastung. Ohne gesetzliche Regulierung besteht weiterhin die Sorge vor möglichen steigenden gesetzlichen Sozialabgaben.

Neue Geschäftsmodelle

Die Digitalisierung und der Wandel der Arbeit machen neuartige Geschäftsmodelle notwendig. Die Entwicklung der Geschäftsmodelle wollte die Koalition unterstützen und damit einen Ordnungsrahmen für zukunftsgerechte Arbeit schaffen.

Bewertung: Es wird immer wieder betont, dass Handlungsbedarf bestehe – viel umgesetzt wurde bisher allerdings nicht.

Beitragsparität in der Krankenversicherung

Die Beitragsparität bezeichnet die Aufteilung des Zusatzbeitrags der Krankenversicherungsbeiträge zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu jeweils 50 Prozent. Zu Beginn 2019 wurde das Vorhaben entsprechend des Koalitionsvertrages umgesetzt, wodurch die Ausgaben für Arbeitgeber gestiegen und die Ausgaben für Arbeitnehmer sowie Rentner gesunken sind.

Bewertung: Für KMU bedeutet dies eine weitere Steigerung der Last durch Sozialabgaben. Die extrem hohen Rücklagen, welche die gesetzlichen Krankenversicherungen gebildet haben, sollten vielmehr für eine Beitragssenkung genutzt werden.

 

Befristungen reduzieren

Sachgrundlose Befristungen sollen laut Großer Koalition reduziert werden, insbesondere bei größeren Unternehmen. Jedoch sind davon auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU) betroffen. Formal wurde die Zielvorgabe aus dem Koalitionsvertrag von unter 2,5 Prozent befristeter Arbeitsverträge bei über 75 Mitarbeitern erreicht (Stand: März 2019). Allerdings sind die Kriterien der Sachgründe umstritten.

Bewertung: Die Koalition hat es nicht geschafft, Arbeitnehmer tatsächlich über die Reduktion von Befristungen zu schützen. Befristete Arbeitsverträge in der Privatwirtschaft stellen zudem nur einen geringen Anteil dar. Ein wichtiger Ansatzpunkt, der kaum angegangen wird, ist viel mehr die Reduktion sachgrundloser Befristungen im Öffentlichen Dienst.

 

Teilhabe am Arbeitsmarkt

Das Regelinstrument „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ wurde 2019 neu eingeführt. Damit sollen Langzeitarbeitslose wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden, indem Arbeitgebern für die Einstellung von Arbeitslosen Anreize mithilfe von Lohnkostenzuschüssen gesetzt werden.

Bewertung: Noch ist es zu früh zu beurteilen, wie erfolgreich das Regelinstrument werden kann.

Qualifikationsstandards auf EU-Ebene

Bestehende Qualifikationsstandards für KMU müssen beibehalten werden, insbesondere ist die Ablehnung des Herkunftslandprinzipes im Europäischen Binnenmarkt wichtig für den deutschen Mittelstand. An den Zielen hält auch die Regierung fest, was sich u.a. in der Ablehnung der elektronischen europäischen Dienstleistungskarte durch das EU-Parlament niederschlug. Diese hätte eine Verletzung des Ziellandprinzips bedeutet. Dennoch muss die Regierung mehr Druck auf die EU ausüben, um Qualifikationsstandards für KMU intensiver zu stärken.

Bewertung: An die Aussagen im Koalitionsvertrag hat sich die Regierung bei der Vertretung in den EU-Organen gehalten. Es gilt allerdings nicht nur bestehende Qualifikationsstandards beizubehalten, sondern diese stetig zu verbessern. Aufgrund der vielen Interessen auf der EU-Ebene lässt sich das isolierte Handeln der deutschen Regierung nicht bewerten.

Gesamtbewertung Arbeit

Im Themenfeld „Arbeit“ besteht Nachholbedarf, denn die Regierung darf sich nicht auf der aktuell hohen Beschäftigung ausruhen. Die im Koalitionsvertrag angekündigten Vorhaben wurden zwar teilweise umgesetzt, allerdings werden KMU weiterhin mit hohen Auflagen und Sozialabgaben belastet. Insbesondere gilt es in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode abzuwarten, ob dem grundlegenden Reformbedarf des Arbeitszeitgesetzes nachgegangen wird.

Digitalisierung

Die Digitalisierung ist ein Themenbereich mit besonderer Bedeutung für den Mittelstand. Im Koalitionsvertrag wurde mit großen Ankündigungen im Bereich Digitalisierung nicht gerade gegeizt.

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Finanzen

Der Themenbereich Finanzen hat eine große Bedeutung für die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für KMU in Deutschland. Eine gute Wirtschaftspolitik sollte die Entlastung und Stärkung der Unternehmen vorantreiben.

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Internationalisierung

Der Weg hin zu einer echten Internationalisierung ist für KMU allerdings mit Hürden und Unsicherheiten verbunden. Welche Maßnahmen werden von der Bundesregierung für bessere Rahmenbedingungen umgesetzt?

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Nachfolge

Viele KMU stehen vor einem Generationswechsel. Mit welchen Maßnahmen begegnet die Bundesregierung der sich abzeichnenden Nachfolgewelle im deutschen Mittelstand?    

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Bildung

Bildungsmaßnahmen wurden im Koalitionsvertrag angekündigt, um die Herausforderungen der Zukunft anzugehen. Die umgesetzten Vorhaben stellen KMU allerdings auch vor Hürden.

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Eckpunkte der Mittelstandsstrategie

Wirtschaftsminister Peter Altmaier kündigte bei Amsantritt an, seine Behörde als „das Mittelstandsministerium“ verstehen zu wollen. Die Eckpunkte der Mittelstandsstrategie geben erste Einblicke in seine Planungen.

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Fazit

Die DMB-Bilanz der Regierungsarbeit zur Halbzeit der Legislaturperiode fällt gemischt aus.

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Die Halbzeitbilanz kompakt als PDF

Das DMB-Transparenzversprechen:
Themenbeobachtung aus Perspektive des Mittelstandes

Die gesetzlichen Rahmenbedingungen wandeln sich kontinuierlich. Der DMB begleitet den politischen Prozess Schritt für Schritt und informiert Sie über relevante Gesetzesänderungen und neue politische Initiativen.

 

 

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