Auszug aus dem Wahlprogramm der Partei Bündnis 90/Die Grünen zum Thema "Arbeit"

Auszug aus dem

Wahlprogramm von

Bündnis 90/Die Grünen

zum Thema Arbeit

Auszüge aus dem Wahlprogramm von Bündnis 90/Die Grünen zur Bundestagswahl:

Zukunft wird aus Mut gemacht.

18.06.2017

Wir begrünen unsere Wirtschaft für Umweltschutz, Lebensqualität und neue Arbeitsplätze

Mit grüner Industriepolitik den Industriestandort und Arbeitsplätze sichern

S. 40-44

[…]

Die ökologische Modernisierung ist die Zukunftssicherung für alle Industriezweige in Deutschland. Alle Branchen müssen ihren Beitrag zu Klima- und Ressourcenschutz leisten. Und für alle Branchen gilt: Wenn wir den Anschluss verpassen, wie es zum Beispiel beim Elektroauto droht, gehen Arbeitsplätze und Wohlstand verloren. Konkret heißt das: weg vom Verbrennungsmotor und hin zum Elektroantrieb beziehungsweise emissionsfreien Antrieb. In der Schifffahrt weg vom Schweröl hin zu alternativen Antrieben. Weg vom Öl und Gas und hin zu nachwachsenden Rohstoffen in der Chemieindustrie. Die Bauwirtschaft kann mit Holzbau oder Textilbeton Ressourcen und Emissionen einsparen. Damit sichern wir den Industriestandort Deutschland. Denn auch in der Zukunft wird unser Wohlstand von guten und sicheren Arbeitsplätzen abhängen. Wir tun das im Dialog mit Unternehmen, Gewerkschaften und der Wissenschaft. Doch wenn nötig, auch im Konflikt mit den Lobbys der alten Industrien.

Von besonderer Bedeutung ist in Deutschland die Automobilbranche. Ihr wollen wir helfen, den Sprung ins 21. Jahrhundert zu schaffen, in der Mobilität ohne Schadstoffausstoß funktionieren muss. Das ist eine zentrale Frage mit Blick auf Umweltzerstörung und Klimakrise. Dass dieser Sprung gelingt, ist aber auch von großer Bedeutung für den sozialen Zusammenhalt in unserem Land. Denn wir wollen verhindern, dass Wolfsburg oder Stuttgart das Detroit von morgen werden. Deshalb braucht es jetzt klare Rahmenbedingungenfür diesen Industriezweig. Diese setzen wir mit einem klaren Fahrplan für den Ausbau der Elektromobilität und mit dem Ausstieg aus dem fossilen Verbrennungsmotor (Kapitel: Wir sorgen für saubere, bezahlbare und bequeme Mobilität, S. 56).

Die ökologische Modernisierung ist ein gigantisches Innovationsund Investitionsprogramm. Und sie ist ein Jobmotor. Sie schafft neue Arbeit, nicht nur für Ingenieur*innen und Programmie rer*innen, sondern auch für Handwerker*innen und Bauarbei ter*innen. Jede in die Gebäudesanierung investierte Milliarde schafft 10.000 zusätzliche Arbeitsplätze im Baugewerbe, im Handwerk und in der Industrie. Seit zehn Jahren wächst der globale Markt für Umwelttechnik und Ressourceneffizienz rasant. Deutsche Firmen sind bei Green Tech gut aufgestellt. Deutsche und europäische Unternehmen können in diesen Bereichen viele zusätzliche Jobs schaffen. Daran wollen wir arbeiten. Für uns ist dabei entscheidend, dass bei der ökologischen Modernisierung gute Arbeitsbedingungen, Mitbestimmung und tariflicher Schutz gelten: Auch deshalb fordern wir eine bundesweite Fachkräfteallianz zwischen Staat und Wirtschaft zur Stärkung des Handwerks. In den kohlenstoffintensiven Unternehmen und Geschäftsbereichen werden allerdings auch Arbeitsplätze abgebaut werden. Hier kümmern wir uns um eine gute soziale Absicherung, um Weiterbildung und neue Chancen.

Unser Ziel ist es auch, dass so viel Kapital wie möglich aus fossilen Energieträgern abgezogen wird und stattdessen dorthin fließt, wo es nachhaltigen Wohlstand und neue Jobs schafft. Ganz nach dem Motto: Die Steinzeit endete, obwohl es noch unzählige Steine gab – und das fossile Zeitalter muss enden, obwohl es noch jede Menge Kohle, Gas und Öl im Boden gibt. Das Stichwort dazu lautet „Divestment“ und meint den Abzug von Investitionen aus Öl, Kohle und Gas. Viele deutsche Konzerne, aber auch der Bund, Länder, Kommunen, öffentliche Banken und Versicherer haben viel Geld in fossile Energieträger investiert. Das heißt, auch mit öffentlichen Geldern wird die Klimakrise befeuert. Wir wollen, dass die öffentliche Hand hier vorangeht und ihre dreckigen Anlagen beendet, zumal diese Investments mehr und mehr zu einem finanziellen Risiko werden. Denn die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens macht solche Investitionen wertlos. Deshalb fordern wir: divest now!

Für faire Löhne – Arbeit soll sich für alle lohnen

S. 190-193

Die Kapitaleinkommen sind in den vergangenen Jahren stark gestiegen, während die Arbeitseinkommen über viele Jahre weitgehend stagnierten. Zuletzt sind die Reallöhne zwar wieder gestiegen, aber es muss jetzt darum gehen, diese Tendenz zu verstetigen. Dafür wollen wir das Tarifsystem wieder stärken. Tarifverträge sollten einfacher allgemein verbindlich für alle Betriebe einer Branche gelten. Davon profitieren Beschäftigte und Arbeitgeber*innen gleichermaße.

Vorstände in großen Unternehmen konnten in den vergangenen Jahren sehr hohe Gehaltssteigerungen durchsetzen. Das Verhältnis zwischen ihren Einkommen und normalen Löhnen ist inzwischen oft unverhältnismäßig zur Leistung. Diesem Trend wollen wir entgegenwirken, indem wir die Rechte der Aktionär*innen stärken. So wollen wir, dass Unternehmen verpflichtend die Vorstandsvergütung in Relation zur Normalbelegschaft veröffentlichen müssen.

Die Mitfinanzierung von überhöhten Gehältern, Abfindungen und Versorgungszusagen durch die Bürgerinnen und Bürger wollen wir begrenzen. Die steuerliche Abzugsfähigkeit von Abfindungen wollen wir daher bei einer Million Euro pro Kopf deckeln, jene von Gehältern bei 500.000 Euro pro Jahr und Kopf. Das ist etwa das 30-Fache des Mindestlohns. Erfolgsbeteiligungen sollen grundsätzlich an den langfristigen Erfolg des Unternehmens anknüpfen.

Gleichzeitig sind bei Geringverdiener*innen die Löhne in den vergangenen Jahrzehnten real gesunken. Der eingeführte Mindestlohn war ein wichtiger Etappensieg. Er muss ausnahmslos für alle Angestellten gelten. Damit Geringverdienende mehr im Geldbeutel haben, wollen wir sie bei den Sozialabgaben entlasten. Viele Millionen Menschen arbeiten in Leiharbeit oder befristet. Was im Sinne der Flexibilität gelegentlich sinnvoll sein kann, wird oft missbraucht, um Löhne dauerhaft zu senken. Den Trend zu immer mehr unsicheren Jobs wollen wir GRÜNE umkehren. Ohne guten sachlichen Grund sollten Jobs nicht mehr befristet werden können und Leiharbeit ab dem ersten Tag gleich bezahlt werden – plus Flexibilitätsprämie.

Ein selbstbestimmtes Leben darf auch keine Frage des Geschlechts sein. Wir GRÜNE wollen, dass Frauen und Männer endlich die gleichen Karrierechancen haben und gleiche Löhne für gleiche und gleichwertige Arbeit erhalten. Wir setzen uns für ein echtes Entgeltgleichheitsgesetz, die bessere Bezahlung von typischen Frauenberufen sowie eine funktionierende Frauenquote ein.

Minijobs wollen wir in sozialversicherungspflichtige Jobs umwandeln und dafür sorgen, dass die Beiträge durch Steuern, Abgaben und soziale Leistungen so aufeinander abgestimmt werden, dass sich Erwerbsarbeit immer rechnet. Dabei darf die Belastung mit Steuern und Abgaben nicht sprunghaft steigen. So wird es attraktiver, mehr als nur geringfügig zu arbeiten.

Die DMB-Einschätzung: Die Bezahlung von Führungskräften wird durch die aufgeführten Maßnahmen deutlich komplizierter. Außerdem ist es negativ zu bewerten, dass Instrumente der flexiblen Beschäftigung verteuert oder abgeschafft werden sollen. Die Unternehmensplanung wird hierdurch bedeutend schwieriger. Die Einführung einer Frauenquote erzeugt einen zusätzlichen bürokratischen Aufwand.

Wir begrünen unsere Wirtschaft für Umweltschutz, Lebensqualität und neue Arbeitsplätze

S. 197-208

Wir machen den Sozialstaat sicher und zukunftsfest

Gesund bleiben, auch im Alter würdig und selbstbestimmt leben, bis zuletzt. Einen Platz in der Gesellschaft finden: All das schaffen wir nicht allein. Nur zusammen und solidarisch können wir einander soziale Sicherheit geben, uns bei Krankheit, Armut oder Verlust des Arbeitsplatzes gegenseitig zur Seite stehen. Unser Ziel: Alle Bür gerinnen und Bürger sollen gegen die großen Risiken des Lebens gut abgesichert sein – zu fairen und gerechten Bedingungen.

Unsere sozialen Sicherungssysteme leisten viel, gerade auch im internationalen Vergleich. Aber wir müssen dafür sorgen, dass der Sozialstaat sein Versprechen auf Sicherheit auch in Zukunft noch einlösen kann und dass es dabei gerecht zugeht. Digitalisierung, Globalisierung und demografischer Wandel sind und bleiben große Herausforderungen. Viele Menschen machen sich zu Recht Gedanken darüber, ob die Rente für einen guten Ruhestand reicht oder ob beim Jobverlust Armut droht. Wenn Menschen den Abstieg fürchten, ist das Gift für den sozialen Zusammenhalt. Deshalb ist soziale Sicherheit eine Bedingung für den inneren Frieden. Sie ist auch eine Voraussetzung für Kreativität und Lebensmut. Denn wer verunsichert ist, kann nicht frei aufspielen. Gerade weil wir außen-, gesellschafts- und wirtschaftspolitisch in unruhigen Zeiten leben, ist soziale Sicherheit wichtiger denn je. Solidarität ist das Rückgrat unserer Gesellschaft. Doch es gibt Gruppen, die sind schlecht abgesichert: kleine Selbständige mit unsteten Lebensläufen, Frauen ohne eigene Rentenansprüche, niedrig Entlohnte ohne Geld für die Altersvorsorge. Die Angleichung der Renten Ost an die Renten West treiben wir weiter voran. Dabei werden wir auch die Interessen der zukünftigen Rentnerinnen und Rentner in allen Teilen des Landes im Blick behalten. Wir müssen den Sozialstaat verbessern, damit er sein Sicherheitsversprechen für alle halten kann.

Wie soziale Sicherung auch im Zuge der Digitalisierung und aufgrund des demografischen Wandels nachhaltig, solidarisch und armutsfest organisiert werden kann, ist eine der großen Herausforderungen der Zukunft. Wir wollen eine breite gesellschaftliche Debatte vorantreiben und Fragen von einer Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens, das gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht, über die Frage einer Wertschöpfungsabgabe bis hin zu institutionellen Reformen der Sicherungssysteme in den Blick nehmen. Viele von unseren Vorschlägen von der Kindergrundsicherung bis zur Garantierente wurden auch von dem Vorschlag eines Grundeinkommens beeinflusst. Wir wollen diese Ideen weiterdiskutieren. Wir brauchen Antworten auf bisher nicht geklärte Fragen. Dabei wollen wir auch Erfahrungen aus anderen Ländern berücksichtigen und das Grundeinkommen in einem Modellprojekt erproben.
 

Wie die Rente wirklich sicher wird

Um die Rente wieder sicher und verlässlich, nachhaltig und generationengerecht zu machen, setzen wir uns dafür ein, das Drei-Säulen- System der Alterssicherung auf eine solide Basis zu stellen. In erster Linie stärken wir die erste Säule, die gesetzliche Rentenversicherung. Denn sie ist und bleibt die wichtigste Säule, der Altersvorsorge. Durch die Rentenreformen der vergangenen Jahre ist das Rentenniveau gesunken. Eine Stabilisierung ist dringend notwendig. Das heutige – gegenüber dem Jahr 1998 bereits erheblich abgesenkte – Rentenniveau sollte nicht weiter fallen. Dabei müssen Rentenniveau und Beitragssatz in einem angemessenen Verhältnis stehen, damit auch die junge Generation weiter in die gesetzliche Rente vertrauen kann. Wer viele Jahre eingezahlt hat, soll von seiner Rente auch leben können. Mit der Garantierente wollen wir für alle Menschen, die den größten Teil ihres Lebens rentenversichert waren, gearbeitet, Kinder erzogen oder andere Menschen gepflegt haben, ein Mindestniveau in der Rentenversicherung einführen. Die Garantierente ist steuerfinanziert und die Höhe wird oberhalb der Grundsicherung liegen. Es findet keine Bedürftigkeitsprüfung statt und betriebliche und private Altersvorsorge wird nicht angerechnet. Um die gesetzliche Rente finanziell und solidarisch breiter aufzustellen, wollen wir versicherungsfremde Leistungen aus Steuern bezahlen und die Beschäftigungsbedingungen gerade für Frauen so verbessern, dass sie öfter und gleichberechtigt erwerbstätig sind.

Wir wollen den ersten Schritt zur Bürger*innenversicherung gehen und hierfür die nicht anderweitig abgesicherten Selbständigen, Minijobber*innen und Abgeordnete in die gesetzliche Rentenversicherung einbeziehen. Auch Langzeitarbeitslose sollen wieder versichert werden. Für die Selbständigen und insbesondere die Existenzgründer*innen wird es Übergangsregelungen geben. Zudem wollen wir Selbständigen mit Beitragsrückständen bei der Krankenversicherung helfen und Schulden erlassen. In einem späteren Schritt wollen wir auch Freiberufler*innen und Beamt*innen in die gesetzliche Rentenversicherung einbeziehen. Hierfür werden wir mit den Ländern zusammenarbeiten. Bereits erworbene Anwartschaften auf Versorgung und bestehende Beamtenverhältnisse bleiben dabei aus Gründen des Vertrauensschutzes unberührt.

Grundsätzlich halten wir an der Rente mit 67 fest. Wir wollen es Menschen aber leichter machen, selbst darüber zu entscheiden, wann sie in Rente gehen wollen. Dazu fördern wir eine echte Altersteilzeit durch eine attraktive Teilrente ab 60 Jahren, die insbesondere Arbeitnehmer*innen in belastenden Berufen zugutekommt. Für Menschen, die länger arbeiten wollen, soll sich das lohnen. Damit sie eine höhere Rente erhalten, führen wir einfache Hinzuverdienstregeln ein und erleichtern es, Teilrente und Erwerbseinkommen zu kombinieren. So erleichtern wir es Menschen, selbst zu bestimmen, wann sie in Rente gehen. Arbeitnehmer*innen, die nicht mehr arbeiten können, sollen nicht länger auch noch dafür bestraft werden, deshalb schaffen wir die Abschläge bei der Erwerbsminderungsrente ab.

Neben der gesetzlichen Rente wollen wir auch die private und betriebliche Altersvorsorge stärken. Kapitalgedeckte Altersvorsorge kann zu einem Bruchteil der Kosten und mit einer deutlich höheren Rendite als in Deutschland durchgeführt werden. Wir wollen deshalb einen Bürger*innenfonds in öffentlicher Verwaltung einführen und diesen sowohl für die betriebliche wie auch die private Vorsorge öffnen. Bei hinreichender Größe kann die laufende Verwaltungsgebühr sehr gering sein. Die Sparleistung der Menschen kann so fast vollständig in die Altersvorsorge gehen. Der Bürger*innenfonds soll nachhaltig investieren und dabei soziale und ökologische Belange berücksichtigen.

Alle Arbeitgeber*innen sollen künftig ihren Beschäftigten eine Betriebsrente anbieten und sie mit einem eigenen Arbeitgeber*innenbeitrag unterstützen. Kleinen Betrieben erleichtern wir dies mit einer Änderung der Haftungsregeln. Wenn sie diese nicht im eigenen Betrieb oder überbetrieblich organisieren, soll sie unbürokratisch über den Bürger*innenfonds durchgeführt werden können. Die Arbeitnehmer*innen sind nicht verpflichtet, das Angebot ihrer Arbeitgeber*innen anzunehmen. Die öffentliche Förderung der privaten Altersvorsorge soll in Zukunft vor allem Geringverdienenden zugutekommen. Die Entgeltumwandlung lehnen wir ab, weil sie die gesetzliche Rente schwächt.

Viele Frauen sind von Armut im Alter bedroht. Sie leisten mehr Erziehungs- und Pflegearbeit, arbeiten oft in Teilzeit oder in schlecht bezahlten Branchen und erwerben weniger Rentenansprüche. Für Frauen muss es einfacher werden, sich durch Erwerbsarbeit selbst besser abzusichern. Mit guten Angeboten für die Kinderbetreuung, einer Umwandlung der Minijobs in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, einem Rückkehrrecht auf Vollzeit, einer echten Pflegezeit, einer fairen Abbildung von Pflegezeiten bei der Rente und mit gleichem Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit können wir die Rentenlücke für Frauen mittelfristig schließen. Auch die Anrechnung von Aufwandsentschädigungen für Ehrenämter auf die Rente werden wir neu ordnen.

Wir wollen die Benachteiligung der jüdischen Zuwanderinnen und Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion gegenüber Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern im Rentenrecht beenden.

[…]

Die DMB-Einschätzung: Positiv ist, dass die Selbstständigkeit weniger risikoreich wird. Jedoch fällt die Wahlfreiheit bei der Vorsorge weg. Weiterhin positiv sind Modelle zur Flexibilisierung im Bereich der Rente, obwohl kein Konzept für ein flexibles Renteneintrittsalter vorgelegt wird. Dass eine Betriebsrente durch veränderte Haftungsregeln für kleinere Unternehmen ermöglicht werden soll, ist mittelstandsfreundlich. Jedoch werden die Unternehmen mit umfassenden Verpflichtungen belegt.

Schutz vor Armut, Unterstützung bei Arbeitslosigkeit

Die Grundsicherung muss das soziokulturelle Existenzminimum für alle gewährleisten. Das verlangt die Würde des Menschen. Der Regelsatz des Arbeitslosengeldes II muss so berechnet und erhöht werden, dass man menschenwürdig davon leben kann, soziale und kulturelle Teilhabe möglich ist. Die Kinderregelsätze müssen sachgerecht ermittelt werden, damit alle Kinder wirklich teilhaben können. Für die Stromkosten wollen wir eine gesonderte Pauschale einführen und die Übernahme der angemessenen Wohnkosten sicherstellen. Auch unvermeidlich nötige größere Anschaffungen, wie Waschmaschinen, müssen möglich sein. Die Grundsicherung werden wir zu einer individuellen Leistung weiterentwickeln, denn das Prinzip der Bedarfsgemeinschaften benachteiligt Frauen und zementiert ihre Abhängigkeit.

Wir wollen, dass das Grundrecht auf Existenzsicherung einfach und zuverlässig wahrgenommen werden kann. Jobcenter sollen zu Dienstleistern der Arbeitsuchenden werden und kooperativ mit ihnen zusammenarbeiten. Wir stärken die Rechte der Leistungsberechtigten und setzen in der Grundsicherung nicht auf Sanktionen, sondern auf Motivation, Anerkennung und Beratung. Daher wollen wir die Sanktionen abschaffen. Dies gilt insbesondere für die Sonderregeln für unter 25-Jährige und für die Kosten der Unterkunft und Heizung. Gas- und Stromsperren müssen gesetzlich eingeschränkt werden. Diskriminierende Regelungen nur für Grundsicherungsbeziehende wollen wir streichen. Damit liegt der Fokus der Arbeitsvermittlung wieder darauf, Arbeitslose passgenau dabei zu unterstützen, einen neuen Job zu finden, etwa durch Weiterbildung, Sprachförderung, Sozialberatung, Eingliederungs- oder Gründungszuschüsse. Es braucht zudem mehr Möglichkeiten, Konflikte ohne Prozess zu lösen. Dazu wollen wir sicherstellen, dass Eingliederungsvereinbarungen nicht durch einen Verwaltungsakt ersetzt werden.

Arbeit ist ein wichtiges Feld der sozialen Teilhabe, der Anerkennung und der Sinngebung im Alltag. Deshalb wollen wir die Arbeitslosenversicherung zur Arbeitsversicherung weiterentwickeln, die Arbeit nehmer* innen bereits im Job, aber auch bei Arbeitslosigkeit bei der Weiterbildung unterstützt (Kapitel: Wir kämpfen für gute Arbeit und bessere Vereinbarkeit, S. 216). Wir geben auch Lang zeitarbeitslose nicht auf und fordern einen verlässlichen sozialen Arbeitsmarkt. Dabei soll der Grundsatz gelten: Wer Beiträge in die Arbeitslosenversicherung einzahlt, muss einen angemessenen Anspruch auf Arbeitslosengeld erhalten.

Sicherheit in der Selbstständigkeit

Um die soziale und ökologische Modernisierung zu meistern, brauchen wir auch die innovative Kraft von Gründer*innen. Wir wollen alle, die den mutigen Schritt in die Selbständigkeit wagen, dabei unterstützen, sich besser und einfacher abzusichern und Ungleichbehandlungen gegenüber Arbeitnehmer*innen zeitnah abzubauen. Gesetzlich versicherte Selbständige wollen wir bei den Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen mit geringeren Mindestbeiträgen sehr deutlich entlasten. Wir wollen eine freiwillige Arbeitsversicherung für Selbständige, die erschwinglich, für alle Selbständigen geöffnet und gerechter ausgestaltet ist. Wahltarife sollen dabei mehr Flexibilität für Selbständige ermöglichen. Wir wollen alle nicht anderweitig abgesicherten Selbständigen in die gesetzliche Rente ein beziehen und ihnen eine größere Beitragsflexibilität als heute ermöglichen. Selbständige sollen in guten Zeiten höhere Beiträge vor- oder nachzahlen können, damit sie in schlechten Zeiten entlastet werden. Wir stehen ohne Wenn und Aber zur Künstlersozialkasse. Analog zu Mindestlöhnen, die nur abhängig Beschäftigten zustehen, wollen wir auch branchenspezifische Mindesthonorare ermöglichen.

Maßnahme: Gesetzliche Rente stärken, das Rentenniveau stabil halten, Garantierente einführen

Für die meisten Menschen ist die gesetzliche Rente nach wie vor die zentrale Säule der Altersvorsorge. Und sie ist viel besser als ihr Ruf. Das Niveau der gesetzlichen Rente sollte nicht weiter sinken. Wir können das schaffen und werden dabei darauf achten, dass Rentenniveau und Beitragssatz in einem angemessenen Verhältnis stehen, sodass auch die junge Generation bedacht wird. Um die gesetzliche Rente finanziell besser aufzustellen und solidarischer zu finanzieren, wollen wir versicherungsfremde Leistungen aus Steuergeldern bezahlen und insbesondere Frauen bessere Beschäftigungsmöglichkeiten bieten und gezielte Zuwanderung ermöglichen. Menschen, die den größten Teil ihres Lebens gearbeitet, Kinder erzogen oder Angehörige gepflegt haben, garantieren wir eine echte Rente anstatt bedürftigkeitsgeprüfter Grundsicherung. Private und betriebliche Vorsorge werden auf unsere Garantierente nicht angerechnet. Mittelfristig streben wir eine Rentenversicherung für alle an. In einem ersten Schritt zur Bürger*innenversicherung wollen wir Abgeordnete, Minijobber*innen und bisher nicht abgesicherte Selbständige in die Rentenversicherung einbeziehen.

Die DMB-Einschätzung: Grundsätzlich wird die Selbstständigkeit durch die geplanten Maßnahmen weniger risikoreich. Im Gegenzug entsteht jedoch ein Zwang, der nur wenig Spielraum offenlässt. Bezüglich der Rentenregeln wird primär auf Teilrente und Teilzeitarbeit gesetzt. Ein flexibles Renteneintrittsalter wird nicht umgesetzt.

Zeit für gute Pflege – Vereinbarkeit von Pflege und Beruf fördern

Wenn nahestehende Menschen pflegebedürftig werden, müssen viele Dinge geregelt werden. Dafür benötigt man Zeit, ebenso um Angehörigen nahe zu sein und eine Zeit lang selbst die Pflege zu übernehmen. Das wollen wir erleichtern: Mit der Pflege- Zeit Plus gibt es erstmals einen Lohnersatz für die Zeit der Pflege. Für drei Monate ersetzen wir Menschen, die Angehörige selbst pflegen, ihren Lohn, genauso wie für Eltern in der Elternzeit. Zudem sollen sich Pflegende zehn Tage im Jahr freinehmen können, um sich besonders intensiv um eine zu pflegende Person zu kümmern. Ganz so, wie sich Eltern freinehmen können, wenn ihr Kind krank ist. Wir finden, wer für einen pflegebedürftigen Menschen Verantwortung übernimmt, hat unsere Unterstützung und Wertschätzung verdient. Die PflegeZeit Plus ist unsere Antwort darauf. Das kombinieren wir mit mehr entlastenden Angeboten wie Betreuung, einer umfassenden ambulanten Pflege und Betreuung. Die Kommunen sind die richtige Ebene, um ein passendes Umfeld für alle Generationen zu schaffen, dazu gehören auch mehr alternative Wohnformen wie Pflege-WGs und Hausgemeinschaften.

Die DMB-Einschätzung: Durch die vorgeschlagen Regelungen fallen Beschäftigte kurzfristig aus. Damit wird die Personalplanung für Unternehmen zunehmend schwieriger. Positiv ist jedoch, dass es so langfristig einfacher wird, Pflege und Beruf zu vereinbaren.

Wir holen Kinder aus der Armut und fördern Familien

S. 209-215

Mehr Unterstützung für Familien

Die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben ist heute eine der größten Herausforderungen für Familien, nach wie vor vor allem für Frauen. Wir wollen dafür sorgen, dass Eltern nicht die Puste ausgeht. Beweglichkeit und ein Abschiednehmen von überholten Mustern sind gefragt, um die Anforderungen der Arbeitswelt mit den Bedürfnissen der Beschäftigten mehr in Einklang zu bringen und dafür zu sorgen, dass Arbeit, Aus- und Weiterbildung sowie Studium besser ins Leben passen. Viele Unternehmen haben dies erkannt und angefangen, Arbeitszeit neu zu denken und innovative Konzepte für ihre Belegschaften zu entwickeln. Solche Wege wollen wir unterstützen: mit einer flexiblen Vollzeit, die es Beschäftigten ermöglicht, freier zu entscheiden, wie innerhalb eines Korridors von 30 bis 40 Stunden ihre persönliche Vollzeit aussieht; mit einem Rückkehrrecht auf die ursprüngliche Stundenzahl nach einer Phase der Teilzeit; mit einem Recht auf Homeoffice als Ergänzung zum festen Arbeitsplatz sowie mit einer Pflegezeit, die hilft, die Sorge für einen nahestehenden Menschen mit dem Beruf besser zu vereinbaren. Vor allem aber mit einer gezielten Förderung von Familien durch unser Konzept KinderZeit Plus. Die KinderZeit Plus löst das Elterngeld ab und macht es rechtlich möglich, auch nach dem ersten Geburtstag des Kindes phasenweise die Arbeitszeit zu reduzieren. Familien bekommen damit mehr Beweglichkeit.

Familien brauchen eine sie unterstützende Infrastruktur. Frauen und Männer können ihre Arbeit und ihr Leben mit Kindern nur dann gut verbinden, wenn es gute Betreuungsangebote gibt. Neben einem Rechtsanspruch auf eine ganztägige Kinderbetreuung gehört dazu ganz zentral der flächendeckende Ausbau von Ganztags schulen, mindestens aber ein Rechtsanspruch auf Hortbetreuung. Andernfalls brechen in vielen Familien alle Arrangements zur Verein barkeit von Familie und Beruf mit der Einschulung des Kindes weg. Zur Entlastung pflegender Angehöriger sollen ambulante Unterstützungsangebote flächendeckend ausgebaut werden. So ist ein selbstbestimmtes Leben in vertrauter Umgebung für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen möglich. Ältere Menschen haben viel beizutragen. Sie engagieren sich ehrenamtlich in Projekten. Sie tun das freiwillig, selbstbestimmt und mutig. Sie bauen Netzwerke auf und gründen Organisationen, mit denen sie wirkungsvoller handeln können.

[…]

Maßnahme: KinderZeit Plus – damit Eltern mehr für ihre Kinder da sein können

Eltern müssen vieles gleichzeitig schaffen: die Arbeit, den Haushalt, Zeit für die Kinder, die Freunde – und sie wollen möglichst auch ein wenig Zeit für sich selbst haben. Dabei ist es ihnen wichtig, Erwerbsarbeit und Kindererziehung partnerschaftlich untereinander aufzuteilen. Diese Ziele unterstützen wir durch unsere grüne Zeitpolitik: Mit der KinderZeit Plus lösen wir das Elterngeld ab. Denn es sind nicht nur die Kleinsten, die ihre Eltern brauchen. Die grüne KinderZeit Plus ermöglicht es, die Arbeitszeit für bestimmte Phasen zu reduzieren. Die KinderZeit Plus kann genommen werden, bis die Kinder 14 Jahre alt sind. Damit unterstützen wir Eltern auch nach dem ersten Geburtstag des Kindes. So bekommen auch Eltern mit geringem Einkommen mehr Spielraum, um sich Zeit für ihre schon etwas größeren Kinder zu nehmen. In der KinderZeit Plus erhält jeder Elternteil acht Monate finanzielle Unterstützung – weitere acht Monate können frei zwischen den Eltern aufgeteilt werden. Wir unterstützen Eltern insgesamt also zwei Jahre lang.

Die DMB-Einschätzung: Durch die KinderZeitPlus und die daraus entstehenden Ansprüche, wird die Personalplanung und -entwicklung bedeutend komplizierter. Die Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf kann sich langfristig aber positiv auf das Erwerbspersonenpotential auswirken. Auch die staatliche Unterstützung ist hier sinnvoll.

Wir kämpfen für gute Arbeit und bessere Vereinbarkeit

S. 216-221

Für die meisten Menschen ist Erwerbsarbeit ein ganz zentraler Teil ihres Lebens. Sie stecken Energie, Lebenszeit, Können und Kreativität in ihre Aufgaben. Bei guter Arbeit wissen sie sich gebraucht und finden Anerkennung bei Kolleg*innen, Mitarbeiter*innen und Vorgesetzten. Fast jede*r wünscht sich eine gute Arbeit, die finanziell absichert, erfüllt und Freude macht. Auch darin, nicht nur im Lohn, liegt die große Bedeutung der Erwerbsarbeit für unsere Gesellschaft. Und auch deshalb sind Arbeitslosigkeit und ungerechte Löhne großer Sprengstoff für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Heute sind in Deutschland mehr Menschen erwerbstätig denn je, in den letzten Jahren sind hunderttausende neue sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze entstanden und die Erwerbslosigkeit ist relativ gering. Ein Viertel der Beschäftigten befindet sich jedoch in kleinen Teilzeitjobs, Leiharbeit, Arbeit auf Abruf, Minijobs oder immer wieder in befristeten Jobs. Viele dieser Jobs sind unsicher, schlecht bezahlt, erschweren die Lebens- und Familienplanung und führen auf Dauer zu Armut im Alter. Nach wie vor sind Frauen am Arbeitsmarkt benachteiligt. Überlastung, Stress und Zeitnot führen zum Raubbau an der eigenen Gesundheit und Person. Das wollen wir ändern.

Unsere Arbeitswelt wandelt sich sehr stark durch globalisierte Unternehmen und digitalisierte Arbeitsplätze. Wir GRÜNE wollen diese Entwicklungen fair für alle gestalten. jede*r soll unter guten Bedingungen arbeiten können. Arbeitsplätze müssen alters- und alternsgerecht ausgestaltet werden. Soziale Berufe, in denen vor allem Frauen arbeiten, wollen wir aufwerten. Zudem sollen Frauen und Männer endlich gleichen Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit bekommen. Wir unterstützen eine partnerschaftliche Aufteilung von bezahlten und unbezahlten Aufgaben. Beide Partner*innen sollen wirtschaftlich unabhängig sein, damit sie selbstbestimmt leben können – auch im Alter.

Gute Arbeit statt prekärer Jobs

Arbeit muss gerecht bezahlt werden. Der allgemeine Mindestlohn ist ein Meilenstein dorthin. Er muss aber für alle Angestellten gelten. Eine Erhöhung des Mindestlohns begrüßen wir. Die Höhe des Mindestlohns sollte sich nicht nur an der Tarifentwicklung orientieren. Sie soll ermöglichen, von der Arbeit in Würde leben zu können. Der Schutz vor Lohndumping, fairer Wettbewerb und Beschäftigungssicherung müssen ebenfalls bei der Ermittlung der Höhe eine Rolle spielen. Auch sollte die Wissenschaft in der Mindestlohnkommission ein Stimmrecht bekommen. Außerdem brauchen wir mehr branchenspezifische Lohnuntergrenzen oberhalb des Mindestlohns, damit der unternehmerische Konkurrenzkampf nicht zulasten der Beschäftigten geht.

Durch die Digitalisierung unserer Gesellschaft und neue Geschäftsmodelle der Unternehmen arbeiten immer mehr Arbeit nehmer* innen auch an Sonn- und Feiertagen, oft ohne für den Verzicht auf arbeitsfreie Sonn- und Feiertage besonders entschädigt zu werden. Das wird dem hohen Wert des arbeitsfreien Sonn- und Feiertage nicht gerecht. Für einen gerechteren Ausgleich wollen wir einen verbindlichen Flexibilitätszuschlag für alle, die an Sonn- oder Feiertagen arbeiten müssen. Dieser soll im Rahmen der bestehenden Zuschlagsregelungen steuer- und sozialabgabenfrei sein.

Gute Arbeit braucht gute Arbeitsbedingungen, insbesondere in Bereichen, in denen Überlastung und prekäre Arbeit häufig vorkommen. Flexibilität ist gut – es muss aber auf die richtige Balance mit Blick auf die soziale Absicherung und die Mitsprachemöglichkeiten der Arbeitnehmer*innen geachtet werden. Leiharbeiter*innen sollen vom ersten Tag an mindestens die gleiche Entlohnung erhalten wie Stammbeschäftigte – plus Flexibilitätsprämie. Von Werk- oder Dienstverträgen muss die Leiharbeit klar abgegrenzt werden. Scheinselbständigkeit wollen wir mit rechtssicheren Kriterien unterbinden. Arbeit auf Abruf soll dann nicht mehr möglich sein, wenn die Tätigkeiten mit normalen Arbeitsverhältnissen erledigt werden können, etwa über die Nutzung von Arbeitszeitkonten. Ohne sachlichen Grund sollten Jobs nicht mehr befristet werden können. Gute Arbeit darf nicht krank machen. Wir werden den Arbeitsschutz stärken, damit er wirksam vor Stress, Burn-out, Mobbing und Entgrenzung der Arbeit schützt.

Immer weniger Jobs sind heute durch Tarifverträge abgedeckt. Das muss sich wieder ändern. Tarifverträge sollen leichter allgemein verbindlich gemacht werden können und für alle Betriebe einer Branche gelten. Wir brauchen starke Betriebsräte. Wir wollen sie besser schützen, ihre Mitbestimmungsrechte ausbauen und den Schwellenwert für die paritätische Unternehmensmitbestimmung auf 1.000 Beschäftigte absenken. Denn Partizipation und Demokratie sind auch im Wirtschaftsleben wichtig. Das soll ebenso für die Kirchen, einen der größten Arbeitgeber im Land gelten: Auch für ihre Beschäftigten wollen wir Koalitionsfreiheit und Streikrecht gewährleisten. Zudem halten wir die persönlichen Loyalitätspflichten von Mitarbeiter*innen bei kirchlichen Trägern außerhalb des religiösen Verkündigungsbereiches für unverhältnismäßig. Wir wollen deshalb die Rechte der kirchlichen Arbeitnehmer*innen stärken und Ausnahmeregelungen beschränken.

Minijobs scheinen eine gute Gelegenheit, etwas dazuzuverdienen. Aber sie haben zu keiner Zeit das Ziel erreicht, Brücken in reguläre Beschäftigung zu bauen. Stattdessen haben sie sich als berufliche Sackgasse und Armutsrisiko erwiesen, insbesondere für viele Frauen. Minijobs wollen wir deshalb in sozialversicherungspflichtige Jobs umwandeln und dafür sorgen, dass die Beiträge durch Steuern und Abgaben und soziale Leistungen so aufeinander abgestimmt werden, dass sich Erwerbsarbeit immer rechnet. Dabei darf die Belastung mit Steuern und Abgaben nicht sprunghaft steigen. So wird es attraktiver, mehr als geringfügig zu arbeiten.

[…]

Die DMB-Einschätzung: Durch die vorgeschlagenen Maßnahmen werden Instrumente der flexiblen Unternehmensplanung, die eine schnelle Anpassung an globale Anforderungen ermöglichen, verkompliziert oder abgeschafft. Zwar muss der Missbrauch dieser Instrumente verhindert werden, aber hiermit werden die Unternehmen und Beschäftigten bestraft, die z.B. Minijobs, Zeit- und Leiharbeit oder Werkverträge fair und mit Bedacht einsetzen.

Zeit für mehr


Bisher forderten vor allem die Arbeitgeber*innen Flexibilität von ihren Beschäftigten. Jetzt wird es Zeit, dass auch die Beschäftigten mehr Zeitsouveränität bekommen, um Arbeit, Privat- und Familienleben besser vereinbaren zu können. Dafür brauchen sie mehr Mitspracherecht über den Umfang, die Lage und den Ort ihrer Arbeit. Durch Wahlarbeitszeiten zwischen 30 und 40 Wochenstunden wollen wir Vollzeit neu definieren und zu einem flexiblen Arbeitszeitkorridor umgestalten. Damit können Frauen leichter als bisher ihre Beschäftigung ausweiten und Männer können in Teilzeit gehen, ohne Karriereeinschnitte fürchten zu müssen. Auch ein Rückkehrrecht auf die ursprüngliche Stundenzahl muss endlich kommen. Für Betriebsräte soll es möglich werden, Betriebsvereinbarungen zu Vereinbarkeitsfragen zu verhandeln. Zeitsouveränität darf nicht dazu führen, dass unbezahlte Mehrarbeit entsteht und die Grenzen von Arbeit und Freizeit immer mehr verschwimmen. Deshalb gehört ein zeitgemäßer Arbeitsschutz unbedingt dazu sowie ein wirksamer Beschäftigtendatenschutz. In den Unternehmen ist Kreativität gefragt, damit die Anforderungen der heutigen Arbeitswelt mit den Bedürfnissen der Beschäftigten besser in Einklang gebracht werden. Immer mehr Arbeitgeber*innen haben dies bereits erkannt, sich von überholten Mustern verabschiedet und innovative Konzepte für ihre Belegschaften entwickelt. Alle anderen wollen wir davon noch überzeugen.

Das Leben lässt sich nicht immer planen. Manchmal wird die Pflege der Mutter wichtiger als der Beruf, manchmal wird ein Kind krank. Wir wollen Menschen dabei unterstützen, das Verhältnis zwischen Arbeit und den Wechselfällen des Lebens neu auszubalancieren. Grüne Arbeitszeitpolitik will mehr Selbstbestimmung über die eigene (Arbeits-)Zeit ermöglichen. Wir wollen anerkennen und unterstützen, wenn jemand Verantwortung für andere übernimmt. Denn die Unterstützung und Pflege alter und kranker Menschen ist keine private Aufgabe. Sie ist gesellschaftlich wichtig und sie wird derzeit überwiegend von Frauen geleistet. Wer Pflegebedürftige unterstützt, für den schlagen wir eine dreimonatige PflegeZeit Plus mit Lohnersatzleistung vor. Sie soll sich am Einkommen orientieren, wie es beim Elterngeld der Fall ist.

[…]

Maßnahme: Flexible Vollzeit – Arbeitszeit freier gestalten

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer brauchen mehr Mitspracherechte über das Wieviel, Wann und Wo ihrer Erwerbstätigkeit. Auch die Führung in Teilzeit sollte für Frauen und Männer selbstverständlich möglich sein. Wir schlagen einen Vollzeit- Arbeitszeitkorridor im Bereich von 30 bis 40 Stunden vor. Innerhalb dieses Stundenkorridors sollen Beschäftigte ihren Arbeitszeitumfang frei bestimmen können. Um Beschäftigten wie Unternehmen Planungssicherheit zu geben, müssen dabei Ankündigungsfristen eingehalten werden. Nur dringende betriebliche Gründe sollen die Anpassung der Stundenzahl verhindern können. Der bestehende Rechtsanspruch auf Teilzeit soll um ein Rückkehrrecht auf den früheren Stundenumfang, um ein Recht auf Homeoffice als Ergänzung zum festen Arbeitsplatz, sofern dem keine wichtigen betrieblichen Belange entgegenstehen, und um eine Mitsprache bei der Lage der Arbeitszeit ergänzt werden.

[…]

Die DMB-Einschätzung: Ein Vollzeit-Arbeitszeitkorridor führt trotz Ankündigungsfristen zu überfordernder Komplexität bei der Personalplanung. Kleine und mittelständische Betriebe können diese komplexen Belastungen kaum stemmen. Hinzu kommen weitreichende Ansprüche, die eine zukunftsfeste Planung deutlich erschweren. Lediglich das grundsätzliche Ziel der Flexibilisierung ist sinnvoll. Die Belastung darf jedoch nicht einseitig ausfallen.

Wir holen Kinder aus der Armut und fördern Familien

Wir gestalten die Digitalisierung

S. 223-228

Gute Arbeit 4.0

Die digitale Arbeitswelt wird vernetzter, technischer und auch flexibler sein. Und wir wollen, dass sie auch humaner, familienfreundlicher und ökologischer wird. Mit der Digitalisierung verändern sich Arbeitsinhalte, Arbeitsplätze und Arbeitsstrukturen. Arbeit ist nicht mehr an Ort und Zeit gebunden. Deshalb fordern wir auch ein Recht auf Homeoffice als Ergänzung zum festen Arbeitsplatz und unter Berücksichtigung der betrieblichen Möglichkeiten. Das schafft Zeitsouveränität und Freiräume für mehr selbstbestimmtes Arbeiten.

Die Digitalisierung stellt uns aber auch vor neue Herausforderungen: permanente Erreichbarkeit, Mehrarbeit und umfassende Leistungskontrolle. Die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit, abhängiger und selbständiger Tätigkeit, zwischen Selbstbestimmung und Selbstausbeutung laufen Gefahr zu verschwimmen. Hier wollen wir Beschäftigte und Selbständige schützen. Deshalb werden wir den Arbeitsschutz an die digitale Arbeitswelt anpassen, betriebliche Mitbestimmungsrechte stärken und mit einem eigenständigen Beschäftigtendatenschutzgesetz vor umfassender Leistungskontrolle schützen. Solo-Selbständige und Kreative müssen zukünftig für alle Lebenslagen sozial abgesichert sein und sie müssen fair entlohnt werden. Deshalb wollen wir ein allgemeines Mindesthonorar als absolute Untergrenze für zeitbasierte Dienstleistungen einführen und gleichzeitig branchenspezifische Mindesthonorare für bestimmte Werke und Dienstleistungen ermöglichen, die gut zu den jeweiligen Branchen passen. Über Online-Platt formen vermittelte Arbeit und die Zahl der Clickworker*innen nehmen zu. Plattformen dürfen weder für Lohndumping noch als rechtsfreier Vertriebskanal missbraucht werden. Nur wenn die heutigen Sozial- und Arbeitsstandards weiterhin gelten, entstehen fairer Wettbewerb und gute Arbeitsbedingungen in der digitalen Arbeitswelt. Der digitale Wandel der Arbeitswelt hat bereits begonnen. Diesen Strukturwandel wollen wir positiv gestalten.

Durch die Digitalisierung werden neue Arbeitsplätze entstehen, aber manche Tätigkeiten werden auch automatisiert. Die ökologische Modernisierung ist dabei eine Chance, damit nicht nur für Programmierer* innen, sondern auch für Handwerker*innen und Facharbeiter* innen neue Jobs entstehen. Digitale Kompetenzen werden von zentraler Bedeutung sein. Deshalb fördern wir Weiterbildungen bereits im Job und nicht nur bei Arbeitslosigkeit (Kapitel: Wir kämpfen für gute Arbeit und bessere Vereinbarkeit, Projekt Arbeitsversicherung, S. 216). Digitalisierung und Automatisierung bieten aber auch die Chance der Reduzierung der Arbeitsbelastung, der Ermöglichung anderweitigen Engagements, zum Beispiel im Ehrenamt, oder der Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Hierfür sind jedoch eine aktive politische Gestaltung der Umbruchprozesse und das Stellen der richtigen arbeitspolitischen Weichen nötig.

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Die DMB-Einschätzung: Negativ zu bewerten ist die weitreichende Bürokratie in einem Bereich, der eigentlich mehr Flexibilität bringen soll. Hinzu kommen ausgeweitete Arbeitsschutz – und Mitbestimmungsrechte, die die Planbarkeit erschweren. Positiv hingegen ist die Weiterbildung für Handwerker und Facharbeiter, die insbesondere dem Mittelstand zugutekommt.

Quelle: Bündnis 90/Die Grünen, Programm zur Bundestagswahl 2017