03.09.2021Fachbeitrag

DMB-Wahlprogrammanalyse zur Bundestagswahl 2021

Wie mittelstandsfreundlich sind die Wahlprogramme der Parteien?

Wie mittelstandsfreundlich sind die Wahlprogramme der Parteien?

In gut drei Wochen ist es soweit, die Bundestagswahl findet statt. Oder auch: Die Richtungswahl für den Mittelstand in Zeiten der Pandemie. Der Deutsche Mittelstands-Bund (DMB) verrät, wie mittelstandsfreundlich die Wahlprogramme der Parteien wirklich sind!

  • Die FDP hat das mittelstandsfreundlichste Wahlprogramm
  • Die Partei Die Linke erreicht den niedrigsten Wert
  • Der DMB hat die sechs Wahlprogramme der Bundestagsparteien systematisch untersucht
  • In einer Inhaltsanalyse wurden die Parteiprogramme anhand 44 sogenannter „Positionsissues“ sowie 30 sogenannter „Valenzissues“ ausgewertet
  • Ziel der Analyse ist es, die Positionen von Parteiprogrammen auf einer Skala verorten zu können, die von einer geringen bis zu einer hohen Mittelstandsfreundlichkeit reicht
     

 

Am 26. September sind wieder Wahlen in Deutschland. Die diesjährige Bundestagswahl findet unter den Vorzeichen der Corona-Pandemie statt, die das soziale und wirtschaftliche Leben in den letzten eineinhalb Jahren maßgeblich bestimmt hat. Inmitten dieser historischen Krise endet die Ära Merkel, die nach 16 Jahren nicht mehr als Kanzlerkandidatin der Union ins Rennen geht und sich auch nicht mehr um einen Sitz im Bundestag bewirbt – eine besondere Situation und Wettbewerbsdynamik.

Deutschland steht in den nächsten Jahren vor großen ökonomischen, ökologischen und sozialen Herausforderungen. Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) – das Rückgrat unserer Wirtschaft – sind ein zentraler Faktor für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, für Wohlstand und Wachstum.

Doch die Wirtschafts- und Mittelstandspolitik steht vor einer doppelten Herausforderung: 

  • Fortan braucht es ein effektives, akutes Krisenmanagement und eine Politik, die beste Rahmenbedingungen für KMU setzt und ihnen in unsicheren Zeiten Planungssicherheit bietet. 
  • Die Politik muss langfristige Weichenstellungen schaffen, um den Strukturwandel hin zu einer digitalen Nachhaltigkeitswirtschaft unter den Bedingungen des demographischen Wandels zu gestalten.  

 

Ergebnisse im Überblick 

Mehr denn je müssen Parteien KMU in ihrem Politikangebot berücksichtigen. Der DMB hat die Wahlprogramme der Parteien systematisch ausgewertet: Wie mittelstandsfreundlich sind sie wirklich?

Die FDP hat das mittelstandsfreundlichste Wahlprogramm!

  • Die FDP hat das „mittelstandsfreundlichste“ Bundestagswahlprogramm und kann somit ihr Profil als wirtschaftsfreundliche Partei bestätigen.
  • Der Abstand von FDP zur zweitplatzierten CDU/CSU ist gering. Auf dem dritten Rang landen die Grünen. Nahezu gleichauf liegen in der Analyse die AfD und die SPD. Den „Schlussplatz“ belegt die Partei Die Linke.   
  • Zwischen den Wahlprogrammen liegen deutliche Unterschiede hinsichtlich der Mittelstandsfreundlichkeit. Insgesamt lässt sich keines der Programme als explizit „mittelstandsunfreundlich” bezeichnen (siehe methodische Hinweise).
  • Alle untersuchten Parteien wollen KMU und den Mittelstand in der nächsten Wahlperiode unterstützen.
  • Insgesamt wurden 44 politische Sachfragen sowie 30 Schlagworte in die Bewertung miteinbezogen. Zu einigen Sachfragen äußern sich die Parteien allerdings gar nicht oder beziehen keine klare Position in ihren Wahlprogrammen. Besonders auffällig war dies bei der AfD und der Partei Die Linke.

 

Wie wurde die DMB-Wahlprogrammanalyse durchgeführt?

Die Analyse baut auf der politikwissenschaftlichen Parteien- und Wahlprogrammforschung auf. So wurden die Wahlprogramme der sechs im Bundestag vertretenen Parteien anhand von 44 vordefinierten politischen Streitfragen – auch „Issues“ – analysiert. Bewertet wurden die Parteien in den Bereichen Mittelstandspolitik, Digitalisierung, Finanzen, Internationalisierung, Nachfolge und Gründen, Energiewende, Arbeit und Bildung sowie Bürokratie und Regulierung. Eine ausführliche Beschreibung der Durchführung sowie die statistischen Anhänge finden Sie im PDF-Dokument am Seitenende!

 

So schneiden die Parteien im Einzelnen ab

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Die FDP erreicht mit ihrem Wahlprogramm einen Wert von 0,73 – der höchstmögliche Wert liegt bei 1,0. Die Liberalen können unter anderem in den Themenbereichen “Digitalisierung” oder der “Finanz- und Steuerpolitik” mittelstandsfreundliche Politikinhalte setzen. Sie sehen beispielweise vor, den Solidaritätszuschlag komplett abzuschaffen und positionieren sich eindeutig gegen eine Vermögenssteuer. Zudem weisen die Liberalen im Themenbereich  “Nachfolge und Gründen” ausschließlich positive Bewertungen auf. So fordern sie in ihrem Wahlprogramm die Einrichtung einer eigenständigen Innovationsagentur. Ein weiterer Pluspunkt: Die FDP spricht sich als einzige Partei für ein Belastungsmoratorium für Unternehmen aus. Bei der Nennung von Schlagwörtern hebt sich die FDP besonders bei Begriffen wie „Mittelstand/mittelständisch“ von den anderen Parteien ab. Ebenso spielen Begriffe wie „Entlastung“, „Freihandel“, „Forschung“ oder „Bürokratieabbau“ eine wichtige Rolle.
 

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Die Unionsparteien erreichen einen Wert von 0,65. Positiv fällt auch hier der Politikbereich der Digitalisierung ins Gewicht, aber auch den Themenbereich “Nachfolge und Gründen” spielen CDU und CSU mittelstandsfreundlich aus, indem die Schwesterparteien beispielsweise für ein bürokratiefreies erstes Jahr für Start-Ups plädieren. Ein weiteres Beispiel ist die Deckelung von Lohnzusatzkosten. Betrachtet man ausschließlich die Nennung positiv konnotierter Schlagworte, so belegt die Union den ersten Platz. Hier fällt die häufige Nennung von “Europa” als Begriff auf, aber auch bei Begriffen wie „Innovation“, „(Neu-)Gründungen“ oder „Digitalisierung“ hat das Unionsprogramm die Nase vorn.
 

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Mit 0,4 Punkten landen die Grünen auf dem dritten Platz. Auch sie können im Themenbereich Digitalisierung punkten oder damit, dass sie die Ausweitung der steuerlichen Verlustrechnung fordern. Mittelstandsfreundlich ist auch die Förderung der Kreislaufwirtschaft oder die vereinfachte Fachkräftezuwanderung. Negativ ins Gewicht fällt bei Bündnis 90 / Die Grünen hingegen die Erhöhung von für KMU relevanten Steuern. In ihrem Programm sprechen die Grünen häufig von “Investition” oder “kleinen und mittleren Unternehmen”.
 

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Die AfD als größte Oppositionspartei im Bundestag kommt auf einen Wert von 0,26. Dies liegt größtenteils auch an dem Umstand, dass die Rechtspopulisten zu vielen für den Mittelstand bedeutsamen Sachfragen keine klare Position beziehen und deshalb vergleichsweise häufig den Wert 0 zugeordnet bekommen. Hierdurch fällt eine genaue Verortung des AfD-Wahlprogramms schwer. Mittelstandsfreundlich sind im AfD-Programm insbesondere Themen aus dem Bereich „Steuern und Finanzen“ – etwa die Forderung nach der Abschaffung des Solidaritätszuschlags, die Ablehnung einer Vermögenssteuer oder die Ablehnung der Erhöhung der Erbschafssteuer. Bei den mittelstandspolitischen Schlagwörtern liegt die AfD auf dem letzten Platz. So nennt die Partei beispielsweise kaum oder gar nicht die Begriffe „Digitalisierung“, „Innovation“, „Freihandel“ oder „Binnenmarkt“.
 

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Die Sozialdemokraten (SPD) belegen in der Wahlprogrammanalyse den fünften Rang. Sie erreichen einen Wert von 0,25. Als mittelstandsfreundlich kann die SPD insbesondere im Bereich der Energiewende beschrieben werden. Hier möchte die Partei unter anderem KMU beim nationalen Emissionshandel entlasten und eine Wasserstoff-Infrastruktur aufbauen. In ihrem Wahlprogramm nennt die SPD aber auch Inhalte, die sich negativ auf den Mittelstand auswirken können: die Erhöhung von relevanten Steuern, die Rentenversicherungspflicht für Selbstständige oder die Ausweitung betrieblicher Mitbestimmung auf KMU. Des Weiteren legt auch die SPD in ihrem Wahlprogramm einen Schwerpunkt auf „Europa“ oder nennt häufig die Begriffe „Förderung“ und „fördern“.
 

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    Die Partei Die Linke erreicht mit 0,06 sehr knapp einen positiven Wert. Die Linke macht sich in der Digitalpolitik stark. Allerdings fast ausschließlich dort. Im Gegensatz dazu stehen Forderungen im Bereich Arbeit und Bildung oder Bürokratie und Regulierung, die dem Mittelstand stark belasten würden. Zu vielen Issues bezieht aber auch die Linke oftmals keine eindeutige Position, wie beispielsweise im Themenbereich „Nachfolge und Gründen“. Bei der Nennung von Schlagwörtern äußert sich Die Linke vergleichsweise häufig zu „(Aus-) Bildung“ und „Forschung“.
     

    Weitere Beobachtungen

    Einzig Bündnis 90 / Die Grünen bezeichnen den Mittelstand in ihrem Wahlprogramm als Rückgrat der deutschen Wirtschaft; Alle Parteien wollen Themen wie E-Government und Cybersicherheit stärken. Die AfD äußert sich als einzige der im Bundestag vertretenen kritisch gegenüber dem Breitband-, Gigabit- und 5G-Ausbau. Recht häufig lassen sich inhaltliche Schnittmengen zwischen den Parteien finden. Beispielsweise zwischen den Partnern eines möglichen Jamaika-Bündnisses (Union, Grüne, FDP) oder den links orientierten Parteien (SPD, Grüne, Linke).

     

    Richtungswahl für den Mittelstand

    Die Bundestagswahl steht in diesem September unter ganz besonderen Vorzeichen. Selten zuvor ist es zutreffender gewesen, von einer Richtungswahl zu sprechen. Insbesondere aus Sicht des deutschen Mittelstandes.

    Die DMB-Wahlprogrammanalyse zeigt deutliche Unterschiede hinsichtlich der Mittelstandsfreundlichkeit der Parteiprogrammatiken auf. Inhaltliche Differenzen zwischen dem „bürgerlichen“ und dem „linken“ Lager sind dabei insbesondere in der Steuer-, Wirtschafts-sowie der Arbeits- und Sozialpolitik deutlich erkennbar.

    In der Gesamtschau verfügt die FDP über das „mittelstandsfreundlichste“ Programm. Eine hohe inhaltliche Schnittmenge zum Wahlprogramm der Union ist in vielen Themenbereichen zudem gegeben.

    Von den linksgerichteten Parteien haben Bündnis 90 / Die Grünen den höchsten Wert auf der Skala der Mittelstandsfreundlichkeit erzielt. Die SPD grenzt sich inhaltlich deutlich von ihrem jetzigen Koalitionspartner, den Unionsparteien, ab und schärft ihr arbeitnehmernahes Profil. Insbesondere die AfD und mit Abstrichen die Partei Die Linke äußern sich in vielen zentralen wirtschaftspolitischen Sachfragen nicht eindeutig und verbleiben somit inhaltlich weitestgehend profillos.

     

    Durchführung der DMB-Wahlprogrammanalyse

    Die Frage, was ein Wahlprogramm „mittelstandsfreundlich“ macht, lässt sich pauschal kaum beantworten und ist – zugegebenermaßen – eine subjektive Frage. Um einen möglichst vergleichbaren Rahmen zu schaffen, wurde bei der vorliegenden Analyse auf Erkenntnisse aus der politikwissenschaftlichen Parteien- und Wahlprogrammforschung zurückgegriffen.

    Die Bundestagswahlprogramme der derzeit sechs bzw. sieben (CDU und CSU treten mit einem gemeinsamen Wahlprogramm an) im Bundestag vertretenen Parteien wurden analysiert. Die Wahlprogramme wurden mit Hilfe quantitativer und qualitativer Analysemethoden anhand von 44 vom DMB vordefinierten „Issues“ untersucht. Issues sind politische Streitfragen, die eine klare Pro- und Contra-Positionierung der Parteien erkennen lassen – so zum Beispiel die Frage, ob es in der nächsten Bundesregierung ein eigenes für die Digitalisierung zuständiges Ministerium („Digitalministerium“) geben sollte.

    Vorab wurde definiert, ob eine Sachfrage aus Perspektive des Mittelstands positiv oder negativ zu bewerten ist. Dabei sind Einstellungen von DMB-Mitgliedern gegenüber einzelnen Fragen berücksichtigt worden. Ein Beispiel: Die Einführung einer Vermögenssteuer empfinden Unternehmerinnen und Unternehmer als negativ. Dementsprechend wurde Parteien, die eine Einführung dieser Steuer in ihrem Wahlprogramm befürworten, ein negativer numerischer Wert (-1) zugewiesen. Positionieren die Parteien sich nicht zu dieser Sachfrage, wird ein neutraler Wert (0) vergeben. Sprechen sich die Parteien gegen die Einführung der Vermögenssteuer aus, wird ein positiver Wert zugeordnet (1). Mit diesem Vorgehen lässt sich jeder Partei ein kumulierter numerischer Wert zuordnen, der auf einer Skala von „gering“ (-1) bis hoch (1) die „Mittelstandsfreundlichkeit“ der Parteien aufzeigt.

    Die 44 Sachfragen sind in den Themengebieten Mittelstandspolitik, Digitalisierungspolitik, Finanzen und Steuern, Internationalisierung und Außenwirtschaft, Nachfolge und Gründen, Energiewende, Arbeit und Bildung sowie Bürokratie und Regulierung verortet (s. methodischer Anhang).

    Diese Form der Analyse hat einige wichtige Einschränkungen, auf die kurz eingegangen werden sollte: Anders als beispielsweise der Wahl-O-Mat wird in der vorliegenden Analyse keine „Gewichtung“ auf einzelne Themen gelegt. Soll heißen: Für Wählerinnen und Wähler bzw. für Unternehmerinnen und Unternehmer sind einzelne Themen oft von besonders großer Bedeutung. So zum Beispiel Fragen zur Besteuerung. In der vorliegenden Analyse wurden alle Sachfragen jedoch gleich gewertet. Insofern kann das Ergebnis lediglich eine Tendenz über die Mittelstandsfreundlichkeit der Programme aufzeigen.

    Ferner kann es vorkommen, dass sich eine Partei in dem Wahlprogramm nicht explizit zu einer Sachfrage äußert, obwohl sich die Partei z.B. in einem Interview recht konkret positioniert hat. Erhoben wurden hier allerdings nur die tatsächlich im Wahlprogramm ermittelbaren Positionen. Unternehmerinnen und Unternehmer sollten sich daher auch die mittelstandspolitischen Wahlprüfsteine des DMB oder die Interviews mit den mittelstandspolitischen Sprechern der Bundestagsfraktionen zur Bundestagswahl anschauen.    

    Eine weitere Besonderheit liegt in der Erhebung von (relativen) Worthäufigkeiten: Einige für den Mittelstand relevante Themen bieten keine klare Pro- und Contra- Positionierung der Parteien. So würde sich keine der im Bundestag vertretenen Parteien gegen kleine und mittlere Unternehmen oder gegen die “Digitalisierung” aussprechen. Daher wurde die relative Häufigkeit von 30 zentralen Begriffen für den Mittelstand in den Wahlprogrammen ermittelt. Grundgedanke ist die Annahme, dass durch einen hohen sprachlichen Anteil eines Themas dieses von der Partei als besonders relevant wahrgenommen wird.

    Eine Partei, die besonders häufig den Begriff „Mittelstand“ oder „mittelständisch“ in ihrem Parteiprogramm verwendet, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit Wählerinnen und Wähler ansprechen wollen, die selbst ein Unternehmen führen oder in einem KMU beschäftigt sind.  Allerdings unterscheiden sich die Wahlprogramme der Parteien in ihrem Umfang deutlich. Mit circa 69.500 Wörtern hat die Linke das umfangreichste Wahlprogramm zur Bundestagswahl aufgestellt. Die SPD hat mit knapp 24.200 Wörtern im Vergleich das kürzeste Programm. Deshalb wurden die Begriffshäufigkeiten nicht in absoluten Zahlen ermittelt, sondern in Vergleich zur Gesamtwortanzahl des Wahlprogramms.Ein Beispiel: Der Begriff „Ausbildung“ wird im SPD-Wahlprogramm 23-mal verwendet, bei den Linken kommt der Begriff 70-mal vor. In absoluten Zahlen verwendet die Partei Die Linke den Begriff also deutlich häufiger. In relativer Worthäufigkeit liegen die beiden Parteien mit 0,00095 Prozent (SPD) und 0,00101 Prozent (Linke) allerdings nahezu gleich auf.

     

    Ausführliche Wahlprogrammanalyse zum Download! 

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