12.08.2021Interview

Interview mit Jessica Rosenthal, SDP

"Der Staat ist in der Pflicht, diese Transformation auch bei kleinen Unternehmen zu unterstützen!"

Um den Herausforderungen bei der Digitalisierung und der Energiewende gerecht zu werden, müssen frische Impulse aus der Politik gesetzt werden. Der DMB hat Jessica Rosenthal von der SPD gefragt, mit welchen neuen Ideen und Konzepten sie die Zukunft der KMU in Deutschland gestalten möchte.

Was ist Ihrer Meinung nach für eine zukunftsgerechte Gestaltung der deutschen Gesellschaft und Wirtschaft wichtig, damit auch die nächsten Generationen unbesorgt leben können?

Wir stehen vor großen Herausforderungen, für die wir jetzt zukunftsweisende Entscheidungen treffen müssen. Gerade die Klimakrise, das zeigt sich in diesem Jahr wieder deutlich, hat große Auswirkungen auf unsere Gesellschaft und damit auch auf unsere Wirtschaft. Damit auch die Industrie zukunftsfest werden kann, müssen wir jetzt umsteuern und die sozio-ökologische Transformation einleiten. Deutschland muss klimaneutral werden und dafür braucht es auf der einen Seite grüne Energie, aber auch Investitionen in Unternehmen, damit diese die Transformation stemmen können. Wir müssen Industriestandort bleiben, um auf der einen Seite gute Arbeitsplätze zu sichern und um auf der anderen Seite Innovator in klimaneutralen Lösungen sein zu können. Außerdem müssen wir mit einer umlagefinanzierten Ausbildungsplatzgarantie Unternehmen dazu bewegen und auch befähigen, die Fachkräfte von morgen auszubilden. Dabei müssen alle Unternehmen ihren Teil dazu beitragen, sei es durch Ausbildungsplätze oder durch Geld, das in einen Ausbildungsfonds fließt, sollten Unternehmen keine Ausbildungsplätze anbieten. Die Zukunft im Blick haben heißt auch, endlich den massiven Investitionsstau bekämpfen, der vielen jungen Menschen insbesondere in der Bildung Wege verbaut. Wir brauchen die besten Schulen in unserem Land aber auch schnelles Internet und fahrende Bus und Bahnlinien. Hierfür müssen wir investieren. Diese großen Herausforderungen können wir dann stemmen, wenn jede:r seinen/ihren Anteil leistet. Die immer größere Schere zwischen denen, die von ihrem Vermögen leben können und denen, die gar nichts haben muss geschlossen werden. Auch deshalb brauchen wir eine andere Steuerlastverteilung.

Welche politischen Positionen oder Entwicklungen der SPD aus der Vergangenheit sehen Sie kritisch? Wo muss mehr passieren?

Die Zusammenarbeit in der Großen Koalition hat die SPD zu manchen Kompromissen gezwungen, die nicht zufriedenstellend sind. Die Vorstöße in der Rentenpolitik waren ein Anfang, müssen aber noch deutlich ausgebaut werden. Denn auch hier steht gerade die junge Generation vor einer großen Zukunftsaufgabe, die vielen Sorge bereitet. Hier braucht es neben der Bekämpfung der Altersarmut, auch Konzepte die über 2025 hinausgehen, um auch der jungen Generation die Sicherheit zu geben, dass sie noch Rente bekommen. Außerdem kämpfen wir gegen Befristungen, vor allem gegen sachgrundlose, welche auch gerade für die junge Generation immer mehr zur Normalität werden, obwohl sie eigentlich eine Ausnahme bilden sollten. Arbeitsbedingungen sind insbesondere im Gesundheitssystem ein riesiges Problem. Daher brauchen wir hier eine vollständige Reform, die die Arbeitslast senkt und die Löhne spürbar erhöht. Eine solche weitreichende Reform ist mit der Union ebenso wenig zu machen, wie einen dringend notwendigen ökologischen Umbau der Industrie. Auch deshalb kämpfen wir für die SPD als stärkste Kraft und Bündnisse jenseits der Union. Gerade die junge Generation kann sich das Aussitzen unserer Zukunft einfach nicht leisten. Über bezahlbaren Wohnraum für junge Menschen in den Städten haben wir dann noch gar nicht gesprochen.

Die Staatsschulden wachsen in der Pandemie rasant. Wer zahlt die Zeche bzw. wie kann verhindert werden, dass künftige Generationen diese Schulden stemmen müssen?

Die Jusos stehen klar für eine Abkehr von der schwarzen Null. Für uns ist nämlich eine andere Perspektive von Bedeutung: Man kann nicht nur rote Zahlen vererbt bekommen, sondern auch marode Schulen, kaputte Straßen oder verwaiste Kommunen, weil in diese nichts mehr investiert wurde. Natürlich ist klar, dass die Pandemie enormer finanzieller Aufwendung benötigt hat. Diese waren aber dringend notwendig und haben unter anderem durch das Kurzarbeitsgeld und Soforthilfen viele Unternehmen und Arbeitsplätze gerettet. Es gab aber auch Unternehmen, die von der Krise stark profitiert haben. Dieses Geld kommt durch zum Beispiel durch Steuerflucht nicht in der Gesellschaft an. Und da wollen wir gerne ansetzen: Wir müssen endlich die Schere zwischen Arm und Reich wieder kleiner bekommen und alle fair besteuern durch Vermögens- und Erbschaftssteuer, so dass jede:r das leistet was sie oder er kann.  

Speziell kleine Unternehmen verfügen über wenig Spielraum für Investitionen, aber auch sie stehen vor enormen Herausforderungen. Wie können diese Unternehmen beim Transformationsprozess hin zu einer digitalen und grünen Wirtschaft wirkungsvoll unterstützt werden?

Die Transformation ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Sie ist unumgänglich für alle Unternehmen, aber dabei darf niemand im Stich gelassen werden. Hier ist auch der Staat in der Pflicht, diese Transformation auch bei kleinen Unternehmen zu unterstützen mit Hilfe von Investitionen. Dazu gehört auch, niedrigschwellige Zugänge zu Förderprogrammen gerade für kleine Unternehmen zu ermöglichen. Wir wollen außerdem das Handwerk stärken, denn hier entscheidet sich der Klimawandel auch vor Ort. Dafür muss das Handwerk finanziell entlastet werden und die Ausbildung von Fachkräften gestärkt werden, zum Beispiel durch das Wegfallen von Gebühren für Meister*innen- und Techniker*innen-Kurse. Die KfW-Bank soll außerdem zur Innovations- und Investitionsagentur umgebaut werden, um kleinere Unternehmen zu unterstützen. Dies alles soll im Rahmen von einer klaren Industriestrategie passieren, die im European Green New Deal eingebettet ist, um Ziele für alle definieren zu können.

Die deutsche Wirtschaft benötigt zukünftig sehr viel grüne Energie. Wie kann die Produktion von grüner Energie zügig und in hohem Maße ausgebaut werden?

Eine entscheidende Komponente ist, dass wir auf einen Mix setzen müssen. Es gibt eine große Bandbreite von grüner Energie, die wir nutzen können. Damit diese auch überall ankommt, dürfen wir keine Politik des Verbietens fahren, die zum Beispiel den Ausbau von Windkrafträdern durch zu hohe Auflagen blockiert. Außerdem müssen wir als Industriestandort daraufsetzen, dass Industrien, die die Produkte für grüne Energie liefern, nicht wie bei der Solarenergie ins Ausland verlagert werden, sondern auch europäisch und vor Ort erzeugt werden. Hinzu kommt, dass die Technologien rund um den Wasserstoff schneller entwickelt und ausgebaut werden müssen, damit dieser auch großflächig in Europa verfügbar gemacht werden kann. Unser Ziel ist es, Deutschland zum Leitmarkt der Wasserstofftechnologien zu machen. Um dies alles zu ermöglichen, sind ebenfalls von staatlicher Seite große Investitionen nötig, allerdings müssen natürlich auch Unternehmen ihren Anteil leisten.  Grundsätzlich sehen wir großes Innovationspotential in der Umstrukturierung der Energiewirtschaft und wollen mit Energiegenossenschaften und Bürger:innenstrom alle an diesem Wandel teilhaben lassen.

 

Vielen Dank für das Gespräch, Frau Rosenthal!

 

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