Interview mit Manfred Weber, CSU
Manfred Weber ist Spitzenkandidat der CSU für die Europawahl 2024. Der CSU-Politiker ist in Niederbayern verwurzelt und sitzt seit 2004 im Europäischen Parlament. Von seiner Wahl im Jahr 2014 bis heute füllt Manfred Weber das Amt des Fraktionsvorsitzenden der EVP-Fraktion. Zur Europawahl 2019 trat er außerdem als Spitzenkandidat der EVP an. Im DMB-Interview spricht er über die wirtschaftliche Zukunft der EU, die Hürden für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) und die Wege aus der vorherrschenden Krisenzeit.
Was sind Ihre Hauptforderungen und Maßnahmen zur Unterstützung der europäischen Wirtschaftspolitik, insbesondere im Hinblick auf KMUs? Welche Themen liegen Ihnen besonders am Herzen?
Unsere Unternehmen und unser Mittelstand sind das Rückgrat unserer Wirtschaft in Deutschland und ganz Europa. Sie sind der Motor für unseren wirtschaftlichen Erfolg und Wohlstand. Damit das so bleibt, brauchen sie die besten Rahmenbedingungen. In der Gesetzgebung werden wir daher einen Schwerpunkt auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit in der EU legen. Das heißt: den Mittelstand endlich in den Mittelpunkt der Wirtschaftspolitik rücken, Bürokratie begrenzen, Innovationshemmnisse abbauen. Wir setzen dabei auf eine Politik aus der bürgerlichen Mitte heraus und mit gesundem Menschenverstand - bürgerlich, pragmatisch und ambitioniert. Bestes Beispiel ist der Green Deal: Wir wollen den Green Deal zum Deal mit der Wirtschaft und den Menschen machen, nicht gegen sie. Wir schützen das Klima, aber sorgen auch dafür, dass der Klimaschutz nicht zum bürokratischen Albtraum wird.
Wie wollen Sie den Bürokratieabbau tatsächlich vorantreiben und die Rechtsetzung verbessern, um KMUs effektiv zu unterstützen und ihre Wettbewerbsfähigkeit zu stärken? Wie wollen Sie sicherstellen, dass die angekündigten Entlastungen tatsächlich umgesetzt werden?
Eins ist klar: Wir müssen unsere Industrie und unseren Mittelstand entlasten statt immer neu zu belasten. Dafür wollen wir Bürokratie konsequent abbauen, mit dem „1 in, 2 out“-Prinzip und einem Aktionsplan, der die bürokratischen Lasten in Europa um ein Drittel senkt. Wir werden in der neuen EU-Kommission einen Kommissar mit Veto-Recht mit zwei Aufgaben schaffen, die zusammengehören: Einsatz für unseren Mittelstand und Bürokratieabbau. Zudem wollen wir eine „Verfallsklausel“ einführen, um sicherzustellen, dass die EU-Gesetzgebung dem unternehmerischen Wachstum weiterhin förderlich ist. Auch wollen wir die Einführung verbindlicher KMU-Tests, sodass mögliche Auswirkungen auf unsere 25 Millionen KMUs in Europa in jedem Gesetzesvorschlag der Kommission auch zwingend berücksichtigt werden.
Die großen Herausforderungen für die europäische Wirtschaft und insbesondere für Unternehmen des Mittelstands betreffen vor allem die Energiewende, die aktuellen Energiekosten sowie die Digitalisierung.
a. Wie wollen Sie sicherstellen, dass die Energiewende in der EU vorangetrieben wird, ohne die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen zu beeinträchtigen? Welche konkreten Strategien und Initiativen strebt Ihre Partei dazu an?
Wir stehen zum Ziel der Klimaneutralität in Europa bis 2050. Erneuerbare Energie ist dabei ein zentraler Faktor für erfolgreichen Klimaschutz. Daher fördern wir alle Erneuerbaren Energien gleichwertig – sei es Photovoltaik, Windkraft, Geothermie, Wasserkraft, flüssige und feste Biomasse (z. B. Holz) – und schaffen gleiche Rahmenbedingungen. Auch muss die europäische Wasserstoffstrategie zügig umgesetzt werden. Für sichere und bezahlbare Energie müssen wir den Energiestandort Europa voranbringen und eine europäische Energieunion aufbauen.
b. Welche Maßnahmen sehen Sie vor, um die digitale Transformation in Europa voranzutreiben und sicherzustellen, dass KMUs wettbewerbsfähig bleiben und gleichermaßen von den Chancen der Digitalisierung profitieren können?
Die Digitalisierung der Industrie darf nicht verschlafen werden. Wir müssen die Digitalisierung global managen, aber gleichzeitig aufpassen, dass Europa nicht den Anschluss verliert, gerade bei Künstlicher Intelligenz und 5G. Der EU Data Act öffnet Datensilos und erleichtert grundsätzlich das Teilen nicht-personenbezogener Daten. Davon profitieren auch KMUs. Dies eröffnet Chancen für Innovation, Wachstum und Wertschöpfung in Europa. Hieran müssen wir anknüpfen.
Der Fachkräftemangel ist ein drängendes Thema von vielen Unternehmen in Deutschland. Welche Strategien bedarf es, um die Rekrutierung von Arbeits- und Fachkräften aus Drittstaaten zu verbessern und die Arbeitsmobilität innerhalb der EU zu fördern?
Wir setzen uns für eine europäische Lösung für den Fachkräftemangel ein. Die Arbeitnehmermobilität innerhalb Europas ist wichtig und muss dabei mit wirtschafts- und sozialpolitischen Maßnahmen flankiert werden.
Angesichts des schwindenden Anteils der EU an der globalen Wirtschaftsleistung, wie planen Sie, die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen zu stärken und den Einfluss der EU in der globalen Wirtschaft zu erhöhen?
Der EU-Binnenmarkt ist der Motor unseres wirtschaftlichen Erfolgs und Wohlstands. Klar ist aber: der Wirtschaftsstandort Europa muss wettbewerbsfähig bleiben und noch stärker werden, um im globalen Wettlauf bestehen zu können. Wir setzen dabei auf eine engere Zusammenarbeit mit gleichgesinnten Partnern in einer "Union der Demokratien". Wir müssen neue moderne Handelsabkommen schließen und einen neuen Anlauf für ein Freihandelsabkommen mit den USA starten.
Auch brauchen wir in Europa ein positives Klima für Innovationen und Fortschritt – und vor allem einen lebendigen Wettbewerb um die besten Ideen. Auch muss es uns gelingen, den Green Deal zum Katalysator für die Herstellung neuer Technologien in Europa zu machen.
Europa steht derzeit vor vielfältigen Herausforderungen, die den Zusammenhalt der EU-Staaten auf eine harte Probe stellen – so die Finanz- und Schuldenkrise, die Ukraine-Krise, die Flüchtlingsfrage, der Brexit – und nicht zuletzt der erstarkende Populismus. Wie steht es um die Zukunft Europas? Welche Wege führen langfristig aus der Krise?
Europa wird heute immer mehr herausgefordert. Wir sehen zunehmende Radikalisierungen im Innern und Bedrohungen von außen – siehe den verbrecherischen Angriff von Putin-Russland auf die Ukraine und die Instabilität im Nahen Osten. Umso wichtiger ist es, dass Europa ein Stabilitätsanker bleibt. Es geht heute, mehr als je zuvor, um die Sicherung von Frieden, Wohlstand, Zusammenhalt.
Doch trotz aller Krisen dürfen wir nicht vergessen: Wir leben heute im besten Europa, das wir je hatten. Wir können stolz sein auf unser Europa, seinen kulturellen Reichtum, seinen gesellschaftlichen Zusammenhalt, seine demokratische Erfolgsgeschichte – und ja – auch sein wirtschaftliches Erfolgsmodell. Das soll auch so bleiben. Dafür müssen wir uns gegen die vielfältigen Herausforderungen rüsten und jetzt die Weichen richtig stellen. Wir als CSU stehen dabei für ein Europa, bei dem wirtschaftlicher Wohlstand, Sicherheit und Zusammenhalt ganz oben auf der Agenda stehen.