21.07.2021Interview

Interview mit Victor Perli, Die LINKE

„Die LINKE fordert zusätzliche Fördergelder für Zukunftsinvestitionen kleinerer Betriebe in Verbindung mit Standort- und Beschäftigungsgarantien.“

Um den Herausforderungen bei der Digitalisierung und der Energiewende gerecht zu werden, müssen frische Impulse aus der Politik gesetzt werden. Der DMB hat Victor Perli von Die Linke gefragt, mit welchen neuen Ideen und Konzepten sie die Zukunft der KMU in Deutschland gestalten möchte.

Was ist Ihrer Meinung nach für eine zukunftsgerechte Gestaltung der deutschen Gesellschaft und Wirtschaft wichtig, damit auch die nächsten Generationen unbesorgt leben können?

Die Politik muss für einen starken und handlungsfähigen Staat sorgen, der in die Modernisierung der Infrastruktur, in technischen Fortschritt und in gut bezahlte Arbeitsplätze investiert. Dafür haben wir ein Zukunftsinvestitionsprogramm vorgelegt. Erstens muss der gigantische Investitionsstau – rund 450 Milliarden Euro laut Gewerkschaft und Industrieverband – aus den Regierungszeiten von CDU/CSU, SPD, Grünen und FDP abgebaut werden. Zweitens muss die ökologische Transformation sozial und wirtschaftlich abgesichert werden. Drittens muss die soziale Spaltung gestoppt werden. Auch in den Mittelschichten nehmen Abstiegsängste zu. Es braucht einen Sozialstaat, der vor Armut schützt und für gute Bildung, bezahlbare Wohnungen sowie lebenswerte Städte und Gemeinden sorgt.

Welche politischen Positionen oder Entwicklungen der Partei Die Linke aus der Vergangenheit sehen Sie kritisch? Wo muss mehr passieren und warum?

DIE LINKE hat sich 2007 gegründet, um den Sozialabbau zu stoppen und zu verhindern, dass Millionen Menschen Niedriglöhne und später Armutsrenten bekommen. Aber heute ist die Zahl derer, die sich Sorgen um ihre Zukunft machen noch größer geworden. Rund 8 Millionen Menschen arbeiten im Niedriglohnsektor, 15 Millionen sind von Armut betroffen, darunter 2,5 Millionen Kinder. Familien finden in vielen Regionen kaum noch bezahlbaren Wohnraum. Das sind Ergebnisse der Regierungspolitik anderer Parteien. Es bedeutet aber auch, dass DIE LINKE stärker und einflussreicher werden muss, um Verbesserungen durchzusetzen. Mit Blick auf die Wirtschaftspolitik muss deutlicher werden, dass wir Konzernmacht auch begrenzen möchten, um kleine und mittlere Betriebe zu stärken.

Die Staatsschulden wachsen in der Pandemie rasant. Wer zahlt die Zeche bzw. wie kann verhindert werden, dass künftige Generationen diese Schulden stemmen müssen?

Es war in der Pandemie richtig, Kredite aufzunehmen. Mit staatlichen Investitionen und Hilfen konnten Arbeitsplätze gesichert und viele kleine und mittelständische Unternehmen unterstützt werden. Was den Abbau der Kredite angeht, haben wir mit dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung ein Konzept für eine einmalige Vermögensabgabe durch Milliardäre und Multimillionäre erarbeitet. Damit könnten über 20 Jahre gestreckt alle Krisenkosten getilgt werden, ohne die unteren 99% der Bevölkerung zu belasten. Die Abgabe würde nur die reichsten 0,7% der Bevölkerung betreffen, die Hauptlast sogar nur die reichsten 0,1%. Für das Netto-Betriebsvermögen ist ein Freibetrag von 5 Millionen Euro vorgesehen, für Privatvermögen von 2 Millionen Euro pro Person. Eine Vermögensabgabe gab es auch unter Kanzler Adenauer (CDU). Ferner wollen wir mit einer Übergewinnsteuer auf außerordentliche Gewinne von Konzernen in der Krise die Wettbewerbsverzerrung korrigieren und das Kleingewerbe schützen. Das schlägt auch der Internationale Währungsfonds (IWF) vor.

Speziell kleine Unternehmen verfügen über wenig Spielraum für Investitionen, aber auch sie stehen vor enormen Herausforderungen. Wie können diese Unternehmen beim Transformationsprozess hin zu einer digitalen und grünen Wirtschaft wirkungsvoll unterstützt werden?

Vielerorts mangelt es an der notwendigen Infrastruktur. Damit es mit der Digitalisierung klappt, müssen die Glasfaser- und Funknetze schnell ausgebaut werden. Es war ein schwerer Fehler der Bundesregierung hier auf den Markt zu setzen, weil die Konzerne sich auf die renditeträchtigen Regionen konzentriert haben. Damit muss Schluss sein. In Ländern mit öffentlichen Netzen wie in Schweden ist man schon viel weiter. Wir wollen den Breitbandausbau mit 10 Milliarden Euro jährlich fördern.

Ein Transformationsfonds soll den notwendigen ökologischen Umbau in der Industrie, insbesondere in der Auto-Zuliefererindustrie, mit 20 Milliarden Euro pro Jahr unterstützen. Das ist ein wichtiger Beitrag um Arbeitsplätze, gute Löhne und flächendeckende Tarifverträge zu sichern. Die LINKE fordert zusätzliche Fördergelder für Zukunftsinvestitionen kleinerer Betriebe in Verbindung mit Standort- und Beschäftigungsgarantien.

Die deutsche Wirtschaft benötigt zukünftig sehr viel grüne Energie. Wie kann deren Produktion zügig und in hohem Maße ausgebaut werden?

Die Förderung erneuerbarer Energien soll im Wesentlichen über den Bundeshaushalt statt über die Ökostromumlage finanziert werden. Die Stromnetze müssen zurück in öffentliche Hand, damit Preise gesenkt und Überschüsse in den weiteren Ausbau investiert werden können. In dezentralen öffentlichen oder genossenschaftlichen Stromwerken kann ökologischer und bezahlbarer Strom am besten erreicht werden. Stadtwerke sind auch für den Mittelstand ein besserer Partner als große Energiekonzerne. 

Einige Prozesse werden ohne Wasserstoff als Energieträger nicht auskommen, dafür braucht es ein Investitionsprogramm hin zu einer klimaneutralen Stahl- und Grundstoffindustrie. Allerdings sollte der Einsatz auf grünen Wasserstoff beschränkt bleiben. 

Wo möglich, muss auch Energie gespart werden. Wir schlagen deshalb Standards für den maximalen Energieverbrauch von Produkten, Produktionsweisen und Gebäuden vor. Ein Energieeffizienzfonds soll den Umstieg auf eine effiziente Wirtschaftsweise unterstützen und sozial begleiten. 

 

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Perli!

 

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