"Ohne Mittelstand kein Wohlstand!"
Im Rahmen der Bundestagswahl beantwortet Reinhard Houben die Fragen des DMB: Wir wollten von ihm wissen, welchen Mittelstands-Kurs seine Partei in einer künftigen Regierung einschlagen will.
Bitte stellen Sie sich kurz vor und skizzieren Ihren Weg in die Mittelstandspolitik. Warum ist das Thema für Sie wichtig?
Als Geschäftsführer eines mittelständischen Familienbetriebs erfahre ich die Mittelstandspolitik seit knapp 40 Jahren am eigenen Leib. Die drängenden Probleme vieler kleiner und mittlerer Unternehmen kenne ich bereits aus der Zeit vor meinem Einzug in den Bundestag 2017. Insbesondere die Fragen, wie wir Unternehmensnachfolgen sicherstellen können oder qualifizierte Auszubildende motivieren und im Unternehmen binden können, sind zwei wichtige Richtungsfragen für den deutschen Mittelstand. Im Zentrum steht auch die Frage, wie wir den Mittelstand spürbar entlasten können. Wir Freie Demokraten machen uns seit jeher für eine Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Deutschland stark. Erste Schritte wären eine Absage an Steuererhöhungen, eine deutliche Senkung des Strompreises und der Abbau von unnötiger Bürokratie in der Verwaltung, beispielsweise durch eine Digitalisierung von Behördengängen.
Wie schätzen Sie den Stellenwert der Mittelstandspolitik in der eigenen Partei ein?
Wir Freie Demokraten haben den Anspruch an uns die politische Vertretung des Mittelstands zu sein. Das folgt allein schon aus dem hohen Anteil von Unternehmern und Selbstständigen sowohl unter unseren Mitgliedern, als auch in unserer derzeitigen Bundestagsfraktion. Die vergangenen Monate zeigten ganz deutlich, dass andere Parteien gerne und viel über kleine und mittelständische Unternehmen sprechen, aber wenn es konkret wird, ihre Interessen doch wieder vergessen, wie beispielsweise bei den sehr schleppenden Corona-Hilfen. Meine Fraktionskollegen und ich haben uns immer wieder rückgekoppelt und mit den Betroffenen gesprochen, um dann gegenüber der Bundesregierung den Finger in die Wunde legen zu können. Eine Wirtschaftspolitik, die den Mittelstand vergisst, verspielt langfristig unseren Wohlstand.
Wie bewerten Sie rückblickend die Mittelstandspolitik der 19. Legislaturperiode?
Die Mittelstandspolitik der vergangenen Jahre steht natürlich zunächst unter dem Vorzeichen der Pandemie. Die Corona-Hilfen haben – als sie dann endlich geflossen sind – die größte Not gelindert. Sie konnten aber dennoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die Bundesregierung in dieser Legislatur auf das Verwalten beschränkt hat. Nötige Investitionen und Weichenstellungen sind liegen geblieben. Chancen, den Standort Deutschland im internationalen Wettbewerb wieder voranzubringen, wurden verpasst. Dem Wirtschaftsminister fehlt eine Vision, wie die Rahmenbedingungen vor Ort verbessert werden könnten. Dabei liegen die Probleme seit Jahren auf der Hand: schleppender Ausbau der digitalen Infrastruktur, ein undurchdringbarer Verwaltungsdschungel, insbesondere bei den Förderprogrammen, und in vielen Bereichen wettbewerbshindernde Strukturen, die aufgebrochen werden müssen. Das gilt besonders für den ländlichen Raum als Sitz vieler Mittelständler, der den Anschluss nicht verlieren darf.
Welche mittelstandspolitischen Prioritäten würden Sie für die kommende Legislaturperiode setzen?
In den kommenden Jahren geht es um die wirtschaftliche Konsolidierung nach dem Corona-Tief und das Herauswachsen aus der Krise. Zunächst brauchen die Unternehmen Planungssicherheit. Seit dem vergangenen Jahr wissen wir, wie wertvoll eine Zusage, dass der Betrieb offenbleiben darf, ist. Damit einhergeht, dass wir den Unternehmen keine weiteren Lasten aufbürden. Sowohl Steuererhöhungen als auch neue bürokratiereiche Protokollpflichten, wie durch das Lieferkettengesetz, sind in dieser Stunde nicht geboten. Es ist an der Zeit, den Mittelstand von seinen Fesseln zu lösen. Wir wollen durch eine „one in, two out“-Regelung den Wust an bürokratischen Belastungen sukzessiv abbauen. Anstatt unternehmerisches Handeln durch neue Steuern zu sanktionieren, wollen wir z.B. Investitionen in Forschung und Entwicklung steuerlich fördern und die Bedingungen für Abschreibungen verbessern.
Stellen wir uns vor, die FDP ist in an einer künftigen Regierung beteiligt. Welche Maßnahme sollte als aller Erstes umgesetzt werden, um KMU zu entlasten?
Das größte aktuelle Hindernis ist die fehlende Planungssicherheit aufgrund der Pandemie. Ein Szenario, wie im letzten Jahr als viele mittelständische Betriebe stillstanden, gilt es zu verhindern. Ebenso braucht es für die Linderung akuter finanzieller Härtefälle schnelle und unbürokratische Hilfsprogramme, wie einen erweiterten Verlustrücktrag. Hinzu kommt, dass das angesparte Kapital der Unternehmen meist für die Abfederung der Folgen des Lockdowns aufgewendet wurde. Wir Freie Demokraten sind überzeugt, dass dem Mittelstand in dieser Lage mehr geholfen ist, wenn wir ihn entlasten statt weiter belasten. Wir wollen die Unternehmensbelastung auf den OECD-Durchschnitt von 25% senken, um den Unternehmen wieder mehr Möglichkeiten für Investitionen zu bieten. Wir wollen durch jeden Euro Entlastung durch den Staat, zwei Euro an privaten Investitionen mobilisieren. Dieser Investitionspakt hilft uns mit der vorhandenen Innovationskraft und dem Weltklasse Know-How aus der Krise herauszuwachsen.
Bleiben wir in diesem Gedankenspiel. Die deutsche Förderlandschaft ist für KMU unübersichtlich, die Antragsstellung oft kompliziert. Wollen Sie hier Veränderungen vornehmen? Und welche Förderprogramme bzw. -schwerpunkte halten Sie für besonders wichtig?
Die deutsche Förderlandschaft muss reformiert werden. Insbesondere für KMU übersteigt der Bürokratie- und Zeitaufwand oft den zu erwartenden Ertrag durch die Förderung. Wir wollen daher die Verwaltung digitalisieren und Behörden zu One-Stop-Shops machen. Eine Antragsstellung soll ohne einen Blätterberg einfach und schnell möglich sein. Der Fokus der Förderung sollte auf der Wirtschaft 4.0 liegen. Die unzähligen Möglichkeiten von Vernetzung, KI und Internet der Dinge bieten auch für den Mittelstand enormes Potential. Wichtig ist hierbei die Unterstützung bei der anfänglichen Umstellung, die zumeist kostenintensiver ist als die Unterhaltung. Indem wir diese Transformation begleiten und die innovativen Ingenieure und Fachkräfte im Mittelstand bei ihrer Forschung unterstützen, stärken wir nicht nur unsere Spitzenposition in den technologieaffinen Branchen, sondern leisten auch einen Beitrag zur Zukunftsfähigkeit des gesamten Mittelstands.
Die Zukunftsfähigkeit des Mittelstandes ist eng mit dem Innovations- und Digitalisierungsniveau von Unternehmen verknüpft. Wie können KMU zielgerichtet dabei unterstützt werden?
Neben den angesprochenen Förderprogrammen, wollen wir Reallabore (so genannte Sandboxes) schaffen, in denen die Entwicklung neuer innovativer Technologien nicht durch starre Regularien ausgebremst wird. Zudem wollen wir eine Vernetzung in Clustern und den Wissensaustausch voranbringen, um Best Practices besser herausarbeiten zu können. Indem wir den Ausbau der digitalen Infrastruktur vorantreiben und die KMU durch zugeschnittene Beratung und finanzielle Förder-Anreize bei der Umstellung unterstützen, gelingt die digitale Transformation auch für kleine und mittelständische Unternehmen. Außerdem wollen wir die Möglichkeiten für Weiterbildungen der Mitarbeiter beispielsweise durch die Einführung eines Midlife-Bafögs und der Exzellenzinitiative Berufliche Bildung verbessern.
Unternehmertum muss für junge Menschen attraktiver werden. Wie können Gründungswillige besser gefördert werden?
Der Grundstein fürs Gründen wird in der Schule gelegt. Deswegen wollen wir mit dem Digitalpakt 2.0 massiv in die Ausrüstung der Klassenzimmer investieren und bundesweit die Fächer Wirtschaft und Informatik einführen, um junge Menschen für das Gründen zu begeistern. Steht dann einmal die eigene Geschäftsidee, sollten Gründer nicht noch mit unnötiger Bürokratie aufgehalten werden. Wir wollen die Behörden in One-Stop-Shops umbauen und so die Unternehmensanmeldung in 24 Stunden ermöglichen. Daneben wollen wir Modellregionen einrichten, in denen Start-ups in einem bürokratiefreien ersten Jahr ungestört wachsen können. Damit sich die Gründerinnen und Gründer auf ihr Geschäft konzentrieren können, wollen wir ein Gründerstipendium einsetzen und zusätzlich die Rahmenbedingungen für die Akquirierung von Wagniskapital massiv verbessern. Deutschland muss zur Gründerrepublik werden.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Houben!