05.02.2010Fachbeitrag

Arbeitsrechtkommentar:
Sinn und Notwendigkeit von arbeitsrechtlichen Einfühlungsverhältnissen und deren rechtssichere Gestaltung

In der Praxis ist immer wieder zu beobachten, dass Arbeitgeber im Rahmen von Einstellungen potentielle Kandidaten für einen zu besetzenden Arbeitsplatz vor der Entscheidungstreffung gerne probeweise einen Tag im Betrieb arbeiten lassen, um zu erkennen, ob der Bewerber in das Betriebsklima hineinpasst und um zu prüfen, ob ein künftiges „arbeitsrechtliches Miteinander“ denkbar erscheint. Wird ein solches Probearbeiten vom Arbeitgeber unbedarft vereinbart und durchgeführt, so läuft er Gefahr, sich bereits hierdurch zahlreicher Verpflichtungen zu unterwerfen, die von ihm niemals beabsichtigt waren und entweder überhaupt nicht oder in vollständig anderer rechtlicher Form hätten begründet werden sollen.

Der vorliegende Artikel versucht zum einen kurz die Gefahren darzustellen, die sich für Arbeitgeber bereits bei kürzestem Einsatz des Bewerbers zur Probearbeit ergeben, insbesondere, wenn mit diesem ein befristeter Arbeitsvertrag geschlossen werden soll und zum anderen rechtliche Möglichkeiten darstellen, die es dem Arbeitgeber erlauben, seinem Interesse, den Bewerber zunächst unter realen Arbeitsbedingungen zu beobachten, nachzukommen, ohne bereits hierdurch weitreichende Verpflichtungen einzugehen oder sich spätere Gestaltungsmöglichkeiten des Arbeitsverhältnisses zu verbauen bzw. zunichte zu machen.

I. Einführung

Betriebliche Notwendigkeit

Wie bereits oben angedeutet, besteht sowohl für Arbeitnehmer, als auch für Arbeitgeber, in der betrieblichen Praxis ein Interesse daran, sich vorab ohne Begründung jeglicher Rechte und Pflichten näher kennenzulernen und zu prüfen, ob ein künftiges Miteinander denkbar erscheint. Diesem Bedürfnis kann in der Regel im Rahmen der Bewerbungsphase und des Vorstellungsgespräches, selbst für den Fall, dass eine anschließende Betriebsbesichtigung durchgeführt wird, nicht Genüge getan werden. Für seine Entscheidung, ob mit dem Arbeitnehmer ein Arbeitsverhältnis zustande kommen soll, wünscht der Arbeitgeber oft den Bewerber im betrieblichen Alltag näher kennenzulernen. Das Bedürfnis des näher Kennenlernens besteht oftmals, bevor der Arbeitgeber sich entschieden hat, in welcher Höhe er den Arbeitnehmer entlohnen will, so dass er eine schriftliche Fixierung des Arbeitsvertrages erst nach seiner Entscheidung, ob er den Bewerber einstellen wird oder nicht, vornehmen will. Dies bringt jedoch erhebliche Gefahren mit sich, die im Folgenden kurz dargestellt werden.

II. Spezielle Probleme in der Kennenlernphase, in der der Arbeitgeber noch kein Arbeitsverhältnis begründen will

Die Relevanz der Problematik wird deutlich durch ein Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 23.02.2005, Az.: 3 Ca 970/04, in dem das Gericht bereits ein befristetes Arbeitsverhältnis für einen Tag auf Probe bejaht hat, obwohl der Bewerber lediglich für die Dauer von 4,30 Stunden zur Probe im Betrieb eingesetzt wurde. Da zu diesem Zeitpunkt noch kein schriftlicher Arbeitsvertrag geschlossen war, hat das Gericht die Befristung aufgrund der Vorschriften des Teilzeitbefristungsgesetzes als unwirksam angesehen und damit ein ungekündigtes, unbefristetes Arbeitsverhältnis angenommen. Zwar war in diesem Fall die Wartezeit nach § 1 Absatz 1 KSchG aufgrund der nicht überlangen Verfahrensdauer in I. Instanz noch nicht überschritten, so dass der Arbeitnehmer noch nicht den speziellen Kündigungsschutz des Kündigungsschutzgesetzes genoss, doch kam es zu erheblichen Ansprüchen aus Annahmeverzugsgesichtspunkten. Darüber hinaus muss in solch einem Fall neben der Dauer der ggf. erforderlichen Betriebsanhörung auch die Kündigungsfrist gemäß § 622 Absatz 1 BGB in Höhe von zwei Wochen eingehalten werden, was zu weiteren finanziellen Belastungen führt.

Die in diesem Urteil verdeutlichte Konsequenz ist also, dass es bereits bei einem Probearbeitstag, der ja lediglich zur Überprüfung statfinden soll, ob der Bewerber zukünftig beschäftigt werden soll, bereits zu einem unbefristeten Arbeitsverhältnis kommen kann. Vereinbart der Arbeitgeber solch einen Probetag unbedarft, beraubt sich der Arbeitgeber zum einen der Möglichkeit, einen befristeten Arbeitsvertrag ohne Sachgrund zu vereinbaren, da ihm diese Möglichkeit gemäß § 14 Absatz 2 Satz 2 TzBfG abgeschnitten ist, da ja mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis eingegangen wurde. Um diese meist nicht gewünschte Rechtsfolge zu vermeiden, stehen dem Arbeitgeber folgende zwei Möglichkeiten zu Verfügung:

Er kann entweder mit dem Arbeitnehmer ein auf den Probearbeitstag befristetes Arbeitsverhältnis vereinbaren und schriftlich vor Beginn der Beschäftigung fixieren oder er vereinbart mit dem Arbeitnehmer ein so genanntes Einfühlungsverhältnis.

III. Abgrenzung
Probearbeitsverhältnis/arbeitsrechtliches
Einfühlungsverhältnis


(1) Probearbeitsverhältnis

Im Probearbeitsverhältnis findet das Kündigungsschutzgesetz mangels Erfüllung der Wartezeit nach § 1 Absatz 1 KSchG keine Anwendung und es gilt eine lediglich zweiwöchige Kündigungsfrist einzuhalten. Dem Arbeitgeber soll die Möglichkeit gegeben werden, den Vertragspartner und die Arbeitsstelle auf längerfristige Zusammenarbeit zu prüfen. Probearbeitsverhältnisse sind in der Regel bis zu einem Zeitraum von sechs Monaten zulässig. Will man den Arbeitnehmer zunächst nur für einen oder zwei Probearbeitstage beschäftigen, ist hier die Möglichkeit einer Befristung auf ein oder zwei Tage gegeben. Nachteil eines solchen befristeten Probearbeitsverhältnisses ist, dass zum einen bereits alle arbeitsvertraglichen Parameter wie Gehaltshöhe, Urlaubsdauer, Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld geregelt sein müssen, wenn man auch im Anschluss eine weitere Befristung vereinbaren will und nicht nach Ablauf der Probearbeitstage für den Fall, dass man den Arbeitnehmer weiterbeschäftigen will, in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übergehen will. Zum anderen ist eine sachgrundlose Verlängerung der Befristung für eine Gesamtdauer von zwei Jahren höchstens dreimal zulässig, so dass man allein für den Probearbeitstag bereits diese Verlängerung einmal in Anspruch nehmen müsste, so dass einem später nur noch zweimal die Möglichkeit der Verlängerung zur Verfügung steht.

(2) Arbeitsrechtliches Einfühlungsverhältnis

Im Gegensatz zum Probearbeitsverhältnis stellt das arbeitsrechtliche Einfühlungsverhältnis kein Arbeitsverhältnis dar, so dass zum einen arbeitsvertragliche Bedingungen erst später ausgehandelt werden können und zum anderen keine Besonderheiten bei der Befristung beachtet werden müssen. Auch ist das Einfühlungsverhältnis jederzeit kündbar, ohne das hier die Kündigungsfristen des § 622 BGB, die beim Arbeitsverhältnis zu beachten sind, eingehalten werden müssen.

Zwar ist anzuführen, dass das arbeitsrechtliche Einfühlungsverhältnis keinerlei gesetzliche Konkretisierung erfahren hat und hierzu auch keine höchstrichterliche Rechtsprechung existiert. Gegenstand und Grenzen von Einfühlungsverhältnissen bleiben somit für die Beteiligten unklar. Dies gilt insbesondere für die Frage, ob sich aus einem Einfühlungsverhältnis ein Anspruch auf Zahlung eines Entgelts ergibt und ab wann die Grenze zum Arbeitsverhältnis als überschritten gelten muss. Aus diesem Grund wurde oftmals in der Praxis von der Begründung von Einfühlungsverhältnissen abgeraten.

Es ist in der Tat Fakt, dass bei der Begründung von arbeitsrechtlichen Einführungsverhältnissen zahlreiche Aspekte zu beachten sind, insbesondere hinsichtlich der fraglichen Behauptungen zu dem Bereich der Unfallversicherung. Werden diese Aspekte jedoch beachtet und eingehalten und wird eine entsprechende schriftliche Vereinbarung getroffen, kann die teilweise begründete „Berührungsangst“ gegenüber arbeitsrechtlichen Einfühlungsverhältnissen seitens des Arbeitgebers minimiert werden. Im Hinblick auf die Vorteile, die ein ordnungsgemäß vereinbartes und durchgeführtes Einfühlungsverhältnis bietet, kann die Wahl des Einfühlungsverhältnisses oftmals anzuraten sein. Im Folgenden werden daher die Voraussetzungen und die Grenzen der arbeitsrechtlichen Einfühlungsverhältnisse näher dargestellt.

IV. Arbeitsrechtliche Einfühlungsverhältnisse

1. Grundsätzliche Zulässigkeit

Zwar besteht eine Entscheidung des Arbeitsgerichts Mannheims aus dem Jahre 1953, in dem dieses arbeitsrechtliche Einfühlungsverhältnis grundsätzlich für unzulässig erklärte wurde. Erst kürzlich hat aber das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein in seiner Entscheidung vom 17.03.2005, Az.: 4 Sa 11/05 entschieden, dass es grundsätzlich denkbar sei, auf der Grundlage der Vertragsfreiheit zu einer Vereinbarung zu gelangen, wonach sich ein potentieller zukünftiger Arbeitnehmer im Betrieb aufhält, ohne dafür eine Gegenleistung zu erhalten. Auch die Bundesregierung hat auf Anfrage der Fraktion „Die Linke“ ausdrücklich klar gestellt, dass sie Einfühlungsverhältnisse auf dem Arbeitsmarkt unter bestimmten Voraussetzungen für zulässig halte. Weiterhin wurden in den neueren Entscheidungen des Landesgerichts Baden-Württemberg vom 25.04.2007, Az.: 13 Sa 129/05 und des Landesgerichts Sachsen vom 05.03.2004, Az.: 2 Sa 83/02, die Vereinbarung eines so genannten Einfühlungsverhältnisses ohne Vergütungsanspruch und ohne Arbeitspflicht des potentiellen Arbeitnehmers kraft Vertragsfreiheit grundsätzlich als zulässig erachtet.

2. Voraussetzungen für die Zulässigkeit eines Einfühlungsverhältnisses

  • 1. a) Konkret in Aussicht gestelltes Arbeits- bzw. Berufsausbildungsverhältnis Grundsätzliche Voraussetzung für die Annahme eines Einfühlungsverhältnisses dürfte zunächst ein dem potentiellen Arbeitnehmer bereits konkret in Aussicht gestelltes Arbeits- oder Berufsausbildungsverhältnis sein. Konkret in Aussicht gestellt ist ein solches Arbeitsverhältnis dann, wenn ein endgültiger Arbeitsvertragschluss für beide Parteien ernsthaft in Frage kommt und lediglich noch von den während der Einfühlungsphase gewonnen Eindrücken abhängig gemacht werden soll.
  • 2. b) Ausschluss einer Arbeitspflicht und eines Weisungsrechtes Wichtigster Aspekt der rechtlichen Einordnung der Beschäftigung des Probanden als Einfühlungsverhältnis ist, dass dem Bewerber keine Arbeitspflichten zukommen und er in keinster Weise dem Direktions- und Weisungsrecht des potentiellen Arbeitgebers untersteht. Denn im Rahmen des Einfühlungsverhältnisses wird der Bewerber lediglich in den Betrieb aufgenommen, um die Frage zu klären, ob der Bewerber in den Betrieb integriert werden kann und ob die zu verrichtenden Arbeiten seinen Vorstellungen entsprechen. Einzige Ausnahme, in der ein Weisungsrecht ausgeübt werden darf, ist die Ausübung des entsprechenden Hausrechts des potentiellen Arbeitgebers, dem der Bewerber auch während einer Einfühlungsphase voll umfänglich untersteht.
  • 3. c) Zeitliche GrenzenSowohl in der Rechtsprechung, als auch in der Literatur, herrscht Einigkeit darüber, dass das arbeitsrechtliche Einfühlungsverhältnis zur Vermeidung der Umgehung eines zwingenden Arbeitsrechts den zeitlichen Grenzen unterliegt. Hinsichtlich der maximal möglichen Dauer gehen die Ansichten zwar auseinander, da einigen Ansichten eine mögliche Dauer auf wenige Tage begrenzen wollen, andere Ansichten im Einzelfall auch wenige Wochen als zulässig erachten. Überwiegend wird jedoch ein Zeitraum von einer Woche als noch zulässig erachtet. Die Absolvierung eines oder zweier Probetage ist demnach nach allen Ansichten unproblematisch im Einfühlungsverhältnis zulässig. In der betrieblichen Praxis empfiehlt es sich demnach letztlich zur Vermeidung von Risiken einen Zeitraum von einer Woche keinesfalls zu überschreiten.
  • 4. d) Erfordernis einer Schriftform?Grundsätzlich bedarf es keiner Schriftform des Einfühlungsverhältnisses. Sollte später die Frage strittig sein, ob ein Einfühlungsverhältnis vorliegt oder ob ein Arbeitsverhältnis vereinbart wurde, ist anzumerken, dass grundsätzlich jede Partei das Vorliegen der Tatbestandsmerkmale der eher günstigen Norm vorzutragen und ggf. zu beweisen hat, so dass grundsätzlich der Bewerber darlegen und beweisen muss, ob ein Arbeitsverhältnis vereinbart wurde. Dennoch ist es dringendst anzuraten, schriftlich zu fixieren, dass gerade kein Arbeitsverhältnis begründet werden soll, sondern lediglich ein Einfühlungsverhältnis stattfindet um im Streitfalle dem Vortrag des Bewerbers entgegentreten zu können.

 

V. Weitere, beim Einfühlungsverhältnis zu beachtende Regelungspunkte

(1) Unfallversicherung

Von besonderer Bedeutung und im Bewusstsein vieler Betroffener unrichtig verankert, ist der Umstand, dass Personen, die sich im Rahmen eines Einfühlungsverhältnisses in dem jeweiligen Betrieb aufhalten, in der Regel nicht von der gesetzlichen Unfallversicherung erfasst sind. Sie bedürfen jedoch anderweitiger Absicherung, da sie trotz des Umstandes, dass keine Arbeitsleistung erbracht wird, in den meisten Fällen dennoch mit den betrieblichen Gefahren in ähnlichem Maße in Berührung kommen. In der schriftlichen Vereinbarung sollte der potentielle Arbeitgeber darauf achten, den potentiellen Arbeitnehmer auf diesen Umstand hinzuweisen, damit sich dieser ggf. um eine anderweitige Absicherung bemühen kann.

(2) Auswirkungen des AGG auf das Einfühlungsverhältnis

§ 12 Absatz 1 AGG verpflichtet den Arbeitgeber, konkrete, geeignete Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten vor Benachteiligung eines in § 1 AGG genannten Grundes durch Arbeitskollegen oder Dritte zu treffen. § 1 AGG verbietet Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität. Es ist davon auszugehen, dass der potentielle Arbeitnehmer im Rahmen eines Einfühlungsverhältnisses unter den in § 12 Absatz 1 AGG genannten Personenkreis Dritter gehört, so dass der potentielle Arbeitgeber präventive Maßnahmen treffen sollte und den potentiellen Arbeitnehmer von vornherein über seine Pflichten aufklären sollte, nicht gegen Benachteiligungsverbote, die im einzelnen aufgeführt werden sollten, zu verstoßen und ihn über etwaige Konsequenzen aufzuklären.

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