05.12.2022Interview

"Bieten unseren Mitarbeitern so viel Flexibilität wie möglich"

Arbeitnehmer achten bei der Wahl ihres Arbeitsplatzes heute zunehmend darauf, ob auch die Möglichkeit besteht, von Zuhause aus zu arbeiten.

DMB-Mitglied Benny Hahn bietet mit seinem Unternehmen provantis IT Solutions GmbH vielfältige Lösungen zur Erfassung von Arbeits- und Projektzeiten an. Im Interview mit dem DMB spricht er darüber, was Bewerber heutzutage von einem attraktiven Arbeitgeber erwarten und welche Auswirkungen das im September verkündete Urteil des Bundesgerichtshofes (BAG) zur Arbeitszeiterfassung für sein eigenes Unternehmen hat.

Herr Hahn, bitte stellen Sie uns Ihr Unternehmen kurz vor.

Die provantis IT Solutions GmbH wurde im Jahr 2000 gegründet. Seit mittlerweile 22 Jahren entwickeln wir Software für verschiedene Anforderungen im Bereich der Arbeits- und Projektzeiterfassung mit unserer Lösung ZEP im Mittelpunkt. Heute konzentriert sich ZEP auf drei Hauptproduktlinien. Von der kleinen Produktlinie ZEP Clock, dem reinen Ein- und Ausstempeln der Mitarbeiter verbunden mit nützlichen Zusatzfunktionen, bis hin zur sehr komplexen Projektzeiterfassung für Dienstleistungen mit ZEP Compact oder ZEP Professional, decken wir alles ab. Wir haben derzeit über 1.300 Kunden, mit einer stark steigenden Tendenz aufgrund der aktuellen Marktbedingungen. Unser Firmensitz befindet sich in Ditzingen in der Nähe von Stuttgart. Hier ist auch der Großteil unserer Mitarbeiter ansässig, wobei wir das Team dieses Jahr deutschlandweit stark vergrößert haben und es auch stetig weiter ausbauen werden.

Welche Anforderungen stellen Fachkräfte heute an ihren Arbeitgeber und Arbeitsplatz?

Da wir uns gerade intensiv damit beschäftigen, unser Team auszubauen, führen wir regelmäßig Bewerbungsgespräche. In diesen Gesprächen nennen Kandidaten häufig den Wunsch nach mehr Flexibilität bei ihrer Arbeit. Als Software-Unternehmen kommen wir aus einer Branche, deren Fachkräftemangel in den Medien stark thematisiert wird. Wir schreiben unsere Stellen deutschlandweit aus und bieten eine hohe Flexibilität hinsichtlich des Arbeitsortes. Es melden sich viele Bewerber, die von ihrem jetzigen Arbeitgeber wieder dazu verpflichtet wurden, mindestens einen oder zwei Tage pro Woche ins Büro zu kommen. Wenn nach zwei Jahren Arbeit aus dem Homeoffice während der Corona-Pandemie diese Flexibilität nun wieder eingeschränkt wird, ist das momentan scheinbar für viele Bewerber ein Hauptgrund für ihre Wechselabsichten.

Wie gehen Sie mit flexiblen Arbeitsmodellen um?

Wir versuchen, unseren Mitarbeitern so viel Flexibilität wie möglich zu bieten, sowohl hinsichtlich des Arbeitsortes als auch der Arbeitszeit. Dies machen wir bislang aber nicht an konkreten Rahmenbedingungen fest, sondern an den Gegebenheiten des Berufes und unseres Unternehmens. Wenn also zum Beispiel ein Mitarbeiter spontan zuhause sein muss oder kurzfristig ein privater Termin ansteht, hat er die volle Flexibilität, sich dafür Zeit zu nehmen. Davon ausgenommen sind regelmäßige Termine und Team-Meetings. Auch im Vertrieb und im Kundensupport müssen wir sicherstellen, dass zu gewissen Kernarbeitszeiten jemand erreichbar und vor Ort ist. Die Flexibilität muss also trotzdem noch mit dem Tagesgeschäft vereinbar sein.

Wo und wann gearbeitet wird, bringen also vor allem die Natur des Berufes und auch die persönlichen Vorlieben der einzelnen Kollegen mit sich. Während manch einer die Arbeitszeit und auch den Arbeitsort frei wählen möchte und – aus persönlichen Gründen – auch kann, ist der direkte Kontakt vor Ort und eine gewisse Kernarbeitszeit für andere Kollegen gewünscht und hilfreich. Diese verschiedenen Facetten versuchen wir Schritt für Schritt miteinander zu vereinen. Der Trend zeigt jedoch, dass es für mehr und mehr Personen nicht mehr wegzudenken ist, fast vollständig remote zu arbeiten. Deswegen sind auch mehr und mehr unserer Beschäftigten in ganz Deutschland verteilt.

Was macht einen attraktiven Arbeitgeber aus und was tun Sie, um für Fachkräfte noch attraktiver zu werden?

Bei der Suche nach neuen Mitarbeitern waren wir in diesem Jahr zum Glück recht erfolgreich, allen Studien zum Fachkräftemangel im IT-Bereich zum Trotz. Ich glaube, da sind die bereits angesprochenen Punkte miteinander verflochten. Während wir unseren Beschäftigten Flexibilität bieten, gibt es immer noch zu viele Arbeitgeber, die dies nicht tun. Dies sorgt dafür, dass Fachkräfte ihre Stelle wechseln wollen. Daneben werden uns in Bewerbungsgesprächen viele weitere Wünsche entgegengebracht, die wir auch bestmöglich zu erfüllen versuchen. Da wäre zum Beispiel der Wunsch, trotz einer weitreichenden Remote-Kultur einen persönlichen Draht zu den Kollegen zu haben und sehr nahbar miteinander umzugehen. Das fällt in der virtuellen Welt manchmal schwer. Zusätzlich gehört zur Attraktivität des Arbeitsplatzes aber immer auch der Punkt der guten Vertragskonditionen. Wenn Gehalt, Urlaubstage und Zusatzzahlungen wie beispielsweise Weihnachts- oder Urlaubsgeld nicht kompetitiv sind, kann man dies auch mit vielen anderen Faktoren nicht wettmachen. Ich denke, dass wir auch hier gut aufgestellt sind. Wir haben Mitarbeiter, die teils seit vielen Jahren bei uns arbeiten und das zeigt uns, dass wir da in den letzten Jahren etwas richtig machen und hoffentlich auch so beibehalten.

Ein wichtiger Punkt sind auch unsere flachen Hierarchien. Wir haben den Vorteil, dass unser Team noch überschaubar strukturiert ist und sich daher alle persönlich kennen. Dadurch sind intern die Wege kurz, was alle sehr schätzen. Ein zweiter wichtiger Punkt ist unsere Schnelligkeit im Bewerbungsprozess. Nach einem Gespräch geben wir unseren Bewerbern in der Regel noch am gleichen Tag eine Rückmeldung. Wenn wir eine Bewerbung erhalten, melden wir uns üblicherweise innerhalb von 48 Stunden bei den Bewerbern. Denn wenn sich ein Bewerber gleichzeitig im Auswahlprozess bei einem großen Konzern befindet, wo er wochen- oder sogar monatelang auf eine Antwort wartet, weiß er unseren Bewerbungsprozess umso mehr zu schätzen.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit seinem Urteil im September bestätigt, dass Arbeitgeber dazu verpflichtet sind, die Arbeitszeit ihrer Beschäftigten zu erfassen. Welche Auswirkungen erwarten Sie dadurch auf ihr eigenes Geschäftsmodell und damit verbundene Wachstumschancen?

Unsere eigenen Arbeitsabläufe im Sinne unserer Zeiterfassung beeinflusst das Urteil kaum, da wir unsere Produkte selbst einsetzen. Seit jeher haben wir mit unseren Mitarbeitern eine klare Stundenanzahl vereinbart. Darüber hinaus gilt eine Überstundenregelung, durch die Überstunden – wie gesetzlich vorgeschrieben – abgefeiert werden können. In der Softwarebranche ist es allerdings teilweise an der Tagesordnung, auf Vertrauensarbeitszeit zu setzen und Mitarbeiter an ihrer Leistung und nicht mehr an ihrer Arbeitszeit zu messen. Ein heiß diskutiertes Thema mit vielen Vor- und Nachteilen. Netflix ist ja ein berühmtes Beispiel: Hier können die Mitarbeiter grundsätzlich so viel arbeiten, wie sie möchten. Am Ende ist aber in solchen Unternehmenskulturen auch so viel zu tun, dass auf jeden Fall mehr gearbeitet wird. Leider kommt es dadurch nicht zu der erhofften Win-Win-Situation. Wir beobachten den Markt aber sehr interessiert und wägen ab, welche Neuerungen zu unserem Unternehmen passen könnten.

Auf unser Tagesgeschäft hat das Urteil des BAG allerdings einen riesigen Einfluss. Die Aufmerksamkeit der Kunden für unsere Produkte ist extrem gestiegen. Es gibt eine sehr hohe Nachfrage nach unserer kleinen Produktlinie ZEP Clock durch Kleinstbetriebe, aber auch Unternehmen mit mehreren hundert oder tausend Mitarbeitern, die jetzt gerade durch die mediale Präsenz des Gerichtsurteils wieder auf das Thema aufmerksam geworden sind und die Arbeitszeiterfassung bisher vielleicht eher halbherzig oder mit einem Stundenzettel auf Papier oder einer Excel-Tabelle gelöst haben. Unmittelbar nach dem Urteil mussten wir schauen, wie wir diese hohe Nachfrage bedienen konnten. Seitdem steigt die Nachfrage immer mal wieder in Wellen von ein paar Tagen an, insgesamt verzeichnen wir aber gerade in dieser einen Produktlinie starkes Wachstum. Interessenten sind Gastronomen, das produzierende Gewerbe, eigentlich die volle Bandbreite an Branchen des deutschen Mittelstands. Unsere anderen Produktlinien ZEP Compact und ZEP Professional richten sich eher an Kunden, die ausschließlich in Projekten arbeiten, also z. B. Unternehmensberatungen, Anwaltskanzleien, Agenturen oder Ingenieurbüros. Diese Akteure mussten auch vorher schon immer ihre Zeiten erfassen, um sie ihren Kunden in Rechnung stellen zu können. Bei diesen Produktlinien nehmen wir daher auch keinen ähnlich starken Anstieg der Nachfrage durch das Urteil wahr.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Hahn!

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