19.11.2024Position

Ein Jahr FEG – Zwischenbilanz und Handlungsbedarf

Ein Jahr Fachkräfteeinwanderungsgesetz (FEG) – Zwischenbilanz und Handlungsbedarf

„Die Einführung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes (FEG) war ein wichtiger Schritt – doch bürokratische und digitale Hürden zeigen, dass Nachbesserungen dringend nötig sind.“

Vor einem Jahr ist das reformierte Fachkräfteeinwanderungsgesetz in Kraft getreten – die erste Bilanz der Bundesagentur für Arbeit zeigt positive Impulse. Die Zahl der Beratungen für internationale Fachkräfte ist auf 233.000 gestiegen, was das zunehmende Interesse an Deutschland als Arbeitsstandort widerspiegelt. Insgesamt wurden rund 200.000 Visa zu Erwerbszwecken erteilt, was einem Anstieg zum Vorjahr von über 10% entspricht. Damit stellt das FEG einen wichtigen Schritt zur Bekämpfung des Fachkräftemangels und zur Erleichterung der Arbeitsmigration dar.

Hervorzuheben sind besonders folgende Elemente des Gesetzes:

Blaue Karte EU: Durch die Anpassung der Zugangsvoraussetzungen können neben Akademikern auch Personen mit einem vergleichbaren Qualifikationsniveau einen Aufenthaltstitel erhalten.

Flexibilität beim Zielberuf: Die Beschäftigung ist nicht an eine bestimmte Berufsausbildung oder einen bestimmten Hochschulabschluss gebunden, es kann jede qualifizierte Beschäftigung ausgeübt werden.

Anerkennungspartnerschaft: Fachkräfte können bereits ihre Arbeit aufnehmen und parallel das Verfahren zur Anerkennung ihrer Qualifikation starten, was die Abläufe für Fachkräfte vereinfacht.

Chancenkarte: seit Juni 2024 erleichtert sie den Zugang für qualifizierte Arbeitskräfte aus dem Ausland.

Westbalkanregelung: Verdopplung des Kontingents von 25.000 auf 50.000 Plätze.

Wie lässt sich die Bilanz aus Sicht des DMB bewerten?

Deutschland wird für Fachkräfte attraktiver, doch Herausforderungen bleiben: Die Prozesse sind oft komplex, bürokratisch und wenig digitalisiert. Das FEG ist ein positiver Schritt, der allerdings noch nicht ausreicht, um Deutschland als Standort im internationalen Wettbewerb voll zu etablieren. Für eine nachhaltige und erfolgreiche Integration internationaler Fachkräfte ist eine umfassendere Reform der bürokratischen und digitalen Strukturen erforderlich.

Ebenso entscheidend ist eine verbesserte Willkommenskultur, die internationale Fachkräfte nicht nur bei der Ankunft unterstützt, sondern auch langfristig dabei hilft, sich in Deutschland zu integrieren und wohlzufühlen.

Die langen Wartezeiten bei der Vergabe von Visa und der Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse müssen zudem deutlich verkürzt werden. Auch die Überlastung der Ausländerbehörden erfordert entschlossenes Handeln, um eine effiziente Fachkräfteeinwanderung zu gewährleisten. Vor allem kleine und mittlere Unternehmen (KMU), die besonders stark vom Fachkräftemangel betroffen sind, benötigen hierbei eine gezielte Unterstützung.

Um dem Fachkräftemangel langfristig und nachhaltig zu begegnen, schlagen wir folgende Maßnahmen vor:

  1. Potenziale heben:
    • Die Ansätze der Bundesregierung, inländische Potenziale zu stärken, sind als zentral zu betrachten. Insbesondere die Förderung der Erwerbsbeteiligung von Frauen und Älteren sowie die Stärkung der Aus- und Weiterbildung sind wichtige Stellschrauben.
    • Um Frauen besser in den Arbeitsmarkt zu integrieren und Eltern generell die Vereinbarkeit zwischen Beruf und Familie zu ermöglichen, sollte es eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten geben.
    • Durch die Schaffung von Anreizen, Weiterbildungen sowie einer flexibleren Gestaltung der Arbeitszeiten können auch ältere Menschen länger im Berufsleben gehalten werden.
    • Dennoch muss klar sein: Es braucht eine qualifizierte Zuwanderung, um eine nachhaltige Lösung des Fachkräftemangels zu erreichen.
  2. Umsetzung verbessern:
    • Die bürokratischen Hürden und die zeitintensive Anerkennung ausländischer Qualifikationen stehen den Zielen des FEG noch im Weg. Insbesondere reglementierte Berufe wie im Gesundheits- oder Bildungsbereich müssen schneller und transparenter anerkannt werden können.
    • Digitale Prozesse müssen konsequent ausgebaut werden, um Arbeitgebern und Fachkräften den Zugang zu erleichtern. Eine konsequente Digitalisierung des gesamten Einwanderungsverfahrens ist deshalb dringend notwendig.
    • Es braucht eine echte Willkommenskultur, die eine nachhaltige Integration von Fachkräften ermöglicht. Dazu gehört neben der gesamtgesellschaftlichen Aufgabe der Integration auch eine verbesserte Sprachförderung sowie Unterstützung bei der Wohnungssuche.
  3. Gezielte Unterstützung für den Mittelstand:
    • Der Mittelstand ist besonders auf unbürokratische und effiziente Verfahren angewiesen, um dringend benötigte Fachkräfte zu gewinnen. Die Einführung der Chancenkarte und die Entfristung der Westbalkanregelung bieten hier Perspektiven, müssen aber durch praxistaugliche Prozesse ergänzt werden.
    • Es bedarf einer zentralen Anlaufstelle für Anerkennungs- und Visa-Verfahren. So könnte der Prozess der Fachkräftegewinnung für Unternehmen erheblich erleichtert werden.
    • Auch sollten sich bestehende Förderprogramme stärker auf die Bedürfnisse von kleinen und mittleren Unternehmen fokussieren.

Unser Appell

Es bedarf Nachbesserungen in der praktischen Umsetzung des FEG. Eine effizientere Digitalisierung und eine deutliche Vereinfachung der Anerkennungsverfahren sind essenziell, um den Mittelstand im Wettbewerb um Fachkräfte zu stärken. Gleichzeitig muss die Regierung weiterhin darauf hinarbeiten, inländische Potenziale auszuschöpfen und Beschäftigungsbarrieren abzubauen.

Gemeinsam können wir es schaffen, Deutschland zu einem attraktiven Standort für Fachkräfte aus aller Welt zu machen – ein Ziel, das nicht nur dem Mittelstand, sondern der gesamten Gesellschaft zugutekommt.

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