08.10.2018Fachbeitrag

EuGH stärkt Handelsvertreter

Abfindung auch bei Kündigung während der Probezeit

Bei der Beendigung von Vertragsbeziehungen zwischen Unternehmern und Handelsvertretern sind Auseinandersetzungen regelmäßig vorprogrammiert. Meist geht es um den Ausgleichsanspruch, der dem Handelsvertreter nach Vertragsbeendigung grundsätzlich dann zustehen kann, wenn er die Kündigung nicht zu vertreten hat und der Unternehmer aus den vom Handelsvertreter vermittelten Vertragsbeziehungen weiterhin wirtschaftliche Vorteile erzielt.

Oft liegen die Vorstellungen der Parteien über die Höhe der Abfindung, die dem Handelsvertreter auf Grund der europäischen Handelsvertreter-Richtlinie zwingend und unabdingbar zusteht, weit auseinander. Neben der Vielfalt der Anspruchsvoraussetzungen liegt das Dilemma auch in der Berechnung des Anspruchs, für die es keine gesetzliche Regelung gibt und die unter Beachtung von wenig praktikablen Billigkeitserwägungen zu erfolgen hat. Denn im Rahmen einer solchen Billigkeitskontrolle sind alle, das Handelsvertreterverhältnis betreffende Umstände zu bewerten und zu prüfen, ob die Zahlung der Abfindung im konkreten Einzelfall gerecht oder angemessen erscheint.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH)  hatte in einem durch den französischen Gerichtshof vorgelegten Fall über die vorgelagerte Frage zu entscheiden, ob der Ausgleichsanspruch bei einer Kündigung während der Probezeit überhaupt zur Entstehung gelangen kann.

Was bedeutet das Urteil des Europäischen Gerichtshofs?    

Der EuGH hat mit Urteil vom 19.04.2018 (C-645/16) entschieden, dass Handelsvertretern der Anspruch auf Ausgleich und auf Ersatz des erlittenen Schadens auch dann zusteht, wenn die Beendigung des Handelsvertretervertrags durch den Unternehmer während der Probezeit erfolgt. Der EuGH hält zunächst fest, dass die in der Richtlinie nicht geregelte Vereinbarung einer Probezeit unter die Vertragsfreiheit falle und nach der Richtlinie nicht per se verboten sei. Da der wesentliche Grundgedanke des Ausgleichsanspruchs allerdings nicht die Sanktion für eine Vertragsauflösung darstelle, sondern den Handelsvertreter für die von ihm erbrachten Leistungen entschädigen solle, müsse dieser Anspruch auch bei Beendigung des Handelsvertretervertrags während der Probezeit gewährt werden.

Folgen für die Rechtslage in Deutschland

Wenngleich das Urteil des EuGH einen französischen Sachverhalt betraf, gilt diese Entscheidung auch für Verträge, die dem deutschen Recht unterliegen. Ausgleichsansprüche des Handelsvertreters können folglich nicht durch die Vereinbarung einer Probezeit umgangen werden. Insoweit sorgt die Entscheidung für Rechtssicherheit. Es bleibt daher bei dem Grundsatz, dass ein Ausgleichsanspruch nur dann ausgeschlossen ist, wenn die Kündigung durch den Handelsvertreter selbst erfolgt (vorbehaltlich einiger gesetzlich geregelter Ausnahmen) oder auf schuldhaftes Verhalten des Handelsvertreters zurückzuführen ist. Möglich bleibt lediglich ein Ausschluss oder eine Beschränkung des Anspruches nach Vertragsende. Hierbei ist allerdings darauf zu achten, dass ein solcher Verzicht nicht im Rahmen einer Aufhebungsvereinbarung erfolgt, in der ein Ende des Vertrags erst zu einem späteren Datum geregelt wird. Denn dann wäre der Verzicht während der Vertragslaufzeit erfolgt und damit unwirksam.

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