13.04.2023Interview

No-Gos in der Krisenkommunikation

No-Gos in der Krisenkommunikation: Dr. Ulrike Rausch-Rieß erklärt, was Sie vermeiden sollten.

Jeder kennt sie: Krisen in der Kommunikation sind allgegenwärtig. Und dennoch gibt es ein paar Dinge, die immer wieder falsch laufen. Welche No-Gos Sie unbedingt vermeiden sollten, erklärt uns Kommunikationsexpertin Frau Dr. Ulrike Rausch-Rieß, Inhaberin der Agentur Dreiklang GmbH aus Nürnberg und bereits seit über 25 Jahren im Geschäftsfeld Kommunikation tätig.

 

Frau Dr. Rausch-Rieß, gibt es Ihrer Erfahrung nach ein absolutes No-Go, wenn es um Krisenkommunikation geht?

Dr. Rausch-Rieß: Ja auf jeden Fall. Ich bin der Meinung, dass Unehrlichkeit das Schlimmste ist, was man in der Kommunikation tun kann. Das gilt auch für die ganz „normalen“ Informationen, die Unternehmen senden. Wer lügt oder beschönigt, wird irgendwann damit auffliegen. Denn noch nie war es so leicht an Informationen und Daten zu gelangen wie heute. Und schon immer gab es Mitarbeitende, die Geheimnisse auffliegen lassen (heute spricht man gemeinhin von leaken). Wer also die Unwahrheit sagt, wird auf kurze oder lange Sicht enttarnt. Deshalb sollte man dies nie tun – erst recht nicht in einer Krise, bei der das Unternehmen bereits scharf in der Kritik der öffentlichen Meinung steht!

Oh das klingt spannend. Wenn man also nicht lügen darf, was halten Sie dann von der Vogel-Strauß-Methode? Kann man in einer Krise einfach den Kopf in den Sand stecken?

Nein auf gar keinen Fall (lacht). Das ist zwar nicht so schlimm wie falsche Aussagen zu treffen, aber immer noch weit entfernt von guter Krisenkommunikation. Auch wenn ich den Ansatz durchaus nachvollziehen kann sich vor dem Sturm einfach zu verstecken, hilft es doch der Reputation des Unternehmens nichts. Der Sturm tobt ja trotzdem, um in dem Bild zu bleiben. Wer glaubt, nur weil man sich zu einem Sachverhalt nicht äußert, wird nicht über einen gesprochen, der irrt. Wer keine Stellung bezieht, über den wird spekuliert und dennoch gesprochen. Wir kennen das alle ja nur zu gut auch im Privatleben. Deshalb mein absoluter Tipp: Bitte halten Sie dem Sturm stand und verlassen Sie nicht das Steuer. Dann können Sie den Kurs immer noch selbst mitbestimmen!

Wie reagiert man denn auf eine Krise angemessen?

Zu allererst müssen Sie sich über das Problem klar werden und daraus eine sinnvolle und nachhaltige Kommunikationsstrategie ableiten. Wichtig ist: Vermeiden Sie unbedingt Kopflosigkeit und überstürztes Handeln! Denn es gibt nichts Schlimmeres, als einen Geschäftsführer oder eine Geschäftsführerin oder einen anderen Vertreter oder eine Vertreterin aus dem Unternehmen, der ohne Absprache und ohne Wissen über die komplette Tragweite der Krise etwas gegenüber der Presse oder via Twitter gesagt hat, das sich im Nachgang nicht mehr geraderücken lässt. Auch wenn man es gut nachvollziehen kann, dass man sich unter Beschuss wehren möchte, ist es manchmal schlauer erstmal die Kritik richtig zu erfassen, um dann konstruktiv eine durchdachte Antwort zu geben. Gerade im Bereich von juristischen Krisen kann man so bares Geld sparen!

Da sprechen Sie ein wichtiges Thema an, denn für viele Unternehmen ist eine Krise nicht nur für die Reputation schädlich, sie kann auch wirtschaftlich schwere Folgen haben. Wer spricht denn eigentlich mit den Kritikern und vor allem wie?

Wichtig ist, dass das Unternehmen nach außen hin geschlossen auftritt und denselben Argumenten folgt, egal welche Machtkämpfe oder Rivalitäten intern herrschen! Auch Konkurrenzgerangel ist hier vollkommen fehl am Platz. Natürlich kann man sich auch mit guter Krisenkommunikation intern profilieren, aber während der Krise ist es wichtig, das Wohl der Firma im Auge zu behalten und nicht nur sein eigenes Vorankommen. Man muss als Team auftreten. Deswegen braucht es eine gemeinsame Strategie und Argumentation, um das No-Go, widersprüchliche Statements, unbedingt zu vermeiden! Denn zwei oder gar mehr Vertreter oder Vertreterinnen, die unterschiedliche Dinge erzählen, damit macht man sich als Unternehmen einfach unglaubwürdig. Und auch die andere Richtung ist schwierig: Wenn zu viele Köche den Brei verderben, brennt bei gar keinem Koch das Essen ganz schnell an! Wenn sich im Unternehmen gar niemand zuständig fühlt ist ein souveräner Weg durch die Krise kaum möglich.

Frau Dr. Rausch-Rieß, wie wichtig ist es heutzutage für Unternehmen zu wissen, wie die unterschiedlichen Medien funktionieren. Kann man sich heute bewusst einfach „aus den Medien raushalten“ oder geht das gar nicht mehr?

Die Medienlandschaft in Deutschland ist heute so divers wie noch nie. Neben den klassischen Medienhäusern, die tief in der Identitätskrise stecken sowie den öffentlich-rechtlichen Informationssendern, gibt es so viele weitere Wege, auf denen sich Informationen verbreiten. Ein Beispiel sind Blogs, auf denen quasi JEDER einfach Informationen veröffentlichen kann. Dann gibt es Soziale Netzwerke, über die sich Nachrichten super schnell verbreiten lassen und bei denen oft gar nicht mehr geprüft werden kann, aus welcher Quelle sie stammen. Und auch Messanger-Dienste oder Content-Plattformen wie YouTube spielen für die Information eine immer stärkere Rolle. Deshalb ist es ein absolutes No-Go, wenn Unternehmen heute über keinerlei Medienkompetenz verfügen! Denn wenn man nicht weiß, wo tendenziell über einen gesprochen werden kann, wie soll man dann im Krisenfall wissen, mit wem man über seine Sicht der Dinge sprechen kann? Wer in seinem Unternehmen niemanden hat, der sich um das Thema Kommunikation kümmert, der wird in der Krise viel Geld bezahlen müssen, um überhaupt glimpflich durch diese stressige Zeit zu kommen. Natürlich können Sie eine Agentur beauftragen, die sich an Ihre Seite stellt, aber eben nur wenn Sie auch ausreichend Budget dafür ausgeben.

Frau Dr. Rausch-Rieß, haben Sie noch einen ultimativen Tipp für uns, was Krisenkommunikation angeht?

Wichtig ist dem Thema Kommunikation den richtigen Stellenwert im Unternehmen einzuräumen. Ich kann verstehen, dass es erstmal als „einfach nur teuer“ in den Geschäftszahlen empfunden wird und der ROI hier oftmals nicht direkt zugeordnet werden kann, wie bei z.B. bei konventionellen Marketing Budgets. Aber jeder Unternehmer und jede Unternehmerin sollte sich fragen, kann ich es mir leisten auf professionelle Kommunikation zu verzichten? Ich berate Unternehmen seit mehr als 25 Jahren und meine Erfahrung ist ganz klar: Nein! Denn über kurz oder lang kommt jedes Unternehmen an den Punkt, an dem es ohne Kommunikation nicht geht, sei es z.B. im Bereich Recruiting oder eben auch während einer Krise.

Vielen Dank für das Gespräch, Frau Dr. Rausch-Rieß!

Dieses Interview ist Teil von Mittelstand WISSEN zum Thema "Unternehmerische Widerstandsfähigkeit"

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