29.04.2020Fachbeitrag

Rechtliche Rahmenbedingungen des Urlaubs in Zeiten von Corona

Was Arbeitgeber beachten müssen

Die Corona-Krise wird vielfach dazu genutzt, Kurzarbeit anzuordnen. Gleichzeitig sind die Reisemöglichkeiten der Arbeitnehmer massiv eingeschränkt, sodass sich Fragen zum Urlaub stellen.

Die erste Frage lautet, ob bereits vom Arbeitnehmer beantragter und vom Arbeitgeber genehmigter Urlaub einseitig vom Arbeitnehmer „zurückgegeben“ werden kann. Das ist nicht der Fall. Maßgebliche Vorschrift ist § 7 des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG). Nach dessen Konzeption und der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte ist es so, dass die Urlaubswünsche bei der Festlegung des Urlaubs zu berücksichtigen sind, es sei denn, ihrer Berücksichtigung stehen dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, entgegen.

Das bedeutet, dass der Urlaubswunsch in der Regel vom Arbeitnehmer ausgesprochen, vom Arbeitgeber geprüft und dann genehmigt wird. Der Urlaub wird dann dadurch umgesetzt, dass der Arbeitnehmer unter Fortzahlung seiner Vergütung für den Urlaubszeitraum von seiner Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt wird. Eine einseitige „Rücknahme“ des Urlaubs durch Arbeitnehmer oder Arbeitgeber ist vom Gesetz nicht vorgesehen. Mit anderen Worten: bereits beantragter und genehmigter Urlaub wird in der Regel wie beantragt und genehmigt abgewickelt. Hiervon können die Parteien einvernehmlich natürlich abweichen.

Problematisch kann die Situation im umgekehrten Fall werden, wenn der Lockdown zu einem Zeitpunkt beendet wird, in dem sich gerade eine Vielzahl von Arbeitnehmern in beantragtem und gewährtem Urlaub befindet, der Arbeitgeber aber dringend auf die Arbeitnehmer angewiesen ist, um seinen Betreib wieder hochzufahren. Kann der Arbeitgeber in einem solchen Fall den Urlaub „widerrufen“? Das Bundesarbeitsgericht hatte sich mit einer ähnlichen Konstellation bereits zu befassen und führte in seinem Urteil vom 20. Juni 2000 aus: „Einen Anspruch des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer, seinen Urlaub abzubrechen oder zu unterbrechen, gibt es nach dem BUrlG nicht. Ob dennoch bei unvorhersehbaren und „zwingenden Notwendigkeiten, welche einen anderen Ausweg nicht zulassen” ein solcher Anspruch bestehen könnte, bedarf keiner Erörterung des Senats. Die Bekl. hat hierfür keine Tatsachen vorgetragen.“ Möglicherweise wird die Corona-Krise zu einer solchen Entscheidung führen. Angesichts einer Verfahrensdauer von einigen Jahren bis zu einer Entscheidung durch das Bundesarbeitsgericht ist den Arbeitsvertragsparteien indes dringend zu raten, sich zu verständigen und – vorausschauend – tunlichst eine solche möglicherweise auftretende Situation bereits bei der Urlaubsgewährung zu berücksichtigen..

Sofern Urlaube in diesem Sinne noch nicht beantragt und genehmigt sind, bleiben die Urlaubsansprüche bestehen. Der gesetzlichen Konzeption folgend ist der Urlaub jedoch grundsätzlich im laufenden Kalenderjahr zu nehmen. Geschieht das nicht, verfällt der Urlaubsanspruch mit dem Ablauf des 31. Dezember eines jeden Jahres. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nach § 7 Abs. 3 BUrlG nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. In einem solchen Fall der Übertragung muss der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres gewährt und genommen werden. Auf diese Regelung sollten sowohl Arbeitnehmer wie auch Arbeitgeber dringend achten. Die fehlende Möglichkeit, sein Urlaubsdomizil zu erreichen, ist kein in der Person des Arbeitnehmers liegender oder gar betrieblicher Grund, der eine Übertragung des verbleibenden Jahresurlaubs auf das folgende erste Quartal rechtfertigen könnte.

Deshalb ist Arbeitnehmern und Arbeitgebern anzuraten, rechtzeitig die Urlaubswünsche der Arbeitnehmer zu beraten und Lösungen zu finden, den Urlaub tunlichst im laufenden Kalenderjahr zu nehmen.

In diesem Zusammenhang ist insbesondere auch auf die geänderte Rechtsprechung hinzuweisen. Lag es bislang in der Verantwortlichkeit des Arbeitnehmers, seinen Jahresurlaubsanspruch im Auge zu behalten, rechtzeitig zu beantragen und dann auch nehmen zu können, hat dies durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und sich diesem anschließend des Bundesarbeitsgerichts eine Änderung erfahren. Nach aktueller Rechtsprechung ist der Arbeitgeber gehalten, seine Arbeitnehmer eindeutig und unmissverständlich darüber aufzuklären, welche Urlaubsansprüche dem Arbeitnehmer noch zustehen und dass der Arbeitnehmer seine Urlaubsansprüche rechtzeitig anmelden muss. Gleichzeitig muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer unmissverständlich darauf hinweisen, dass für den Fall, dass das nicht geschieht, der Urlaubsanspruch ersatzlos verfällt. Geschieht das nicht, d. h. weist der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer nicht entsprechend hin, wird der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers nicht verfallen, sondern solange weiter „vorgetragen“, bis der Arbeitgeber seine Aufklärungspflichten erfüllt. Das kann zu einer erheblichen Kumulierung der Urlaubsansprüche der Arbeitnehmer führen! Die geänderte Rechtsprechung muss deshalb dringend beachtet und umgesetzt werden.

Immer wieder kommt es zu der Überlegung, nicht genommenen Urlaub finanziell abzugelten. Das ist im laufenden Arbeitsverhältnis ausgeschlossen. Nach § 7 Abs. 4 BUrlG findet eine Abgeltung nur dann statt, wenn der Urlaub wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann. Verständigen sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichwohl auf eine solche Abgeltung im laufenden Arbeitsverhältnis, kann der Arbeitnehmer grundsätzlich den ihm bereits abgegoltenen Urlaub noch einmal verlangen.

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