29.06.2022Fachbeitrag

Strategien zur IT-Fachkräftesicherung

Der Bedarf an IT-Experten wird in den kommenden Jahren weiter ansteigen.

Die voranschreitende Digitalisierung sorgt bereits für einen hohen Bedarf an Informatikern, der in den kommenden Jahren noch zunehmen wird. Dadurch sind auch immer mehr KMU auf IT-Fachkräfte angewiesen, deren Geschäftsfeld nicht im IT-Bereich liegt. Deniz Ates hat mit seinem Unternehmen Who Moves eine Plattform entwickelt, auf der Unternehmen nach Informatikern suchen können. Er weiß, dass viele Unternehmen bei der Suche nach Informatikern noch längst nicht alle Chancen nutzen und zeigt in diesem Beitrag auf, welche Maßnahmen zur Sicherung des Fachkräftebedarfs im IT-Bereich existieren.

Der Fachkräftemangel ist in aller Munde. Nicht erst seit der Coronapandemie bemerken wir Engpässe auch im alltäglichen Leben. In der Pflege, im Handwerk, in der Logistik und im IT-Sektor, ist der Mangel stark ausgeprägt und stellt für die deutsche Wirtschaft eine immer ernstzunehmendere Gefahr dar. Neben den Großkonzernen betrifft der Fachkräftemangel auch immer mehr mittelständische Unternehmen und der demografische Wandel befeuert diesen Mangel immer mehr.

Die Frage ist nun – wie kann dem Fachkräftemangel entgegengewirkt werden und Fachkräfte gesichert und sogar gewonnen werden? Speziell im IT-Sektor ergeben sich Chancen, die bislang noch nicht ausreichend genutzt werden.

Gibt es den Fachkräftemangel im IT-Sektor überhaupt?

Des Öfteren wird behauptet, der Fachkräftemangel sei nicht so gravierend, wie es scheint. Es fehle bislang nur die Bereitschaft, Fachkräfte ohne weitreichende Qualifikation und Studienabschlüsse zu beschäftigen. Betrachtet man jedoch aber aktuelle Werte diverser Statistiken, so erkennt man deutlich, der Mangel ist auch mit Quereinsteigern und weniger qualifizierten Fachkräften nicht lösbar. Die Zahl der offenen Stellen im IT-Sektor wird laut diverser Fachquellen zwischen 80.000 und 110.000 im Jahr 2021 geschätzt. Durch den immer größeren Bedarf an IT-Experten wird sich diese Zahl in den kommenden Jahren tendenziell noch vergrößern. Die Zahl der in Deutschland ausgebildeten Fachkräfte reicht bei weitem nicht aus, um diese Lücke zu schließen. Stellenanzeigen auf klassischen Jobplattformen verbleiben oftmals bis zu einem Jahr unbesetzt.

Maßnahmen zur Fachkräftesicherung im IT-Sektor

Welche Strategien können Unternehmen direkt anwenden, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken?

Früherkennung des Bedarfs:

Der Bedarf an Fachkräften im IT-Sektor muss früh erkannt werden. Oftmals handeln Unternehmen zu spät und erkennen noch nicht, wie lange und wie kostenintensiv die Suche nach qualifizierten IT-Experten sein kann. Dies muss frühzeitig in die Unternehmensstrategie und Kostenplanung eingebettet werden. Da der Mangel so prekär ist, steigen die Gehälter für ITler stetig und der Stellenmarkt vollzieht einen noch nie dagewesenen Wandel von einem Arbeitgeber- zu einem Arbeitnehmer-zentrieren Markt. Gut qualifizierte Fachkräfte können sich mittlerweile Gehalt, Region und Stelle mehr oder weniger aussuchen.

Upskilling und Quereinstieg:

Eine Möglichkeit Fachkräfte ohne lange Suche im eigenen Unternehmen zu entwickeln, betrifft das Thema "Upskilling", also die Weiterbildung von eigenen Mitarbeitern im Unternehmen. Das Potenzial der eigenen Mitarbeiter im Unternehmen darf nicht unterschätzt werden, sie bringen das richtige Wissen der eigenen Unternehmensprozesse und Werte mit und sind sofort verfügbar. Es existieren zahlreiche digitale Bildungsplattformen, um die Weiterbildung in bestimmten Zukunftstechnologien von eigenen Mitarbeitern aktiv zu fördern. Beispielsweise können hier grundlegende Programmierkenntnisse, Kenntnisse in der Nutzung bestimmter digitaler Anwendungen oder auch allgemeine Kenntnisse im digitalen Kontext schnell und einfach vermittelt werden. Der große Nachteil bei dem Thema Weiterbildung ist das Thema der Erwartungshaltung und des Zeitmanagements. Häufig wird unterschätzt, wie komplex und weitreichend eine digitale Weiterbildung erfolgen muss, um einen eigenen IT-Experten im Unternehmen selbstständig weiterzubilden. Ebenfalls darf der zusätzliche Arbeitsaufwand des Mitarbeiters nicht unterschätzt werden. Digitalisierung sollte kein Randthema bleiben, somit sollte hierfür genügend Energie & Zeit eingeplant werden. Upskilling kann also eine Strategie speziell für Unternehmen mit einem eher geringfügigen Bedarf an Digitalisierung sein.

Überregionale Suche und Remote Kräfte:

Das Thema der Hidden Champions und ihre weltweiten Erfolgsgeschichten sind ein Vorzeigebeispiel für die Wirtschaftskraft diverser Regionen in Deutschland. Die Dezentralisierung von Wissen und Wirtschaftspotenzial ist weltweit nahezu einmalig. Jedoch birgt diese Dezentralisierung ein großes Risiko beim Thema Fachkräftesicherung. Viele Hidden Champions befinden sich in Regionen, die deutschlandweit eher weniger bekannt sind. Da der Fachkräftemangel bereits so stark fortgeschritten ist, benötigen speziell diese Regionen mehr digital affine Fachkräfte. Jedoch haben es genau diese Unternehmen und Regionen schwer, geeignete Fachkräfte zu finden. Da die Sichtbarkeit dieser Regionen auf klassischen Plattformen sehr gering ist, finden Fachkräfte diese Unternehmen häufig nicht. Somit wird die klassische Suche nach Fachkräften hier zu einem grundsätzlichen Problem. Unternehmen an unbekannteren Standorten müssen Wege finden, überregional Kandidaten zu finden und diese an das Unternehmen zu binden. Nicht erst seit der Coronapandemie ist das Thema der Remote Arbeit im IT-Sektor für viele ITler Standard. Remote Mitarbeiter können als Zwischenlösung oder auch als längerfristige Lösung helfen, die Weiterentwicklung von digitalen Prozessen und Tools zu fördern. Oftmals ist die Hürde bei der Einstellung von Remote Fachkräften eine rein irrationale Barriere, da davon ausgegangen wird, dass der Prozess sehr umfangreich und nicht von kleineren Unternehmen zu bewerkstelligen ist. Technisch gesehen ist dies mithilfe vieler digitaler Tools sehr einfach zu realisieren. Die letzten zwei Jahre voller Homeoffice haben ebenfalls gezeigt, dass das Homeoffice eine Chance sein kann, den Suchradius für Fachkräfte sogar auf ein globales Level zu steigern.

Internationale Fachkräfte:

Da der Fachkräftemangel auch mithilfe der oben genannten Strategien nicht gebremst werden kann und es nicht genügend Fachkräfte im Inland gibt, lohnt sich ein Blick außerhalb der Landesgrenzen. Fachkräfte aus dem Ausland haben historisch gesehen einen hohen Stellenwert in der Bundesrepublik. Auch im IT-Sektor setzen vermehrt Unternehmen auf Experten aus dem Ausland. Zusätzlich wurde durch die Einführung des neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetzes im Jahr 2020 der Prozess für den Zuzug von Fachkräften, darunter auch IT, vereinfacht. Da dieser Prozess nun deutlich vereinfacht wurde, können auch Unternehmen ohne Vorerfahrung schnell Fachkräfte aus dem Ausland akquirieren. Internationale IT-Fachkräfte bieten dem Unternehmen neben der schnellen Verfügbarkeit weitere Vorteile, wie z. B. die hohe Flexibilität, zusätzliche kulturelle Diversität im Team, hohe Motivation und je nach Herkunftsland und Ausbildung extrem hohes technisches Know-how. Natürlich haben internationale Fachkräfte andere zusätzliche Bedürfnisse – hier müssen Unternehmen neue Prozesse etablieren, rechtliche Rahmenbedingen schaffen und auch eine offene Unternehmenskultur und Aufgeschlossenheit etablieren. Hier empfiehlt es sich, gemeinsam mit den Teamkollegen das Thema zu sensibilisieren und mit den Mitarbeitern aktiv an den Prozessen zu arbeiten. Auch das Thema der internationalen Studenten und Fachkräfte, welche sich bereits in Deutschland befinden und leben, wird oftmals unterschätzt. Durch spezielle Plattformen und Tools können Unternehmen hier geeignete Kandidaten finden und erhalten Unterstützung im Gesamtprozess.

In Zukunft müssen wir mit vielen neuen Herausforderungen bei der Fachkräftesicherung fertig werden. Es bieten sich aber zahlreiche Chancen, diese Probleme in den Griff zu bekommen und ganzheitlich zu lösen, um dem Problem des Fachkräftemangels im IT-Bereich langfristig entgegenzuwirken.

Dieser Artikel ist Teil von Mittelstand WISSEN zum Thema "Personalbedarf im Mittelstand: So punkten Unternehmen bei Fachkräften"

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