23.03.2022Fachbeitrag

Task failed successfully - Wertvolle Erfahrungen vom Scheitern

In der neuen DMB-Beitragsserie werden Herausforderungen von Unternehmen adressiert, die gesund wachsen wollen.

 

Die Ausbildung abbrechen, um eine Firma zu gründen? Softwareentwickler und DMB-Mitglied Thomas Kekeisen hat dies getan, ist jedoch nach ein paar Jahren mit dieser Gründung gescheitert. Diese Erfahrung hat ihn motiviert, ein neues Unternehmen zu gründen, mit dem er mittlerweile sehr erfolgreich ist. In diesem Beitrag beleuchtet Thomas Kekeisen seine Laufbahn von der Gründung bis zur Insolvenz seiner ersten Firma und gibt Einblicke in seine größten Learnings aus der Erfahrung des Scheiterns.

Der Anfang vom Ende

Ich habe meine erste Firma 2010 gegründet. Mit einem Partner, den ich einen Tag zuvor kennen gelernt habe. Um diesen Schritt zu ermöglichen, habe ich auch meine Ausbildung abgebrochen, die ich aber letztlich in einer Firma der Gruppe meines Partners fortführen konnte. Ich war also Geschäftsführer und Berufsschüler.

Das Geschäftsfeld der Socialbit UG (haftungsbeschränkt) war das Entwickeln von Apps, Spielen und Webseiten. Insbesondere mit der Entwicklung von Apps haben wir damals eine Pionierrolle eingenommen. Zum Zeitpunkt der Gründung hatte ich keine Erfahrung mit dem Entwickeln von Apps. Wir akquirierten den ersten Job für die Entwicklung einer App, bevor wir die dafür erforderliche Kompetenz hatten. Mein Partner Adrian schenkte mir also kurzerhand ein MacBook sowie ein Buch über die iPhone-Entwicklung und wir starteten in unser naives Abenteuer.

Ich musste wirklich kämpfen, mir dieses Wissen anzueignen und war mehrfach kurz davor, aufzugeben. Letztendlich haben wir diesen Schritt aber gemeistert und das Unternehmen in den folgenden sechs Jahren aufgebaut. In dieser Zeit setzten wir über 400 Projekte um, bildeten fünf junge Menschen zu Fachinformatikern aus und wurden mehrfach von verschiedenen Bundesministerien für unsere Arbeit ausgezeichnet. Bis wir 2016 in Schieflage gerieten und nach gescheiterten Rettungsversuchen am 23. Dezember Insolvenz anmelden mussten. Damit stellten wir 15 Mitarbeiter unausweichlich vor vollendete Tatsachen.

 

Warum sind wir gescheitert?

Wenn mir diese Frage gestellt wird, antworte ich immer gerne: "Wir waren zu viel Social und zu wenig Bit". Im Detail haben wir es versäumt, rechtzeitig bessere Hierarchien und Abläufe zu implementieren und dafür zu sorgen, dass unsere Prozesse mit unserer Teamgröße und unserem Umsatz skalieren. Zu unserer Anfangszeit konnte ich das Ruder in problematischen Projekten in einer Nacht- oder Wochenendschicht selbst noch herumreißen. Das war in den letzten Jahren unserer Entwicklung aufgrund der Größe einfach nicht mehr möglich. Außerdem hätten wir uns früher von Mitarbeitern trennen sollen, die dem Geschäftsklima schadeten oder unseren Ansprüchen nicht gewachsen waren.

Letztlich war dieser Umstand gepaart mit zu viel internen und ehrenamtlichen Projekten sowie unserer vermeintlich zu wohlwollenden Kalkulation eine zu große Last für unser Team. Die Qualität unserer Produkte war im Keller, Kunden unzufrieden. Das hat dazu geführt, dass wichtige Abschlagszahlungen nicht oder nicht rechtzeitig geleistet wurden und wir mehr und mehr damit beschäftigt waren, Liquidität zu beschaffen. Bis wir einsehen mussten, dass wir Zahlungsunfähig waren. Zu diesem Zeitpunkt standen etwa 100.000€ im Raum, die wir auf dem Papier in Form gestellter Rechnungen eigentlich hatten.

Zwischen der Erkenntnis der eigenen Insolvenz bis zur tatsächlichen Anmeldung vergingen übrigens nur wenige Wochen. Kaum eine Auswertung hat diesen Umstand rechtzeitig dargestellt, wir waren uns erst nach intensiver Prüfung aller Bücher wirklich darüber im Klaren.

 

Ein neuer Versuch

Für mich war eine Insolvenz noch nie mit "Scheitern" gleichzusetzen und es ist sehr schade, dass dieser falsche Gedanke vor allem in Deutschland so weit verbreitet ist. Der Gesetzgeber hat mit der Insolvenz einen möglichen Worst Case definiert, der es Gründern ermöglicht, innovative Wege zu gehen, ohne alles auf eine Karte setzen zu müssen.

Nachdem ich zwischen meinen beiden Firmen für etwa sechs Monate bei einem ehemaligen Kunden für die Entwicklung einer App angestellt war, hatte mich der Drang, meine eigenen Ideen umzusetzen, wieder eingeholt. So investierte ich meine letzten Ersparnisse in einen neuen Computer und gründete vor fünf Jahren meine aktuelle Firma, die Lulububu Software GmbH. Mittlerweile beschäftigen wir sieben Mitarbeiter.

 

Was machen wir heute anders?

Die Gründung meiner zweiten Firma ist mir natürlich ungleich leichter gefallen. Ich konnte auf all meinen Erfahrungen aufbauen und auch meine noch vorhandenen Kontakte nutzen. Der wohl größte Unterschied ist, dass wir ein "No office"-Konzept verfolgen. Das heißt, jeder unserer Mitarbeiter arbeitet von Zuhause aus. Das reduziert unsere Fixkosten auf ein Minimum und auch unsere Mitarbeiter können sich über extrem kurze Arbeitswege freuen.

Auf die Spitze treiben wir diese Ideen noch, indem wir jährlich für zwei Wochen unser Büro auf die Kanarischen Inseln verlegen und von dort aus arbeiten. Diese Zeit ist auch eine der wenigen Tage im Jahr, an denen sich die Belegschaft der Lulububu Software GmbH persönlich sieht.

Darüber hinaus haben wir über die letzten vier Jahre sehr straffe Prozesse und Abläufe entwickelt. Projekte laufen bei uns immer gleich ab, es gibt wenig Raum, dieses Schema zu verlassen und Fehler zu machen. Von mir persönlich implementierte Automatismen überprüfen regelmäßig diesen Rahmen und reagieren vollautomatisch, wenn Fehler erkannt werden. Mein Team nennt diesen Code liebevoll "Robothomas".

 

Was rate ich gründungswilligen Menschen?

Mein Tipp ist: Just do it! Keine Gründung verläuft fehlerfrei und was ist besser, als möglichst früh schon die ersten Fehler machen zu können? Nur so kann man besser werden. Adrian Thoma, der Mitgründer von Socialbit und mein damaliger Mentor, hat einst gesagt: "Es geht immer eine Schippe mehr". Dieses Zitat ist mir bis heute im Kopf geblieben, denn es stimmt: Oft sind nur der eigene Wille, Ängste oder Steine, die man sich selbst in den Weg legt, das Problem.

In Bezug auf Wachstum rate ich dazu, Abläufe regelmäßig kritisch zu betrachten und zu optimieren. Investitionen in deren Optimierung vermeiden nicht nur Fehler, sondern mittelfristig auch unnötige Arbeitsschritte. So bleibt mehr Zeit für die wirklichen Dinge. Ich sage gerne: "If you do it twice, it's wrong!"

 

Thomas Kekeisen hat die Geschichte zur Socialbit GmbH ausführlich in seinem privaten Blog dokumentiert. Diese ist hier in neun Teilen nachzulesen.

 

Dieser Artikel ist Teil von Mittelstand Wissen zum Thema 'Wachstumsbeschleuniger und -bremsen | Worauf KMU achten sollten'

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