13.05.2021Fachbeitrag

The Cuddly Mountain – Leistung und Vertrauen in Teams

Leistung und Vertrauen sind dynamische Prozesse, die sich in Teams m Zeitverlauf entwickeln.

Stellen Sie sich Ihre persönliche Wohlfühlzone vor: privat und beruflich erleben Sie viel Gewohnheit und Berechenbarkeit, der Job geht Ihnen so von der Hand und mit der Familie sind Sie ein eingespieltes Team. Ihr Leben ist geprägt von Sicherheit, Geborgenheit und ohne Überraschungen, Ihr Leben kuschelt sozusagen wie in einem entspannten Nest in Ihrer persönlichen Komfortzone. Jetzt bekommen Sie einen neuen Chef.

Ihr Unterbewusstsein prüft diesen Eindringling und damit einhergehende Veränderungen auf Gefahren und vielleicht verlassen Sie ihre Komfortzone in Richtung Lern- | Wachstums- | Entwicklungszone mit Lust auf Abenteuer, Veränderung und Risiko oder Sie landen zunächst in der Panikzone. Hier schlägt Ihre Amygdala (Mandelkern im Gehirn) Alarm und Gefühle wie Angst, Stress und Unbehagen gewinnen die Überhand.

Mit Blick auf das Schaubild (The „Cuddly Mountain“ – der Kuschelberg) erkennen Sie, dass im Laufe der Zeit Ihr neuer Chef den ein oder anderen Mitarbeiterkollegen für sich begeistert und zwar in dem Maße, wie er ihr Vertrauen gewinnt und sie bereit sind, ihre Komfortzone in Richtung Lern- und Entwicklungszone zu verlassen (grüne Kurve). Erste Kollegen feiern mit neuen Vorgehensweisen Erfolge, Freude und Begeisterung steigen an und münden in einer deutlichen Leistungssteigerung (rote Kurve), was die Bereitschaft immer weiterer Kollegen mit ins Neuland (gelbe Fläche) zu kommen beflügelt.

Wenn diese Führungskraft nun Fürsorge und Interesse an jedem einzelnen Mitarbeiter zeigt, somit eine positive Beziehung (Empathie) schafft, authentisch Werte vorlebt, als Vorbild handelt und Sinngebung betreibt, dann ist die Grundlage für Höchstleistung im Team gelegt (Mitarbeiterorientierte Führung im Modell der Triagilität).   

1. Point of maximum Trust

Angespornt von Erfolgen und einhergehend mit einer Leistungssteigerung durch neue Erfahrungen, Veränderungen und daraus resultierender Begeisterung schließen sich immer mehr Mitarbeiter an und reiten die Erfolgswelle. Es herrscht volles Vertrauen zwischen dem neuen Chef und seinem Team und der Punkt des maximalen Vertrauens ist erreicht. Jetzt beginnt die Zeit des gegenseitig maximalen Vertrauens, Höchstleistung im Team und mit den wenigsten Mitarbeitern in der Komfortzone.

2. Point of no Return

Dieses Leistungsniveau kann für einen gewissen Zeitraum aufrecht erhalten bleiben, allerdings, einhergehend mit ersten Anzeichen von Vertrauens- Verlusten, setzt eine schleichende Leistungserosion ein, gekennzeichnet durch die steigende Anzahl von Mitarbeitern mit einem Rückzug wiederum in die Komfortzone.

3. Point to say good bye

Der ehemals neue Boss findet es seinerseits nun ausgesprochen kuschelig – läuft ja alles super – und sieht häufig nicht, motiviert durch vergangene Erfolge und versüßt durch Geld/Macht, die sich auftürmenden trügerischen Gewitterwolken. Immer mehr Mitarbeiter verlassen die Lern- und Entwicklungszone in Richtung Komfortzone, weil der Chef keine neuen Lernimpulse mehr setzen kann. Der beste Zeitpunkt to say good bye ist vorüber!

Die Autoren J. Citrin, C. Hildebrand und R. Stark von der amerikanischen Firma Spencer Stuart veröffentlichten am 11. April 2020 im Harvard Business Manager den Artikel „Der CEO-Lebenszyklus“, indem die Ergebnisse eines Forscherteams zu der Analyse der jährlichen Leistung von 747 CEOs anhand von Finanzkennzahlen veröffentlicht wurden. Sie bestätigen den Vertrauensanstieg in ihren Teams in einem drei bis fünf jährigen Zeitraum und bezeichnen die Phase der Leistungserosion als die Entwicklung eines blinden Fleckes, in der zu viel Selbstvertrauen in übermäßiges Selbstbewusstsein umschlägt und eine mehrjährige Phase der Selbstgefälligkeit einläutet. In der Regel findet in amerikanischen Top-Unternehmen dann zwischen sieben und neuneinhalb Jahren eine Trennung vom CEO statt, in meinem Modell des Cuddly Mountain bezeichnet als…

4. Point of Management Change

Die Phase der Selbsterkenntnis des ehemals neuen Chefs, den Leistungszenit überschritten zu haben, die mal kürzer oder länger dauert und je nach Tiefe des Eintauchens in die Komfortzone auch gar nicht eintritt, führt zu einem abrupten Ende. Häufig spielt die Enge der Beziehung und die Feedbackkultur zwischen dem neuen Chef und wiederum dessen Boss eine wichtige Rolle für den Entscheidungszeitpunkt. Am Ende kommt es wie es kommen muss: dieser Manager wird gegangen!

Dieser Leistungs- und Vertrauenszyklus vollzieht sich in vielen Teams, egal ob in der Wirtschaft, Politik oder im Sport. Neben der Tatsache, dass die Führungskraft von sich aus und freiwillig zum richtigen Zeitpunkt geht, gibt es aber noch eine zweite Möglichkeit, diesen Zyklus zu durchbrechen: alle Mitarbeiter in einem Zeitraum von 5 – 7 Jahren austauschen! Vorausgesetzt das wäre möglich, dann beginnt ja bei jedem einzelnen Mitarbeiter dieser Zyklus zeitversetzt von Neuem. Ist aber in den meisten Fällen eher hypothetisch…

Beispiel

Bei dem ein oder anderen Manager in der Wirtschaft, bei Politikern oder auch sehr erfolgreichen Sportlern trifft das mittlerweile neurowissenschaftlich bewiesene Phänomen auf, dass Macht zu einer erhöhten Testosteronausschüttung führt, dadurch weniger das Empathie begünstigende Hormon Oxytocin im Gehirn produziert wird, was zur Folge hat, dass man sich selbst für den Größten hält. Das so ein Mensch den richtigen Zeitpunkt zum Absprung gern verpasst, ergibt sich aus seinen veränderten Gehirnstrukturen.

Ein gutes Beispiel aus dem Sport ist Joachim Löw, Nationaltrainer der deutschen Fußballnationalmannschaft. Ausgestattet vom ehemaligen DFB-Chef Reinhard Grindel mit einer vorzeitigen Vertragsverlängerung mit auskömmlichen Einkünften setzte eine enorme Leistungserosion der Nationalmannschaft in den letzten Jahren ein und mündete in der historischen Pleite gegen die spanische Equipe im letzten Jahr. Trotz wiederum massiver Kritik in den Medien passierte zunächst nichts, bis sich Herr Löw jetzt zum Rücktritt entschlossen hat, wobei der Point to say good bye seit dem Gewinn der Weltmeisterschaft überschritten war. Weitere Beispiele für veränderte Gehirnstrukturen von Menschen aus der Wirtschaft oder Politik fallen Ihnen bestimmt ein oder können Sie auch häufig in den Medien lesen.

Ich möchte nicht unerwähnt lassen, dass in obiger Studie von Spencer Stuart auch der Zeitraum der goldenen Jahre (Jahre 11 bis 15) aufgeführt ist, wobei nur die wenigsten CEOs diesen Zeitraum tatsächlich erreichen. Unwillkürlich muss ich dabei an Christian Streich denken, den Bundesliga Fußballtrainer des FC Freiburg, der jetzt ja gerade erst an der Schwelle zu seinen goldenen Jahren steht. Viel Glück dabei!

 

Teil III der Beitragsserie Vertrauen in Führung

 

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