Themenschwerpunkt
Fachkräftemangel im Mittelstand
 

Handlungsempfehlungen für Politik und Unternehmen

Im Folgenden werden acht mögliche Handlungsoptionen für Politik und Unternehmen vorgestellt, die geeignet sind, um dem wachsenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken.

Anzahl der Schulabgänger ohne Abschluss reduzieren

Im Jahr 2018 verließen 53.598 Schüler die Schule ohne einen Abschluss (6,8 Prozent des Jahrgangs).[1] Diese Jugendlichen stehen dem Arbeitsmarkt später nicht als Fachkräfte zur Verfügung. Daher liegt es in der Verantwortung der Landesschulbehörden, die Zahl der Schulabgänger ohne Abschluss durch gezielte Fördermaßnahmen weiter zu reduzieren und durch eine passende Berufsausbildung zu Fachkräften auszubilden.

Ausbildungs-/Studienabbrüche reduzieren

26,5 Prozent der Ausbildungsverträge werden vorzeitig aufgelöst, wobei die Vertragslösungsquote umso höher ausfällt, je niedriger der allgemeinbildende Schulabschluss der Auszubildenden ist.[2] Bei den Studierenden bricht sogar fast jeder dritte sein Bachelorstudium vorzeitig ab.[3] In beiden Fällen hängt der vorzeitige Abbruch oftmals mit falschen Vorstellungen über Inhalt und Tätigkeitsfelder der Ausbildung /  des Studiums zusammen. Hier sind die Bundesagentur für Arbeit, Unternehmen und Hochschulen gleichermaßen gefragt, Bewerber möglichst früh umfassend aufzuklären. Praktika, Berufs- und Studieninformationstage sowie Ausbildungsmessen spielen eine wichtige Rolle, um realistische Eindrücke vom potentiellen Ausbildungsberuf / Studiengang zu vermitteln. Wichtig ist zudem der Ausbau der Kooperationen zwischen Schulen und Unternehmen im Bereich der praxisbezogenen Berufsorientierung.

Fachkräfte im Unternehmen halten

Aufgrund des Mangels an geeignetem Nachwuchs ist es besonders wichtig, ältere Fachkräfte möglichst lange im Unternehmen zu halten. Neben ihrer fachlichen Qualifikation sind diese Mitarbeiter aufgrund ihrer jahrelangen Berufserfahrung für viele Unternehmen besonders wertvoll. Das vorzeitige Ausscheiden aus dem Arbeitsleben wird derzeit von der Politik durch attraktive Frühverrentungsmöglichkeiten befördert. Der Gesetzgeber sollte den Renteneintritt möglichst flexibel gestalten und durch finanzielle Anreize dazu beitragen, dass Arbeitnehmer ihren Renteneintritt freiwillig hinausschieben. Neben der Politik sind auch die Unternehmen gefragt, Anreize zu schaffen, um ihre Mitarbeiter möglichst lange im Betrieb zu halten. Hierzu zählen beispielsweise flexible Arbeitszeiten, Teilzeitmöglichkeiten oder betriebliches Gesundheitsmanagement.

Erwerbsbeteiligung von Frauen erhöhen

Die Erwerbstätigkeitsquote von Frauen liegt in Deutschland mit 76,6 Prozent schon relativ hoch. In der EU liegt die Bundesrepublik damit auf Rang drei hinter Schweden und Litauen.[4]

Allerdings arbeiten 47,6 Prozent der Frauen in Deutschland in Teilzeit[5] – 12 Prozent davon sogar unfreiwillig[6]. Ziel muss es sein, den Anteil der Frauen in einer Vollzeitbeschäftigung sukzessive zu erhöhen und so das Arbeitskräftepotential zu steigern. Der Fokus sollte dabei zu allererst auf den Frauen liegen, die unfreiwillig einer Teilzeitbeschäftigung nachgehen und gerne mehr arbeiten würden.

Oftmals ist eine Wiederaufnahme oder Ausweitung der Erwerbstätigkeit leider nicht mit der jeweiligen Lebenssituation der Frauen in Einklang zu bringen. Hauptprobleme sind die unzureichende Unterstützung bei der Wiedereingliederung ins Berufsleben, fehlende Betreuungsangebote und nicht familienfreundliche Arbeitsplätze. Unternehmen sind hier gefragt durch flexible Arbeitszeitmodelle familienfreundliche Arbeitsbedingungen zu schaffen. Gleichzeitig stehen Bund, Länder und Kommunen in der Verantwortung das Kinderbetreuungsangebot auszubauen.

Qualifizierte Einwanderung steuern

Deutschland ist ein weltweit beliebtes Einwanderungsland. Die Gruppe der Geflüchteten, die insbesondere seit dem Jahr 2015 nach Deutschland gekommen ist, kann aufgrund der sehr heterogenen beruflichen Qualifikation und mangelnder Sprachkenntnisse jedoch nicht ohne weiteres in den Arbeitsmarkt integriert werden. Dementsprechend denken 56 Prozent der deutschen Mittelständler nicht, dass der Flüchtlingszuzug positive Auswirkungen auf den derzeitigen Fachkräftemangel haben wird.[7]

Neben der Ausbildung und Integration von Geflüchteten muss der Schwerpunkt daher vor allem auf der Steuerung der qualifizierten Einwanderung liegen, um gut ausgebildete Fachkräfte aus dem EU-Ausland und Drittstaaten für den deutschen Arbeitsmarkt zu gewinnen. Zusätzlich zu gezielten Programmen zur Gewinnung von ausländischen Fachkräften für Mangelberufe braucht es daher attraktive Einwanderungsregelungen für qualifizierte Beschäftigte aus Drittstaaten. Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das zum 1. März 2020 in Kraft getreten ist, war ein erster wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Hier wird sich in den nächsten Monaten und Jahren zeigen, ob die Gesetzesänderungen ihre anvisierte Wirkung erzielen oder ob weitere Liberalisierungen notwendig sind.

Aus- und Weiterbildung fördern

Der Anteil der Geringqualifizierten an allen Erwerbspersonen zwischen 25 und 64 Jahren konnte zwar seit 2009 deutlich reduziert werden, liegt aber immer noch bei etwa 13 Prozent.[8] Geringqualifizierte haben es auf dem Arbeitsmarkt besonders schwer und stehen aufgrund ihrer fehlenden Qualifikation nicht zur Bewältigung des Fachkräftemangels zur Verfügung. Ihre Arbeitslosenquote lag im Jahr 2018 bei 17,4 Prozent und war damit wesentlicher höher als die von Fachkräften mit Berufsausbildung (3,4 %) oder von Akademikern (2 %).[9]

Gleichzeitig ändert sich das Anforderungsprofil an Fachkräfte vor allem durch die Digitalisierung stetig, sodass Arbeitnehmer regelmäßige Weiterbildungen benötigen, um neue Herausforderungen meistern zu können. Gerade für Geringqualifizierte muss die Bundesagentur für Arbeit deshalb ein breites, kostengünstiges und niedrigschwellig zugängiges Ausbildungs- und Qualifizierungsangebot bereitstellen, um die Fachkräfte von morgen und übermorgen auszubilden. Darüber hinaus sollten auch Unternehmen im Rahmen ihrer Möglichkeiten eigene Fortbildungen anbieten oder die Teilnahme an externen Qualifizierungsmaßnahmen finanziell fördern.

Attraktivität der dualen Ausbildung steigern

Immer mehr junge Menschen entscheiden sich für ein Studium anstatt für eine Ausbildung. Die Studienanfängerquote eines Jahrgangs stieg von 36,1 Prozent im Jahr 2005 auf 52,1 Prozent im Jahr 2018.[10] Da 8 von 10 Auszubildenden ihre Lehre im Mittelstand absolvieren, sind KMU von dem Trend zum Hochschulstudium besonders betroffen.[11]

Dabei bietet die duale Berufsausbildung in Deutschland gute Jobperspektiven und gilt im Ausland oftmals als Vorbild. Da die von Bund und Ländern bei der Studienanfängerquote angestrebte Zielmarke von 40 Prozent schon seit mehreren Jahren überschritten wird, ist es Zeit, dass die Politik den Fokus wieder auf die Steigerung der Attraktivität der dualen Berufsausbildung legt. Auch Unternehmen können ihrerseits regional Präsenz zeigen und aktiv für die angebotenen Ausbildungsberufe werben.

Als attraktiver Arbeitgeber positionieren

Großunternehmen haben im Wettbewerb um Fachkräfte gegenüber Mittelständlern oftmals den Vorteil, dass sie über einen hohen Bekanntheitsgrad und eine starke Arbeitgebermarke verfügen. Für KMU ist es deshalb wichtig, ebenfalls eine starke Arbeitgebermarke aufzubauen und damit die eigene Attraktivität für Bewerber zu steigern. Alle Maßnahmen, die diesem Ziel dienen, bezeichnet man als Employer Branding.

Mittelständische Unternehmen sollten deshalb offensiv kommunizieren, was sie als Arbeitgeber auszeichnet und von anderen Unternehmen abhebt. Bei KMU sind das oftmals vor allem Faktoren wie flache Hierarchien, kurze Entscheidungswege, eine hohe Mitarbeiterbindung und -zufriedenheit sowie die soziale Verwurzelung in der Region. Auch flexible und familienfreundliche Arbeitsmodelle oder Weiterbildungsangebote können die Attraktivität von KMU als Arbeitgeber erhöhen.

Quellennachweise

[1] Leibniz-Institut für Bildungsforschung (2020): Bildung in Deutschland 2020, Seite 144.
[2] Bundesministerium für Bildung und Forschung (2020): Berufsbildungsbericht 2020, Seite 67/68.
[3] Leibniz-Institut für Bildungsforschung (2020): Bildung in Deutschland 2020, Seite 198.
[4] Eurostat (2019): Erwerbstätigenquote nach Geschlecht.
[5] Bundesagentur für Arbeit (2019): Blickpunkt Arbeitsmarkt – Die Arbeitsmarktsituation von Frauen und Männern 2018, Seite 10.
[6] DELTA Institut für Sozial- und Ökologieforschung (2018): Frauen in Teilzeit – Lebensqualität oder Teilzeitfalle.
Sozialwissenschaftliche Repräsentativbefragung des BFSFJ, Seite 20.
[7] EY (2017): Mittelstandsbarometer 2017, Seite 26.
[8] Bundesagentur für Arbeit (2016): Schwerpunktheft Fachkräfte für Deutschland - Zwischenbilanz und Fortschreibung, Seite 37.
[9] Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) (2019): Qualifikationsspezifische Arbeitslosenquote, Seite 3.
[10] Bundesministerium für Bildung und Forschung (2018): Tabelle 1.9.4. - Studienanfänger/-innen absolut und Anteil an der alters
spezifischen Bevölkerung in Deutschland nach Fächergruppen und Studienbereichen.
[11] IfM Bonn (2018): Mittelstand im Überblick.

Ursachen und Folgen des Fachkräftemangels

Der Fachkräftemangel ist längst im Mittelstand angekommen und zu einer Gefahr für das Fortbestehen vieler KMU geworden. Aber was genau sind die Ursachen und Folgen des Fachkräftemangels und welche Branchen sind besonders stark betroffen?

 

 

 

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