Themenschwerpunkt
Fachkräftemangel im Mittelstand
 

Ursachen und Folgen des Fachkräftemangels


Fachkräftemangel als größte Gefahr für die Entwicklung des Mittelstands

Qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind der Schlüssel für Innovationen, Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum in mittelständischen Unternehmen. Doch der Fachkräftemangel ist mittlerweile in fast allen KMU angekommen und stellt eine der zentralen Herausforderungen für die Zukunft des deutschen Mittelstands dar. 56 Prozent der Mittelständler sehen darin sogar eine Gefahr für die Entwicklung ihres Unternehmens, was den Fachkräftemangel zum größten Problem des Mittelstands macht.[1]

Viele KMU arbeiten oftmals bereits an der Auslastungsgrenze und können wegen fehlender Fachkräfte keine neuen Aufträge annehmen. Das Beratungsunternehmen PwC schätzt die daraus resultierenden Umsatzeinbußen im Mittelstand auf fast 65 Milliarden Euro jährlich, was etwa 1,3 Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung entspricht.[2]

 

Auswirkungen bereits heute spürbar: Aufwand für Rekrutierung und Mehrarbeit für Angestellte steigen

Die Entwicklung am Arbeitsmarkt hat bereits heute einen Punkt erreicht, an dem die Auswirkungen des Fachkräftemangels im Geschäftsalltag zu spüren sind. Dies geben 57 Prozent der mittelständischen Unternehmen in einer Studie der DZ-Bank an.[3] Besonders stark wirkt sich der Fachkräftemangel auf die Kosten der Mitarbeiterrekrutierung aus. Bei 85 Prozent der KMU ist der Aufwand hier in Folge des Fachkräftemangels gestiegen.[4]

Auch die Belegschaft vieler Unternehmen ist vom Fachkräftemangel betroffen. Drei Viertel der Mittelständler gaben an, dass ihre Belegschaft den Mangel an neuen Mitarbeitern durch Mehrarbeit ausgleichen muss. Weiterhin führt der Fachkräftemangel zu einem Anstieg der Arbeitskosten – mit negativen Folgen für Wettbewerbsfähigkeit und Gewinnmarge.[5]

Viele Ausbildungsstellen bleiben unbesetzt

Die große Nachfrage nach Fachkräften spiegelt sich auch auf dem Ausbildungsmarkt wider. 525.100 Ausbildungsverträge wurden zu Beginn des Ausbildungsjahres 2019 bundesweit abgeschlossen.[6] Insgesamt blieben jedoch auch rund 53.000 Ausbildungsstellen aus Mangel an qualifizierten Bewerbern unbesetzt – ein Plus von fast 300 Prozent gegenüber dem Jahr 2009.[7] Besonders betroffen waren die Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg sowie der Osten Deutschlands. Gleichzeitig gab es über 24.000 unversorgte Bewerber, die keinen Ausbildungsplatz gefunden haben.[8] Hier wird ein Passungsproblem deutlich, das oftmals mit der falschen oder mangelnden Qualifikation der Bewerber und mit Unterschieden in der regionalen Angebots-bzw. Nachfragesituation zusammenhängt.


Demografischer Wandel und Rückgang der EU-Migration verschärfen die Situation 

Deutschland ist besonders stark vom demografischen Wandel betroffen. Die seit vielen Jahren konstant niedrige Geburtenrate führt zu einem Nachwuchsproblem und verschärft den Fachkräftemangel. Besonders problematisch wird es, wenn mit den geburtenstarken Jahrgängen der 1960er Jahre etwa ab 2030 viele Fachkräfte auf einmal in Rente gehen und damit dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung stehen.

Das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung prognostiziert, dass sich das Erwerbspersonenpotenzial insbesondere aufgrund des demografischen Wandels – je nach Szenario – bis 2030 zwischen drei und vierzehn Prozent gegenüber 2015 verringern wird.[9] Diese starke Diskrepanz zwischen den Szenarien ist auf unterschiedliche Annahmen bezüglich der Entwicklung der Erwerbsquote und der Nettozuwanderung von ausländischen Fachkräften nach Deutschland zurückzuführen. Ein negativer Trend ist jedoch unabhängig vom Szenario klar erkennbar. Obwohl der demografische Wandel ein bundesweites Phänomen ist, wirkt er sich in den neuen Bundesländern besonders stark aus. Hier sind zwischen 36 und 42 Prozent der Arbeitnehmer über 50 Jahre alt, während dieser Wert in Westdeutschland nur bei 33 Prozent liegt.[10]

Neben dem einheimischen Arbeitsmarkt haben auch europäische Fachkräfte in den letzten Jahren einen wichtigen Beitrag zur Sicherung des Fachkräftebedarfs geleistet. Der überwiegende Teil der Erwerbsmigration nach Deutschland kam bisher aus den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Die Nettozuwanderung (Differenz von Zuzügen und Fortzügen) aus EU-Staaten nach Deutschland befindet sich zwar immer noch auf einem hohen Niveau, ist aber seit mehreren Jahren rückläufig. So sank die EU-Nettozuwanderung nach Deutschland zwischen 2015 und 2019 um etwa 58 Prozent[11] – ein Trend, der sich voraussichtlich in den kommenden Jahren fortsetzen wird.[12] Die EU-Binnenmigration wird damit in Zukunft nicht ausreichen, um den hohen Bedarf an Fachkräften zu decken. Vielmehr wird der Zuwanderungsrückgang den ohnehin schon bestehenden Fachkräftemangel weiter verschärfen.
 

Wer ist betroffen? Mangelberufe, Qualifikation und regionale Fachkräftesituation

Im deutschen Mittelstand sind vor allem technische Berufe stark vom Fachkräftemangel betroffen. 50 Prozent der mittelständischen Unternehmen geben an, technische Stellen in der Produktion aus Mangel an Bewerbern nicht besetzen zu können.[13] Diese Befunde decken sich mit den Ergebnissen der Fachkräfteengpassanalyse der Bundesagentur für Arbeit, die vor allem im Handwerk, der Baubranche sowie in technischen Berufsfeldern und in Gesundheits- und Pflegeberufen die größten Fachkräftelücken ausmacht.[14]

Engpässe in technischen Berufen vor allem im Mittelstand spürbar

Da der Mittelstand speziell durch das Handwerk und das produzierende Gewerbe geprägt ist, macht sich der Mangel an Fachkräften mit technischer Ausbildung besonders bemerkbar. Dabei fehlen weniger Akademiker, sondern vielmehr Fachkräfte mit Berufsausbildung, da diese besonders häufig in KMU tätig sind. Im Jahr 2018 waren insgesamt 401.320 Stellen für Fachkräfte mit Berufsausbildung in sogenannten Engpassberufen ausgeschrieben.[15] Ein Beruf gilt dabei als Engpassberuf, wenn auf 100 gemeldete offene Stellen weniger als 200 Arbeitslose mit entsprechendem Qualifikationsniveau kommen. 

Problematisch ist auch, dass insbesondere größere Mittelständler Digitalisierungsprojekte nicht umsetzen können, weil ihnen geeignete Mitarbeiter aus dem Fachbereich Informatik fehlen. Damit bremst der Fachkräftemangel den Weg hin zur Industrie 4.0 aus, was eine Gefahr für die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit des Mittelstandes birgt.

Hinzu kommt, dass KMU im Wettbewerb mit großen Unternehmen um die wenigen Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt oftmals das Nachsehen haben. Finanzielle Anreize, Aufstiegschancen und Bekanntheitsgrad sind Faktoren, die Konzernen einen Vorteil bei der Mitarbeiterrekrutierung gegenüber mittelständischen Unternehmen verschaffen. Zudem sitzen KMU oftmals eher im ländlichen Raum, was sie für viele potenzielle Bewerber tendenziell unattraktiver macht.

Regionale Unterschiede – besonders der Süden ist betroffen

Obwohl der Fachkräftemangel ein bundesweites Problem ist, sind die Auswirkungen in einigen Regionen Deutschlands stärker als in anderen. Während die Fachkräftesituation im Nordosten der Bundesrepublik und in den Stadtstaaten sowie in einigen Regionen von NRW noch verhältnismäßig entspannt ist, leiden Baden-Württemberg und Bayern besonders unter dem Fachkräftemangel. Die Engpassquote, also der Anteil an Stellen in sogenannten Engpassberufen, variiert je nach Bundesland sehr stark.

Während dieser Wert im Jahr 2018 in Berlin 41,9 Prozent betrug[16], lag er in Bayern bei 86,4 Prozent[17] und in Baden-Württemberg sogar bei 88 Prozent[18]. In Ingolstadt lag die Engpassquote etwa bei 92 Prozent[19]. Damit sind mehr als 9 von 10 Stellen nur schwer zu besetzen. Gerade im Süden Deutschlands sind viele mittelständische Unternehmen angesiedelt, die damit unmittelbar von den Auswirkungen dieser Engpässe betroffen sind.

Quellennachweise

[1] EY (2020): Mittelstandsbarometer 2020, Seite 10.
[2] PwC (2018): European Private Business Survey - Ergebnisse Deutschland (Pressemitteilung).
[3] DZ-Bank (2017): Fachkräftemangel hemmt Wachstum deutscher Mittelständler (Pressemitteilung).
[4] Vgl. ebd.
[5] Vgl. ebd.
[6] Bundesministerium für Bildung und Forschung (2020): Berufsbildungsbericht 2020, Seite 10.
[7] Vgl. ebd., Seite 53.
[8] Vgl. ebd., Seite 60.
[9] Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) (2017): IAB-Kurzbericht 6/2017.
[10] Institut der deutschen Wirtschaft (2017): Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (Studie 2/2017), Seite 20.
[11] Graf, Johannes (2020): Freizügigkeitsmonitoring: Migration von EU-Staatsangehörigen nach Deutschland. Jahresbericht 2019.
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Seite 11.
[12] Fuchs, Johann; Kubis, Alexander; Schneider, Lutz (2019): Zuwanderung und Digitalisierung. Bertelsmann Stiftung, Seite 41.
[13] EY (2017): Mittelstandsbarometer 2017, Seite 24.
[14] Bundesagentur für Arbeit (2019): Fachkräfteengpassanalyse, Seite 6.
[15] Institut der deutschen Wirtschaft (2019): Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (Studie 2/2019), Seite 9.
[16] Institut der deutschen Wirtschaft (2018): Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung – Ländersteckbrief Brandenburg und Berlin.
[17] Institut der deutschen Wirtschaft (2018): Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung – Ländersteckbrief Bayern.
[18] Institut der deutschen Wirtschaft (2018): Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung – Ländersteckbrief Baden-Württemberg.
[19] Institut der deutschen Wirtschaft (2018): Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung – Ländersteckbrief Bayern.

Handlungsempfehlungen für Politik und Unternehmen

Um ihren Erfolg weiterhin sichern zu können, ist die mittelständische Wirtschaft auf geeignete Fachkräfte angewiesen. Was können Politik und Unternehmen tun, um ihren Fachkräftebedarf auch zukünftig zu decken?

 

 

 

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