28.11.2024Fachbeitrag

Wie kann Teilzeit helfen, den Fachkräftemangel zu bekämpfen?

 

Eine neue Studie des Jobportals meinestadt.de und des Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung (KOFA) widmet sich genau dieser Frage und zeigt, dass Teilzeit mehr sein kann als nur eine Notlösung. Dabei nehmen die Autoren der Studie eine bisher wenig beachtete Perspektive zum Thema Teilzeitbeschäftigung ein und betonen: „Eine Teilzeitkraft einzustellen ist besser, als eine Stelle unbesetzt zu lassen.“ 

Der Fachkräftemangel bleibt eine zentrale Herausforderung: Aktuell fehlen in Deutschland 531.929 qualifizierte Arbeitskräfte. Teilzeitbeschäftigung kann laut der Studie eine wirksame Strategie sein, um diese Lücke zu schließen. Sie biete Unternehmen die Möglichkeit, Zielgruppen anzusprechen, die durch klassische Vollzeitmodelle häufig ausgeschlossen werden - aktuell arbeiten rund 40 Prozent der Beschäftigten in Teilzeit. Gleichzeitig ermögliche Teilzeit flexiblere Arbeitsbedingungen, die sowohl für Mitarbeitende als auch für Arbeitgeber von Vorteil sind. 

Teilzeit ist somit eine wirksame Maßnahme zur Fachkräftesicherung – sie birgt allerdings auch Herausforderungen, wie etwa die Überwindung von bestimmten Vorurteilen oder die Gestaltung flexibler Rahmenbedingungen, heißt es in der Studie. Wie können Arbeitgeber also das Potenzial von Teilzeit ausschöpfen und gleichzeitig Herausforderungen überwinden?  Die Studienergebnisse liefern hier wertvolle Einblicke und praxisnahe Lösungsansätze. 

Arbeitsbedingungen entscheiden über den Weg von Teil- zu Vollzeit 

„Jede vierte Fachkraft in Teilzeit möchte langfristig in Vollzeit arbeiten“, heißt es in der Studie.  Aber wie gelingt es Arbeitgebern, Anreize für den Wechsel von Teilzeit in Vollzeit zu schaffen? Zunächst gilt es, die individuellen Gründe für die Teilzeitbeschäftigung der Mitarbeiter zu identifizieren. Folgende Gründe für Teilzeit wurden in der Studie am häufigsten genannt: 

  • Kindererziehung- und -betreuung 

  • Mehr Lebensqualität/Zeit für andere Interessen oder Projekte 

  • Erschöpfung, Erreichen der Belastungsgrenze bzw. Stundenkapazität 

  • Krankheit, Unfallfolgen, Behinderung 

Einige Gründe für Teilzeitarbeit, wie etwa die Kinderbetreuung, sind oft nur in bestimmten Lebensphasen relevant. Nach deren Ende besteht häufig die Möglichkeit, in eine Vollzeitbeschäftigung zurückzukehren. Für Arbeitgeber ist es daher entscheidend, die individuellen Motive ihrer Beschäftigten zu verstehen und die Arbeitsbedingungen entsprechend anzupassen. So lassen sich auch gezielt Anreize schaffen, die den Wechsel zurück in Vollzeit erleichtern. Die Studienautoren empfehlen, diesbezüglich besonderen Fokus auf die Förderung des Potenzials von Frauen zu legen, da diese aufgrund traditioneller Rollenbilder häufiger Betreuungspflichten übernehmen und somit weniger in Vollzeit arbeiten. 

Vor allem das Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf spiele im Hinblick auf die Entscheidung für Voll- oder Teilzeit eine entscheidende Rolle. Dabei können flexible Arbeitszeiten oder die Möglichkeit von Homeoffice entscheidende Punkte für die Aufnahme einer Vollzeittätigkeit sein. Auch die Einführung von Angeboten zur betrieblichen Kinderbetreuung oder Belegplätzen in Kitas können Entlastungen für Arbeitnehmer darstellen und zu Stundenaufstockungen führen.  

Der Einsatz von modernen Arbeitsmodellen bietet neben dem Vorteil der Flexibilität, aber auch eine Erhöhung der Attraktivität von Unternehmen und führt so zu einer verbesserten Anwerbung von Fachkräften, zeigen die Studienergebnisse. Herrscht im Unternehmen eine gute Vertrauens- und Dialogkultur, kann dies die Umsetzung von Flexibilisierungen zusätzlich erleichtern. Hierbei können auch Trainings von Führungskräften weiterhelfen. 

Teilzeit als neue Perspektive: Wege jenseits von Klischees und Rollenbildern 

Trotz seiner Vorteile hat die Teilzeitbeschäftigung häufig noch ein schlechtes Image. Dieses lässt sich laut der Studie auf gesellschaftliche Einstellungen und traditionelle Rollenbilder zurückführen. In der Wahrnehmung vieler Arbeitnehmer gilt Teilzeit weiterhin als ein Modell, das vor allem für Frauen attraktiv ist. Nach wie vor wird ihnen die Hauptverantwortung für die Betreuung von Kindern und pflegebedürftigen Angehörigen zugeschrieben. Auch der Gender Pay Gap verstärkt diese Sichtweise, da sich Frauen aufgrund niedrigerer Einkommen eher dazu entscheiden ihre Stundenanzahl zu reduzieren und die Kinderbetreuung zu übernehmen. Die Autoren der Studie sehen eine Lösung des Problems darin, dass beide Elternteile ihre Arbeitszeit reduzieren könnten, um die Betreuung der Kinder gemeinsam zu übernehmen. So wird in vielen Fällen die Gesamtarbeitszeit beider Eltern in Teilzeit sogar höher sein als bei der klassischen Aufteilung in Voll- und Teilzeit, heißt es. 

Um Vorurteile weiter abzubauen, braucht es laut der Studie positive Teilzeitvorbilder sowie ein stärkeres Bewusstsein der Beschäftigten für Teilzeitbeschäftigung. Durch die Erhöhung der Sichtbarkeit von Teilzeit würden vor allem für neue Zielgruppen Beschäftigungsperspektiven geschaffen. Teilzeitvorbilder könnten sich beispielsweise positiv auf die Besetzung von Frauen in Führungsrollen auswirken. Führung in Teilzeit sei zudem auch durch Jobsharing-Modelle möglich, in dem sich zwei Arbeitnehmer eine Position teilen. Dieses Modell bietet sich vor allem für Frauen an, um Beruf und Privates besser miteinander kombinieren zu können.  

Fazit: Wer Fachkräfte sucht, sollte flexibel sein 

Alles in allem verdeutlichen die Studienergebnisse, dass flexible Arbeitsbedingungen im Wettbewerb um Fachkräfte eine entscheidende Rolle spielen. Arbeitgeber, die auf die Wünsche und Bedürfnisse ihrer Mitarbeitenden eingehen, können Fachkräfte schneller gewinnen und langfristig binden. Teilzeit spielt hierbei eine zentrale Rolle, wie die Ergebnisse der Studie zeigen: Jede Stelle, die besetzt ist, ist eine offene Stelle weniger. Arbeitgeber haben damit die Chance, ihre Personalengpässe auszugleichen und können durch gezielte Anreize langfristig Vollzeitstellen schaffen. Teilzeit ist folglich kein Hindernis, sondern eine Chance, den Fachkräftemangel gezielt zu lindern. 

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