Wir haben die falschen Vorbilder
In Gesellschaft und Wirtschaft gibt es viele Beispiele, die zum Vorbild taugen - im Positiven, wie im Negativen.
"Der kleine Bruder des Helden ist das Vorbild», doch wo sind sie geblieben? Wie erleben wir unsere Vorbilder in der Politik, der Wirtschaft, im Sport und in der Kirche? Seit Jahrzehnten ist unsere Gesellschaft in Deutschland getrimmt auf den Höhenflug des Exportweltmeisters, das gesellschaftliche Zusammenleben wurde an den Erfordernissen der Wirtschaft optimiert und das Ergebnis heißt: Egoismus First! Die Gefolgschaft des bigger, better, faster, more hat uns einen Wettbewerb beschert, der als Ergebnis Spezialisten, Fachidioten und Leistungssportler hervorgebracht hat und weniger beziehungsfähige Persönlichkeiten, wie schon der Neurowissenschaftler Gerald Hüther in seinen Vorträgen zu berichten weiß. Machen wir eine Bestandsaufnahme:
1. Vertrauen in politische Führer
Das Machtgezerre um den Kanzlerkandidaten zwischen Armin Laschet und Markus Söder war nicht dazu angetan, Vertrauen aufzubauen, sondern entlarvt die holen Sprüche im Vorfeld zur Entscheidungsfindung der Unglaubwürdigkeit und lassen den Wähler mitten in der Pandemie staunend zurück. Und ob die Liste der Namen im Zusammenhang mit der COVID Maskenaffäre bezüglich der persönlichen Bereicherung mit den Namen Nüßlein, Löbel und Sauter noch verlängert wird, steht noch nicht fest, als vertrauensbildende politische Massnahme kann das allerdings nicht verstanden werden.
2. Vertrauen in wirtschaftliche Führer
Werner Baumann, seines Zeichens CEO bei Bayer, kauft im Jahr 2018 die Firma Monsanto in den USA mit der Ankündigung «Mit dieser Transaktion schaffen wir erheblichen Wert für Aktionäre, Kunden, Mitarbeiter und für die Gesellschaft insgesamt», trotz erheblicher Bedenken im Markt wegen der Glyphosat-Klagen gegen den Konzern. Ergebnis: Kurs der Aktie halbierte sich in drei Jahren und mit 10.5 Mrd. Euro verbuchte Bayer den höchsten Verlust der Unternehmensgeschichte. Folgen für den CEO: Keine!
Christian Sewing, CEO der Deutschen Bank, schafft in 2020 den Turn Around erstmalig seit 2014 und die Bank verdient wieder Geld. Beflügelt von dieser Leistung genehmigt er Gehälter und Boni für 684 «Einkommensmillionäre» in einem COVID-Jahr, indem bis zu 6 Millionen Menschen Kurzarbeitergeld beantragen, also nur 60% des sonstigen Nettos bekommen. Solidarität sieht anders aus!
3. Vertrauen in kirchliche Oberhäupter
Der Skandal um die Vertuschung von Missbrauchsfällen um Erzbischof Kardinal Woelki hat bis heute einen enormen Vertrauensverlust und massive Kirchenaustritte zur Folge. Dagegen ist die «goldene Badewanne» vom ehemaligen «Protz-Bischof» Tebartz-van Elst fast schon vergessen.
4. Vertrauen in sportliche Vorbilder
Radprofi Jan Ulrich bleibt sicherlich vielen in Erinnerung als der Gewinner der Tour de France und derjenige Profiradfahrer, der gelogen und betrogen hat, indem er zum Doping gegriffen hatte.
Fußballprofi David Alaba wird nachgesagt, dass er ein «Geldgieriger Piranha» sei, weil er in Zeiten, in denen viele Fußballer aufgrund der Pandemie auf Einkommen verzichten, seine Gehaltersforderungen eher in die Höhe treibt. Geoutet als Materialist in schweren Zeiten ist seine Vertragsverlängerung beim FC Bayern nicht geglückt und auch Alaba taugt nicht zum positiven Beispiel für Vertrauen in Vorbilder im Sport, wohl aber für Egoismus First!
Vertrauen in den Staat
Und jetzt steckt die ganze Welt auch noch in einer Krise, in der Vertrauen in stattliches Wirken enorm an Bedeutung gewinnt. Zunächst erlebten wir Vertrauen in eine verantwortliche Staatsführung durch Umsetzungsstärke, ehrlich und integer, und proklamierend unseren Zusammenhalt, #wir gemeinsam. Doch nicht jeder Mensch ist zum Marathonläufer geboren und die Einschränkungen unserer Freiheitsrechte, zu eklatante Bürokratie bei Impfverordnungen, die Milliarden von Kosten für Steuerzahler und Wirtschaft und nun auch noch persönliche Bereicherung von Amtsträgern gerade durch diese Krise, erschüttern zunehmend das Vertrauen der Bürger in die politische Führung.
Prof. Frances Frei und Anne Morriss beschreiben in Ihrem Artikel Vertrauensfrage im Harvard Business Manager (veröffentlicht XING vom 28. Januar 2021) drei Eigenschaften, die als Ursache für fehlendes Vertrauen dienen: Empathie, Logik und Authentizität. Auf das Handeln unserer politischen Führung angewandt bedeutet das: sowohl Frau Merkel als auf Jens Spahn wurden anfangs als empathisch und authentisch erlebt, allerdings mit aktuell stark fallender Tendenz. Der dritte Punkt, die Logik, also das ständige Verändern der Bemessungsgrundlage für Einschränkungen in unserem Leben, mal ist es die 7-Tage-Inzidenz bei 35, dann bei 50 oder gar 100, mal der 7-Tage-R-Wert und zur Krönung beides in Kombination, lassen keine Logik erkennen und darunter leidet die wahrgenommene Kompetenz, ebenso wie unter den willkürlich erscheinenden und immer neuen Einschränkungsmaßnahmen. Begleitet wird dies mit einem Maskendesaster und einem Schneckentempo im Impfkarussell und voilà – Vertrauen entwickelt sich immer mehr zu einem kostbaren Gut.
Fazit und zwei Wünsche
«Der kleine Bruder des Helden ist das Vorbild» und es gibt sie, nicht die oben aufgeführten und in den Medien allgegenwärtigen Beispiele, aber vielleicht ist es die eigene Oma oder der Papa, die große Schwester, eine tolle Lehrerin, der Rettungswagenfahrer beim Malteser oder einfach nur unsere Heldin an der Kasse bei unserem täglichen Einkauf beim REWE oder Aldi. Auch in der Wirtschaft gibt es viele Beispiele, die zum Vorbild taugen: die Brauerei Füchschen aus Düsseldorf stand kurz davor 6.000 Liter des köstlichen Altbieres wegkippen zu müssen, als daraus eine Brot-Back-Aktion mit glückselig beschwipstem Sauerteig wurde. Statt Wasser kam Altbier in den Teig und der Erlös aller verkauften Brote floss der Brauerei zu. Win – win für alle! Ich wünsche mir eine Zeitreise zurück, als wir Kerzen ins Fenster gestellt haben, Rettungskräften applaudiert haben und an der Kasse «danke» gesagt haben, denn in dieser Zeit waren die Menschen in Deutschland mein Vorbild und hatten mein volles Vertrauen: #wirgemeinsam!
«Erfolg besteht darin, dass man genau die Fähigkeiten besitzt, die im Moment gefragt sind» sagte oder schrieb einmal Henry Ford. Vielleicht bringt die Kanzlerkandidatin der Grünen, Annalena Baerbock, ja genau diese Fähigkeiten mit, indem sie ein Regierungsangebot macht und uns Bürger dazu einlädt, dieses anzunehmen. Zumindest der Sprachgebrauch ist wohltuend anders als in den etablierten Parteien, allerdings sind jetzt vertrauensbildende Massnahmen zur Erhöhung der Wahlchancen notwendig, weg von der Blaupause des Wahlprogramms und hin zum Erleben von Handlungen durch die Bürger dieses wunderbaren Landes. Ich wünsche mir, dass unsere politische Führung, und da sind auch persönliche Vorbilder für mich dabei, erfolgreich diese Pandemie in den Griff bekommt, denn der Virus kennt weder arm noch reich, macht nicht Halt vor Egoismus First und niemand rettet sich oder andere in der Anbetung von bigger, better, faster, more. Es kann nur einen Weg geben und da stimme ich Annalena Baerbock zu: #wirgemeinsam!
Teil II der Beitragsserie Vertrauen in Führung