1 Jahr bis zur Bundestagswahl: Bilanz zur Digitalpolitik
Der DMB analysiert die bisherige Digitalpolitik der Ampel-Regierung auf bedeutende Schwerpunkte für den Mittelstand.
Der DMB verfolgt mit Interesse die Umsetzung der digitalpolitischen Vorhaben der Bundesregierung und zieht eine Zwischenbilanz ein Jahr vor der Bundestagswahl: Hat die Bundesregierung Ihre Ziele erreicht? Was fehlt dem Mittelstand im Bereich Digitalisierung und kann das im verbleibenden Jahr noch umgesetzt werden? Der DMB zieht eine Bilanz für acht mittelständische Schwerpunkte der Digitalpolitik und bewertet diese nach Schulnoten von 1 (sehr gut) bis 6 (ungenügend).
1. Infrastrukturausbau
Beim Infrastrukturausbau steht die Gigabitstrategie, mit der ein Glasfaseranschluss für alle Haushalte anvisiert wird, im Fokus. Positiv ist festzustellen, dass ein Großteil der geplanten Maßnahmen realisiert wurden, obgleich sich die Strategie weiterhin in der Umsetzungsphase befindet. Gespräche zwischen den Verantwortlichen der Bundesländer zu baurechtlichen Vorschriftsanpassungen, Zentralisierung der Datenbereitstellung und neue, verbesserte Förderaufrufe sind als Zwischenergebnisse und strategische Anstöße für den weiteren Netzausbau festzuhalten.
Das messbare Zwischenziel bis 2025 ist die Verfügbarkeit von Glasfaseranschlüssen für die Hälfte der Haushalte und Unternehmen zu erreichen, ist wenig anspruchsvoll angesetzt und es war bereits früh absehbar, dass dieses Ziel erfüllt wird. Angesichts der zunehmenden Herausforderungen und Kosten für die Abdeckung verbleibender Gebiete sollte bis zur nächsten Bundestagswahl ein ambitionierteres Etappenziel gesetzt werden, um die Entwicklung als echten Erfolg einordnen zu können. Daneben geht die Problematik einher, dass der Glasfasernetzausbaus bei Haushalten zwar den Zielen entsprechend auf einem guten Weg ist, aber trotzdem nur jeder vierte Haushalt diese Anbindung tatsächlich aktiv nutzt.
Note: 3 (befriedigend)
2. Digitalstrategien
Zwar liegen mit der „Digitalstrategie der Bundesregierung“ und der „Strategie für die Internationale Digitalpolitik“ einige mittelstandsfreundliche Vorhaben der Bundesregierung vor, dennoch ist fraglich, ob diese bis zum Ende der Legislatur realisiert werden. Während bei der „Internationalen Digitalpolitik“ konkrete Maßnahmen fehlen und im kommenden Bundeshaushalt weniger Mittel zur Verfügung stehen, wurden bei der „Digitalstrategie“ zumindest einige Zielvorhaben umgesetzt. Trotzdem ist die ursprüngliche Idee der Strategie, einen „digitalen Aufbruch“ in Deutschland auch bei den KMU zu erreichen, nur im Ansatz aufgegangen.
Note: 2 (gut)
3. Digitale öffentliche Verwaltung
Die Zielsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) 1.0 bis Ende 2022 eine digitale Abwicklung aller Verwaltungsdienstleistungen zu ermöglichen, ist weit verfehlt worden. Selbst aktuell, im September 2024, sind erst ein Viertel der digitalen Services bundesweit nutzbar, weshalb für einige Unternehmerinnen und Unternehmer zeitintensive, analoge Verwaltungsgänge immer noch erforderlich sind.
Um das eigentliche Ziel des OZG 1.0 zu erreichen, ist der Rechtsrahmen unter Einbeziehung bisheriger Umsetzungsschwierigkeiten in einem OZG 2.0 angepasst worden. Mit der neuen Gesetzesgrundlage zeigt die Ampel-Regierung auf Bundesebene ihren Transformationswillen, wenngleich beispielsweise der Rechtsanspruch des OZG 2.0 nur minimale Wirkungskraft entfalten kann und insgesamt die Übergangs- und Evaluierungsfristen zu lange Vorlaufzeiten beanspruchen. Doch auch die einzelnen Landesregierungen stehen hierbei gemeinsam mit der Bundesregierung in der Pflicht, den Kommunen die als effizient befundene Umsetzungen zu vermitteln und die finanzielle Unterstützung auszubauen.
Note: 4 (ausreichend)
4. Novellierung der Datenregulierung und Zugang zu Daten
Eine Novellierung der Datenregulierung im großen Umfang ist ausgeblieben. Einzelne Ansätze greifen zu kurz, wie beispielsweise der Versuch, die Anzahl der Cookie-Banner per Verordnung zu verringern, zuletzt gezeigt hat. Eine Harmonisierung der datenschutzrechtlichen Auslegung im Wirtschaftsbereich konnte nicht im hohen Maße sichergestellt werden, da überregional agierende Unternehmen kontinuierlich der Herausforderung einer unterschiedlichen Auffassung der datenrechtlichen Anforderungen in den einzelnen Bundesländern gegenüberstehen.
Auf der einen Seite befindet sich die Einführung eines neuen Dateninstituts zur Erhöhung der Datenverfügbarkeit und -standardisierung planmäßig in der Ausschreibungs- / Aufbauphase und es hat Haushaltsmittel zugewiesen bekommen. Auf der anderen Seite mangelt es an der öffentlichen Zugänglichkeit von Behördendaten (Open Data), trotz einer häufigeren Bereitstellung solcher Daten in einigen Kommunen. Zusätzlich fehlt der angekündigte Rechtsanspruch auf Open Data weiterhin. Dies hat zur Folge, dass KMU Open Data kaum für innovative Geschäftsmodelle weiterverwerten können.
Note: 4 (ausreichend)
5. IT-Sicherheit
Die angestrebte Verbesserung der IT-Sicherheitslage der Wirtschaft ist grundsätzlich als positive Entwicklung einzuordnen. Neue Rechtsrahmen, wie der Entwurf für die Umsetzung des Netz- und Informationssystemsicherheitsgesetzes (NIS-2), stellen aber erhöhte Anforderungen mit kurzfristigen Vorlaufszeiten für KMU. Diese Anforderungen entstehen indirekt dadurch, dass KMU Teil der IT-Lieferkette von betroffenen Unternehmen sind. Trotz der mittelstandsfreundlichen Zielsetzung bleibt die rechtliche Ausgestaltung hinsichtlich der Berücksichtigung von kleinen Zulieferunternehmen verbesserungsfähig. Darüber hinaus sind weitere Maßnahmen und präzise Informationsangebote für die Stärkung der IT-Sicherheit in KMU erforderlich, die bisher nur ansatzweise vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik bereitgestellt sind.
Note: 3 (befriedigend)
6. Künstliche Intelligenz
Die Förderung und Intensivierung neuer technologischer Maßnahmen, stellt einen Wettbewerbsfaktor für den Mittelstand dar. Die Bundesregierung hat mit ihrem KI-Aktionsplan und der KI-Förderung an neuen Schlüsseltechnologien angesetzt. Diese ersten Schritte sind zu vertiefen. Ein rechtlicher Sicherheitsrahmen ist durch die direkte Umsetzung des EU-AI-Acts gegeben. Weitere regulatorische Maßnahmen sollten abgewogen werden und wie bisher nur bei Lücken im Rechtsrahmen zum Trage kommen, damit die Innovationsfähigkeit der Unternehmen nicht eingeschränkt wird.
Note: 2 (gut)
7. Schließung der MINT-Fachkräftelücke
Der Mangel an Fachkräften, insbesondere im IT-Bereich, hat sich in den letzten Jahren vergrößert und wird in den nächsten Jahrzehnten wohl exponentiell steigen. Die Bundesregierung hat Maßnahmen zur Fachkräftesicherung und -gewinnung, einen MINT-Aktionsplan 2.0 zur Nachwuchsförderung und die Weiterbildungsplattform „mein NOW“ etabliert. Dennoch sind notwendige große, strukturelle Maßnahme zur Schließung der MINT-Fachkräftelücke nicht ausreichend vorhanden.
Note: 4 (ausreichend)
8. Förderung für die digitale Transformation
Die Digitalisierungsförderung erfährt auf Bundes- sowie Landesebene eine rückläufige Entwicklung. Das zeigt sich u. a. dadurch, dass die entsprechenden Programme, wie „go-digital“ und „Digital Jetzt“ zwischenzeitlich ausgelaufen sind bzw. bald auslaufen werden und auch nicht adäquat ersetzt wurden. Für die Zukunftsfähigkeit des Mittelstandes sind die Auflegung neuer Förderprogramme erforderlich - insbesondere zur Stärkung der digitalen Transformation der kleinen Unternehmen und Entwicklung technischer Innovationen.
Note: 4 (ausreichend)
Fazit
Die Bundesregierung hatte mit ihrem Koalitionsvertrag viel Hoffnung im Mittelstand für einen Wandel der Digitalpolitik geweckt. Seither hat der DMB jedoch ernüchternde Zwischenbilanzen gezogen und vermisst eine vollumfängliche Umsetzung der Pläne.
Die aktuelle Zwischenbilanz ein Jahr vor der Bundestagswahl zeigt eine Verbesserung einzelner Teilbereiche, insgesamt bleiben die Maßnahmen jedoch hinter den Erwartungen zurück. Zwar lag der Fokus aufgrund der weltpolitischen Entwicklungen der letzten Jahre verständlicherweise auf anderen Politikfeldern, gleichwohl ist die digitale Transformation des Mittelstandes ein elementarer Wirtschaftsfaktor für Deutschland. Positiv hervorzuheben sind die Schwerpunkte Digitalstrategien und Künstliche Intelligenz. Demgegenüber besteht großer Nachholbedarf bei der Digitalförderung, den MINT-Fachkräften, der Datenregulierung sowie der digitalen Verwaltung.
Alles in allem kommt der DMB zu einer Gesamtnote von „3 (befriedigend)“ und sieht somit beim aktuellen Stand einen großen Nachholbedarf bei vielen digitalpolitischen Schwerpunkten. Wir fordern die Bundesregierung auf, im verbleibenden Jahr möglichst viele ihrer digitalpolitischen Vorhaben im Sinne des Mittelstandes umzusetzen, um langfristig die Wettbewerbsfähigkeit von KMU sicherzustellen.