17.07.2019Fachbeitrag

Anlageimmobilien im Nachlass: Vorsicht bei der Nachlassverteilung!

Die Konsequenzen des BGH-Urteils vom 9. Januar 2019 (Aktenzeichen VIII ZB 26/17) für die Weitergabe von Anlageimmobilien im Nachlass

Ausgangssituation

Nicht selten umfasst ein Nachlass Anlageimmobilien und häufig ist ein Nachlass unter mehreren Erben (= Miterben) zu verteilen. Was ist zu berücksichtigen, wenn ein Erbe die Immobilie gegen Auszahlung der anderen zu Alleineigentum übernehmen will?

Mit dem Eintritt des Erbfalls (= Tod des Erblassers) treten alle Erben kraft Gesetzes (zwingend) in die Vermieterstellung ein. Soll bzw. will einer der Erben die Immobilie zu Alleineigentum übernehmen (die anderen Erben erhalten im Gegenzug andere Nachlassgegenstände oder eine Ausgleichszahlung), scheiden die anderen Erben nach der Rechtsprechung des BGH nicht ohne weiteres aus der Stellung als Vermieter aus. Sie treffen weiterhin die Pflichten eines Vermieters und damit Haftungsrisiken. Umgekehrt ist der Erbe, der die Immobilie zu Alleineigentum übernimmt, weiterhin von der Mitwirkung der anderen Erben abhängig.

Eine unter Umständen weitreichende Konsequenz, die sich erst auf den zweiten Blick aus dem Urteil des BGH vom 9. Januar 2019 ergibt. Sowohl bei der Testamentsgestaltung als auch bei der Nachlassverteilung sollte die Rechtsprechung des BGH daher durch entsprechende Regelungen berücksichtigt werden.

Der vom BGH am 9. Januar 2019 entschiedene Fall

Eine Ehefrau und ihr Ehemann waren Miteigentümer eines Zweifamilienhauses. Sie hatten eine der beiden Wohnungen im Haus vermietet, die andere Wohnung bewohnte die Ehefrau selbst. Der Ehemann übertrug der Ehefrau seinen Miteigentumsanteil an der Immobilie, wodurch die Ehefrau Alleineigentümerin wurde. Anschließend kündigte die Ehefrau den Mietern. Da die Mieter nicht auszogen, nahm die Ehefrau sie gerichtlich auf Räumung und Herausgabe der Wohnung in Anspruch.

Der BGH hat in diesem Fall wie folgt entschieden

Die Kündigung eines Mietverhältnisses hat grundsätzlich durch alle Vermieter gemeinsam zu erfolgen. Ursprünglich waren die Ehefrau und der Ehemann Miteigentümer und damit beide Vermieter der Wohnung. Der BGH hatte nunmehr darüber zu entscheiden, ob der Ehemann durch die Übertragung seines Miteigentumsanteils als Vermieter ausgeschieden war, sodass die Ehefrau die Kündigung allein vornehmen konnte.

§ 566 Abs. 1 BGB sieht vor, dass bei einer Übertragung des Eigentums an vermietetem Wohnraum der Erwerber in die Stellung des Vermieters rückt und der Veräußerer als Vermieter ausscheidet. Ohne § 566 Abs. 1 BGB stünde der Erwerber in keinerlei besonderem Verhältnis zum Mieter und könnte – als Eigentümer ohne jegliche Verpflichtung dem Mieter gegenüber – vom Mieter die Räumung der Wohnung verlangen.

§ 566 Abs. 1 BGB gilt jedoch nur bei Veräußerungen an einen Dritten, also eine Person, die bis zur Übertragung des Eigentums nicht selbst Vermieter gewesen ist.

In dem vom BGH entschiedenen Fall hatte ein Miteigentümer dem anderen Miteigentümer seinen Eigentumsanteil übertragen, sodass keine Übertragung an einen Dritten stattgefunden hat. Der BGH hatte sich daher mit der folgenden Frage zu beschäftigen: Hat es der Gesetzgeber unabsichtlich versäumt, für die Fälle der Veräußerung an einen Miteigentümer eine Regelung zu treffen und ist § 566 Abs. 1 BGB deswegen auf diese Fällen entsprechend anzuwenden?

Diese Frage verneinte der BGH mit Verweis auf den Sinn und Zweck von § 566 Abs. 1 BGB: Sinn und Zweck von § 566 Abs. 1 BGB ist nach der Rechtsprechung des BGH (siehe z.B. Urteil des BGH vom 12. Juli 2017 zum Az. XII ZR 26/16) „der Schutz des Mieters vor einem Verlust des Besitzes an der Mietwohnung gegenüber einem neuen Erwerber im Falle der Veräußerung der Mietsache“. Dieser Sinn und Zweck sei bei der Übertragung eines Eigentumsanteils an einen Miteigentümer von vornherein nicht berührt. Denn der nunmehrige Alleineigentümer sei ohnehin an den Mietvertrag gebunden, den er als vormaliger Miteigentümer mit abgeschlossen hat. Ein Besitzverlust des Mieters stehe daher nicht zu befürchten.

Die Bedeutung der BGH-Rechtsprechung für die Verteilung von Nachlässen unter mehreren Miterben

Das Urteil des BGH vom 9. Januar 2019 hat weitreichende Konsequenzen für die Verteilung von Nachlässen mit Anlageimmobilien:

Eine im Nachlass vorhandene Nachlassimmobilie geht mit dem Tod des Erblassers auf seine Erben „zur gesamten Hand“ über. Die Miterben werden gemeinsam als Erbengemeinschaft Eigentümer. Soll bei der Verteilung des Nachlasses die Immobilie einem Erben zum Alleineigentum übertragen werden, kommt die Rechtsprechung des BGH vom 9. Januar 2019 zum Tragen.

Die Erben, die die Immobilie nicht zu Alleineigentum übernehmen, treffen weiter die Pflichten und die Haftung eines Vermieters. Umgekehrt ist der Erbe, der die Immobilie zu Alleineigentum übernommen hat, im Verhältnis zu dem Mieter nicht alleine handlungsfähig. Er kann daher nicht alleine Mieterhöhungen vornehmen, Kündigungen aussprechen etc.

So hatte es im letzten Jahr auch bereits das Kammergericht in Berlin entschieden (Urteil vom 8. Oktober 2018, Aktenzeichen 8 U 111/18). Diese Rechtsprechung wurde nunmehr vom BGH in der Konsequenz bestätigt.

Beim Vererben von Anlageimmobilien ist daher Vorsicht geboten. Sinnvoll ist es, bereits im Testament Regelungen zu treffen, die den Übergang des Eigentums auf mehrere Miterben ausschließen. Andernfalls müssen sich die Miterben der Konsequenzen bei der Verteilung des Nachlasses bewusst sein.

Fehlt eine entsprechende testamentarische Regelung und will gleichwohl ein Erbe die Immobilie zu Alleineigentum übernehmen, sind bei der Nachlassverteilung Gestaltungen denkbar, um die „rechtliche Verquickung“ zwischen ihm und den anderen Erben zu lösen. Diese Gestaltungen sind jedoch allesamt recht komplex und setzen die Kooperationsbereitschaft aller Miterben voraus. Eine testamentarische Lösung ist grundsätzlich der bessere Weg.

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