18.08.2021Fachbeitrag

Arbeitszeiterfassung - Wer ist in der Pflicht?

Laut EU-Richtlinie sind Arbeitgeber*innen verpflichtet, die täglich geleistete Arbeitszeit ihrer Beschäftigten zu messen. Im deutschen Arbeitszeitgesetz hingegen liegt die Darlegungs- und Beweislast betreffend die wichtige Überstundenvergütung beim Arbeitnehmer*in.

  • Laut EU-Richtlinie sind Arbeitgeber*innen verpflichtet, die täglich geleistete Arbeitszeit ihrer Beschäftigten zu messen.
  • Das Arbeitszeitgesetz ist im Lichte der  EU-Richtlinie zur Arbeitszeiterfassung europarechtskonform auszulegen.
  • In einem Überstundenprozess trifft  die/den Arbeitnehmer*in die volle Darlegungs- und Beweislast für geleistete Überstunden.

Bekanntermaßen hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in seinem Urteil vom 14. Mai 2019 zu einem Fall spanischen Rechts entschieden, dass die Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG erfordert, dass Arbeitgeber verpflichtet werden, ein System einzurichten, mit dem die von jedem Arbeitnehmer geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann.

Umstritten war und ist bis heute, welchen Einfluss diese Entscheidung auf die nationalen Regelungen hat. Auch das deutsche Arbeitszeitgesetz widerspricht in diesem Kontext wohl eindeutig der Richtlinie. Da Richtlinien allerdings nicht unmittelbar in nationales Recht einwirken, ist die Frage der Auswirkungen der Rechtsprechung unklar bzw. umstritten.

 

Darlegungs- und Beweislast im Überstundenprozess

Weitgehend hatte das Arbeitsgericht Emden in seinem Urteil vom 09. November 2020 – 2 Ca 399/18 – eine Umkehr der Beweislast als Folge dieses Urteils angenommen. Grundsätzlich ist es in einem Überstundenprozess so, dass der Arbeitnehmer die volle Darlegungs- und Beweislast für die erbrachten Tätigkeiten hat. Das Arbeitsgericht schloss aus der Entscheidung des EuGH jedoch, hier müsse es nunmehr zu einer Beweislastumkehr kommen, der Arbeitgeber also beweisen, dass der Arbeitnehmer nicht gearbeitet habe.

Im Berufungsverfahren über diese Entscheidung hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen die Entscheidung des Arbeitsgerichts Emden im Urteil vom 06. Mai 2021 – 5Sa 1292/20 – abgeändert und ausgeführt, die Entscheidung des EuGH habe keinerlei Auswirkungen auf die Darlegungs- und Beweislast in einem Überstundenprozess.

Das LAG hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen. Es bleibt zu hoffen, dass von der Möglichkeit, das Revisionsverfahren durchzuführen, Gebrauch gemacht und diese wichtige und streitige Rechtsfrage so zeitnah wie möglich geklärt wird.

 

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