16.03.2020Fachbeitrag

Coronavirus: Kurzarbeit und Kurzarbeitergeld

Pascal Verma, Fachanwalt für Arbeitsrecht von der Wirtschaftskanzlei nbs partners, hat den nachfolgenden Beitrag mit dem Titel „Kurzarbeit und Kurzarbeitergeld in Zeiten des Coronavirus“ als Mandanteninformation verfasst. Diese Information stellt er DMB-Mitgliedern zur Verfügung: Kleine und mittlere Unternehmen benötigen heute mehr denn je schnelle und professionelle Unterstützung, um auf die dynamischen Auswirkungen des neuartigen Coronavirus reagieren zu können. Alle wesentlichen Informationen zu Fragen rund um Kurzarbeit und Kurzarbeitergeld finden Sie nachstehend von Herrn Verma zusammengefasst.

Einführung

Das Coronavirus SARS-Cov-2 ist aktuell das beherrschende Thema – nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. In allen Lebensbereichen bestehen gravierendste Auswirkungen.

Unter anderem gibt es derzeit kaum Branchen, in denen an einen normalen Arbeitsalltag zu denken ist. Die Unternehmen und ihre Mitarbeiter sind davon in gleicher Weise betroffen.

Viele Arbeitgeber setzen ihre Arbeitnehmer derzeit im Homeoffice ein. Vor Ort verbleibt nur eine Notbesetzung.

Es gibt aber auch zahlreiche Branchen, in denen nicht alle Unternehmensprozesse im Remotemodus abgebildet werden können. Ist in diesen Branchen zugleich noch ein erheblicher Nachfragerückgang festzustellen – wie z.B. derzeit beim Einzelhandel, der Gastronomie und allen Dienstleistern rund um das Schul- und Kitasystem –, braucht der Unternehmer andere Lösungsmöglichkeiten. Den gleichen Herausforderungen sieht sich ein Unternehmer aus diesen Branchen ausgesetzt, wenn er seinen Betrieb ganz oder teilweise infolge eines Corona-Verdachts oder einer positiven Corona-Diagnose eines Mitarbeiters oder aufgrund einer behördlichen Entscheidung (wie z.B. der Allgemeinverfügung der Freien und Hansestadt Hamburg vom 15.03.2020) geschlossen halten muss.

Denn trotz aller Besonderheiten der aktuellen Situation gilt im Ausgangspunkt der arbeitsrechtliche Grundsatz, dass das Betriebsrisiko vom Arbeitgeber zu tragen ist. Er hat also dem arbeitsfähigen Arbeitnehmer die vereinbarte Vergütung zu zahlen, unabhängig davon, ob er den Arbeitnehmer einsetzen kann oder nicht (§ 613 S. 3 BGB).

Damit der Arbeitgeber die wirtschaftliche Belastung einerseits nicht allein tragen muss und um anderseits nicht durch Kündigungen gegenüber den Arbeitnehmern das Knowhow zu verlieren, das bei einer Normalisierung der Umstände wieder dringend gebraucht wird, steht Unternehmen das Instrument der Kurzarbeit einschließlich des Kurzarbeitergeldes zur Verfügung.

Die Voraussetzungen, die Rechtsfolgen sowie die neuesten Gesetzesänderungen, die in einem Eilverfahren am 13.03.2020 durch das Arbeit-von-morgen-Gesetz beschlossen worden sind, sind die Folgenden:

Kurzarbeit

Einführung von Kurzarbeit

Von besonderer Bedeutung ist zunächst der Hinweis, dass das Unternehmen die Einführung von Kurzarbeitnicht einseitig anordnen kann. Vielmehr bedarf es einer Vereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer, die sowohl kollektiv- oder einzelvertraglich erfolgen kann.

In Betrieben mit einem Betriebsrat besteht zudem ein Mitbestimmungsrecht über die Einführung der Kurzarbeit (§ 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG). Die vertragliche Grundlage für die Einführung der Kurzarbeit kann in diesem Fall eine Betriebsvereinbarung sein.

Besteht kein Betriebsrat oder sieht ein einschlägiger Tarifvertrag keinen Kurzarbeitsvorbehalt vor, muss der Unternehmer die Kurzarbeit mit jedem Arbeitnehmer vereinbaren, der davon betroffen sein soll. Um die Zwecke der Kurzarbeit zu erreichen, sollte die Einführung erfahrungsgemäß von einer mindestens zu erreichenden Zustimmungsquote auf der Arbeitnehmerseite abhängig gemacht werden.

Außerdem ist die Einführung von Kurzarbeit durch Änderungskündigung denkbar.

Rechtsfolgen

Wird mit dem Arbeitnehmer die Kurzarbeit wirksam vereinbart, verringert sich vorübergehend

  1. die Arbeitszeit und
  2. im gleichen Verhältnis die zu zahlende Vergütung.

Ohne eine wirksame Vereinbarung über die Kurzarbeit sind die vorübergehende Verringerung der Arbeitszeit und der Vergütung nicht wirksam. Der Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers bleibt in der vertraglich vereinbarten Höhe bestehen.

Kurzarbeitergeld

Anspruchsbegründende Mitwirkung an den Arbeitgeber

Führt ein Unternehmen Kurzarbeit ein, ist dies der Bundesagentur für Arbeit anzuzeigen. Die Anzeige der Kurzarbeit ist – ebenso wie der davon gesonderte Antrag – Voraussetzung für die Zahlung von Kurzarbeitergeld.

Sind die Anzeige und der Antrag wirksam, wird das Kurzarbeitergeld an den Arbeitgeber gezahlt, der es an die Arbeitnehmer weiterzuleiten hat.

Bezüglich der Anzeige und des Antrags muss der Arbeitgeber größte Sorgfalt walten lassen. Er trägt das wirtschaftliche Risiko. Bei einer unterlassenen oder fehlerhaften Beantragung können dem Arbeitnehmer Schadensersatzansprüche zustehen (vgl. z.B. LAG Sachsen, Urteil vom 30.08.2002, Az.: 3 Sa 996/01). Zudem kann er gegenüber dem Arbeitnehmer weitergeleitetes Kurzarbeitergeld nicht zurückverlangen, sofern die Agentur für Arbeit die Gewährung von Kurzarbeitergeld später widerruft (BAG, Urteil vom 11.07.1990, Az.: 5 AZR 557/89).

Materielle Voraussetzungen des Kurzarbeitergeldes

Die wesentliche materielle Voraussetzung für einen Anspruch auf Kurzarbeitergeld ist, dass bei dem Unternehmen ein erheblicher Arbeitsausfall besteht, der durch die Kurzarbeit mit einem Entgeltausfall verbunden ist und der Bundesagentur für Arbeit angezeigt worden ist (§ 95 Abs. 1 SGB III).

Die Schwelle der Erheblichkeit ist erreicht, sofern

  1. der Arbeitsausfall auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruht,
  2. der Arbeitsausfall vorübergehend ist,
  3. der Arbeitsausfall nicht vermeidbar ist und
  4. der Arbeitsausfall im jeweiligen Kalendermonat (Anspruchszeitraum) mindestens ein Drittel der in dem Betrieb beschäftigten Mitarbeiter von einem Entgeltausfall von jeweils mehr als 10 % ihres monatlichen Bruttoentgelts betroffen ist.

In diesem Zusammenhang wurde die Bundesregierung durch das am 13. März 2020 beschlossene Arbeit-von-morgen-Gesetz dazu ermächtigt, den Anteil der in dem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die vom Entgeltausfall betroffen sein müssen, auf bis zu 10 % herabzusetzen. Nach der Pressmitteilung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 13.03.2020soll die Herabsetzung der Voraussetzung ab April 2020 angewendet werden.

Daneben muss der betroffene Mitarbeiter für den Kurzarbeitergeldbezug persönliche Voraussetzungen erfüllen. Diese sind, dass der Mitarbeiter nach Beginn des Arbeitsausfalls eine versicherungspflichtige Beschäftigung fortsetzt, aus zwingenden Gründen aufnimmt oder im Anschluss an die Beendigung eines Berufsausbildungs-verhältnisses aufnimmt und kein Ausschlussgrund gemäß § 98 Abs. 3 SGB III einschlägig ist.

Höhe

In dem Umfang, in dem der Arbeitnehmer nach der Einführung der Kurzarbeit für das Unternehmen tätig wird, ist die Vergütung weiterzuzahlen (sog. „Ist-Entgelt“). Hinsichtlich des Entgeltverlustes, den der Arbeitnehmer aufgrund der Kurzarbeit erleidet („Nettoentgeltdifferenz“ zwischen „Soll-Entgelt“ und „Ist-Entgelt“), hat er einen Anspruch auf Kurzarbeitergeld.

Das Kurzarbeitergeld beträgt bei kinderlosen Arbeitnehmern 60 %, bei Arbeitnehmern mit Kindern 67 % der „Nettoentgeltdifferenz“ (§ 105 SGB III). 

Steuern und Sozialabgaben

Hinsichtlich der Steuern und Sozialabgaben gilt:

Auf das „Ist-Entgelt“ sind nach den normalen Regeln Steuern und Sozialabgaben abzuführen. Auf das Kurzarbeitergeld selbst sind keine Steuern und Sozialabgaben abzuführen (es unterliegt lediglich dem Progressionsvorbehalt). Allerdings sind auf einen fiktiven Betrag von 80 % des Unterschieds zwischen „Soll-Entgelt“ und „Ist-Entgelt“ vom Arbeitgeber die vollen Beiträge (also sowohl der Arbeitgeberanteil als auch der Arbeitnehmeranteil) der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung zu zahlen (inkl. dem individuellen Zusatzbeitrag der Krankenkasse des Arbeitnehmers).

Die Bundesregierung wurde aber durch das am 13.03.2020 beschlossene Arbeit-von-morgen-Gesetz in diesem Zusammenhang ermächtigt, eine teilweise oder vollständige Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge durch die Agentur für Arbeit anzuordnen, die voraussichtlich ab April 2020 zur Anwendung kommen wird.

Brauchen Sie bei der Vereinbarung von Kurzarbeit mit Ihren Mitarbeitern/ dem Abschluss einer Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat Unterstützung? Haben Sie Fragen zur Anzeige der Kurzarbeit und der Beantragung des Kurzarbeitergeldes?

Sprechen Sie Herrn Verma einfach an!

Kontakt

Pascal Verma
Fachanwalt für Arbeit, Rechtsanwalt
Tel: 040 44 19 60 93
Mobil: 0160 901 59 884
E-Mail: verma@nbs-partners.de

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