18.07.2022Interview

„Der Nachfolgeprozess ist keine Routine-Aufgabe“

Viele mittelständische Inhaberinnen und Inhaber streben in den nächsten Jahren eine Nachfolgelösung für den eigenen Betrieb an.

In den nächsten Jahren streben viele mittelständische Inhaberinnen und Inhaber eine Nachfolgelösung für den eigenen Betrieb an. Eine familieninterne Lösung ist nicht in allen Fällen möglich. Was können Mittelständler dann tun? Die Nachfolgeexpertin Dr. Nadine Schlömer-Laufen erläutert im Gespräch mit dem DMB die Vor- und Nachteile von Alternativen zur familieninternen Nachfolge. Das Interview ist Teil einer dreiteiligen Serie, in der neben der wissenschaftlichen auch die unternehmerische und beratende Perspektive beleuchtet wird.

DMB: Wie häufig kommen in Deutschland unternehmensinterne Nachfolgen im Vergleich zu familieninternen und externen Nachfolgen vor?

Diese Frage ist schwierig zu beantworten. Es gibt zwar viele empirische Studien, die die gewählten Nachfolgelösungen in deutschen Unternehmen erheben, allerdings weichen die ausgewiesenen Anteilswerte stark voneinander ab. Daher hat das IfM Bonn 2018 eine Metaanalyse durchgeführt, um die verschiedenen Studienergebnisse zu den Nachfolgelösungen in den deutschen Familienunternehmen in den vergangenen 30 Jahren aus den verschiedenen empirischen Untersuchungen statistisch zusammenzufassen. Dabei zeigte sich, dass gut jedes fünfte Unternehmen in die Hände von früheren Mitarbeiterinnen oder Mitarbeitern geht. Damit liegt diese Nachfolgelösung allerdings deutlich hinter den familieninternen Nachfolgen (53 %) und hinter den unternehmensexternen Übergaben (29 %).

Was könnten Gründe dafür sein, dass diese Modelle nicht öfter wahrgenommen werden? Welche Herausforderungen bringen unternehmensinterne Nachfolgen mit?

Das Thema Unternehmensnachfolge durch Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen ist sehr komplex und es gibt sowohl auf Seiten der Übergeberinnen und Übergeber als auch auf der der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine Reihe von Gründen, diese Nachfolgelösung nicht zu wählen. So sollte für Übergeber und Übergeberinnen eine Arbeitnehmernachfolge aus rein ökonomischer Sicht grundsätzlich nicht die erste Wahl sein, weil mit dem Verkauf des Unternehmens an einen strategischen Käufer zumeist ein höherer Preis erzielt werden kann. Dies sind in der Regel Unternehmen, für die sich durch den Unternehmenskauf die Möglichkeit zum schnelleren Markteintritt oder Zugang zu spezifischem Wissen ergibt. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wiederum fehlt häufig der Wunsch, überhaupt unternehmerisch tätig zu sein, unter anderem wegen der damit verbundenen Kapitalverlust- und Haftungsrisiken.

Welche Vorteile bieten unternehmensinterne Arbeitnehmernachfolgen?

Von allen Arbeitnehmernachfolge-Konstellationen, die wir analysiert haben, ist die Nachfolge durch eine Führungskraft aus dem eigenen Unternehmen am chancenreichsten. Schließlich kennen diese Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter meist seit vielen Jahren das Unternehmen, dessen Entwicklung und Finanzsituation. Entsprechend können sie das Arbeitsplatz- und Kapitalverlustrisiko, das mit dem Schritt in die Selbstständigkeit verbunden ist, am besten einschätzen. Zudem haben sie bereits Führungsaufgaben übernommen, das heißt der Schritt von der Führungskraft zur Inhaberin bzw. zum Inhaber ist nicht mehr so groß.

Für die Altinhaberinnen und Alteigentümer bietet diese Nachfolgevariante die Chance, das Unternehmen an jemanden zu übergeben, den sie bzw. er seit vielen Jahren kennt. Hinzu kommt, dass die Übergabe abseits der Öffentlichkeit vorbereitet werden kann. Hierdurch mindert sich die Gefahr, dass Belegschaft, Kunden und Lieferanten in der Phase des ungeklärten Nachfolgeprozesses verunsichert werden. Auch sind die Alteigentümer und Alteigentümerinnen – im Gegensatz zu einem Verkauf an externe Führungskräfte, Mitbewerber oder Finanzinvestoren – nicht gezwungen, Fremden einen detaillierten Einblick in ihre Bücher zu gewähren. Und auch das sollte man nicht verkennen: Diese Übergabeform ist in der Regel sofort realisierbar.

Können Sie Tipps für Inhaberinnen und Inhaber von mittelständischen Unternehmen nennen, die an einer unternehmensinternen Nachfolge interessiert sind? Was sind wichtige erste Schritte? Kennen Sie Best Practice-Modelle?

Ein Best Practice-Modell ist schwierig aufzuzeigen, weil sich die Ausgangssituationen, Rahmenbedingungen und Zielsetzungen unterscheiden. Deshalb gibt es letztlich kein Patentrezept, wie Übergabepläne erfolgreich umgesetzt werden können. Generell gilt jedoch: Damit ein Unternehmen sowohl für potenzielle Nachfolger bzw. Nachfolgerinnen als auch für die eigenen Kinder interessant ist, muss es über eine gewisse wirtschaftliche Attraktivität verfügen. Jeder Alteigentümer und jede Alteigentümerin sollte sich daher zu Beginn der eigenen Rückzugspläne ein realistisches Bild vom Betriebszustand machen und sich fragen: Bietet der Betrieb eine ausreichende Ertragsgrundlage für meinen Nachfolger bzw. meine Nachfolgerin? Hat das Geschäftsmodell eine Zukunft? Zugleich sollte für die Umsetzung der Nachfolgepläne ausreichend Zeit eingeplant werden – die allgemeine Empfehlung sind so etwa 5 bis 10 Jahre. Es geht aber auch schneller, wenn beispielsweise interne Führungskräfte übernehmen, die bereits eingearbeitet sind. Letztlich muss man sich immer wieder vor Augen führen, dass der Nachfolgeprozess keine Routine-Aufgabe ist und dass daher entsprechende Erfahrungen meist fehlen. Zudem ist es keine Aufgabe ist, die "man so neben dem Tagesgeschäft" erledigen kann.

 

Dieses Interview ist die erste Veröffentlichung einer dreiteiligen Interviewreihe zum Thema familienexterne Nachfolge. Die weiteren Gespäche mit einem Experten aus der Beratung und einem Unternehmer werden im wöchentlichen Rhythmus im Themenbereich Nachfolge veröffentlicht.

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