29.07.2022Interview

"Die Bereitschaft zu familieninternen Nachfolgen sinkt"

Bei der Unternehmensnachfolge können je nach Einzelfall verschiedene Übernahmemodelle in Frage kommen.

DMB-Mitglied Klaus Häcker, Geschäftsführer der Solus GmbH, hat bereits einige kleine und mittlere Unternehmen (KMU) bei ihren Nachfolgeprozessen begleitet. Für viele Unternehmen, bei denen die Nachfolge ansteht, sieht er akuten Handlungsbedarf. Die KfW Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) prognostiziert auf Basis einer Umfrage unter 4.600 Betrieben ca. 400.000 Betriebsaufgaben bis 2025. Im Gespräch mit dem DMB spricht Häcker über die Chancen von familienexternen Unternehmensnachfolgen.

DMB: Können Sie sich und Ihr Unternehmen bitte kurz vorstellen?

Klaus Häcker: Die Solus GmbH ist seit 2006 als Unternehmensberatungsgesellschaft tätig. Alle unsere Berater verfügen über langjährige Berufs- und Führungserfahrung in leitenden Positionen bzw. als Geschäftsführer. Unser Fokus liegt auf Unternehmen mit bis zu 250 Beschäftigten. Kernbereiche sind Unternehmensnachfolgen inkl. M&A, Betriebswirtschaft und Finanzierung, Mitarbeiterführung, Krisenmanagement und Sanierung, sowie Beratung und Coaching von Unternehmern. Gerne unterstützen und begleiten wir unsere Kunden bei der konkreten Umsetzung, sodass Beratungsergebnisse praxiswirksam werden.

 

In den kommenden Jahren stehen viele Mittelständler vor der Aufgabe eine Nachfolgelösung für den Betrieb zu finden. Wie schätzen Sie die aktuelle Lage bei Unternehmensnachfolgen in Deutschland ein und wie könnte die Entwicklung in den nächsten fünf Jahren aussehen?

Dass die Anzahl der zu Nachfolge anstehenden Unternehmen in den nächsten Jahren ansteigt, ist eindeutig. Die wirtschaftlichen Herausforderungen, die zunehmende Komplexität und die wachsenden Anforderungen an Unternehmer führen häufig dazu, dass die wichtigen Themen, wie die strukturierte Vorbereitung der Unternehmensnachfolge von den vielen Dringlichkeiten und Problemen des Tagesgeschäfts verdrängt werden. Dies betrifft insbesondere kleinere Betriebe, bei denen der Inhaber wesentlicher Leistungsträger ist. Wenn sich diese Unternehmen nicht attraktiv für Nachfolger aufstellen, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass kein Nachfolger gefunden werden kann, und auch der Verkauf ist schwierig, wenn nicht gar unmöglich. Gesamtwirtschaftliche Unsicherheiten und steigende Zinsen drücken die erzielbaren Verkaufspreise zusätzlich.

Unternehmen ab einer gewissen Größe - die je nach Branche unterschiedlich anzusetzen ist - sind für strategische Käufer, nicht zuletzt zur Lieferkettensicherung und zur Gewinnung neuer Mitarbeiter interessant und haben daher bessere Aussichten, übernommen zu werden.

 

Arbeitnehmernachfolgen können eine Alternative zu familieninternen und externen Nachfolgen sein. Welche Herausforderungen bringen unternehmensinterne Nachfolgen wie Management-Buyout (MBO) oder Employee-Buyout (EBO) mit?

Aus der Erfahrung der letzten Jahre zeigt sich, dass die Ansichten der Beteiligten, wenn es konkret wird, häufig unterschiedlicher sind, als von diesen erwartet. Weitere Herausforderungen sind der Eigenkapitalaufbau der Käufer, die Kaufpreisfindung, der Rollenwechsel - und dessen Akzeptanz bei der Belegschaft - sowie die Gestaltung ggf. längerer Übergangsphasen. Letztlich ist es entscheidend, alle zu klärenden Punkte für einen geordneten, zukunftsfähigen Übergang zu identifizieren und dafür praxistaugliche Regelungen zu finden.

 

Wie wichtig sind und können Arbeitnehmernachfolgen für den deutschen Mittelstand werden? Wie schätzen Sie die Entwicklung von MBOs und EBOs in Deutschland ein? Werden diese Nachfolgelösungen im Vergleich zum letzten Jahrzehnt öfter wahrgenommen?

Aufgrund der hohen Anzahl an anstehenden Nachfolgeregelungen (gem. Einschätzung des IfM zw. 2022 und 2026 ca. 190.000) ist diese Form wichtig und auf jeden Fall wachsend, da auch die Bereitschaft zu familieninternen Nachfolgen sinkt. Bei unseren Nachfolgemandaten erleben wir dies bereits so - und nach unserer Markteinschätzung wird der Anteil an MBOs und EBOs weiterwachsen. U.a. deswegen bieten die Bürgschaftsbanken umfangreiche Besicherungen, um Übernahmefinanzierungen mit vergleichsweise geringer Eigenkapitalquote realisieren zu können.

 

Welche Vorteile bieten diese Nachfolgelösungen?

Die Mitarbeiter verfügen in der Regel über die fachlichen Voraussetzungen und ermöglichen einen nahtlosen Übergang sowohl intern als auch nach außen. Sie kennen zudem Stärken und Schwächen des Unternehmens, haben häufig bereits Kontakt zu wichtigen Kunden und Lieferanten und können die Belegschaft einschätzen.

 

Können Sie bitte Tipps für Inhaberinnen und Inhaber von mittelständischen Unternehmen nennen, die an einer Arbeitnehmernachfolge interessiert sind? Was sind wichtige erste Schritte? Kennen Sie Best Practice-Modelle?

Das Unternehmen muss nachfolgefähig sein - also die Voraussetzung haben, am Markt erfolgreich bestehen zu können, z.B. durch angemessenen Digitalisierungsgrad, effiziente Prozesse, marktgerechte Preise, klare Zuständigkeiten und einer passenden Belegschaft.

Weiterhin sind die Erwartungen des Inhabers zu klären und unrealistische Erwartungen zu objektivieren. Steuerliche Besonderheiten wie eine Betriebsaufspaltung sind zu berücksichtigen und nach Möglichkeit die Größenordnung des Unternehmenswertes bzw. eines marktgerechten Kaufpreises zu bestimmen. Die Fragen, Erwartungen oder Bedenken der Mitarbeiter und deren Lebenspartner sollten angemessen berücksichtigt werden. Eine gute Prozessbegleitung von außen erhöht die Aussicht auf eine gelingende Nachfolgeregelung deutlich.

 

Dieses Interview ist die erste Veröffentlichung einer dreiteiligen Interviewreihe zum Thema familienexterne Nachfolge. Die weiteren Gespäche mit einer Expterin aus der Wissenschaft und einem Unternehmer werden im wöchentlichen Rhythmus im Themenbereich Nachfolge veröffentlicht.

Mehr zu diesen Themen