08.12.2022Hintergrund

Digitaler Euro: Stabilität für den Mittelstand?

Mit dem digitalen Euro könnten Unsicherheiten im internationalen Zahlungsverkehr reduziert werden.

Die Digitalisierung im Zahlungsverkehr schreitet voran und die Anteile privater Technologiekonzerne wachsen. Daher prüfen Zentralbanken weltweit verstärkt die Einführung eigener digitaler Währungen. Auch die Europäische Zentralbank (EZB) will mit dem digitalen Euro die strategische Autonomie Europas stärken. Doch was genau verbirgt sich hinter der digitalen Zentralbankwährung und welchen Einfluss hätte sie auf mittelständische Unternehmen und ihre Kunden?

Auch in Deutschland verliert Bargeld als Zahlungsmittel zunehmend an Bedeutung (siehe Artikel: Status quo: Deutschland und bargeldlose Bezahlung). Im Zuge der Corona-Pandemie erfuhr die Digitalisierung des Zahlungsverkehrs einen weiteren Schub. Private Zahlungsdienstleister wie PayPal oder Apple Pay bauen ihre Marktanteile massiv aus. Laut Bundesbank sank der Anteil der Bargeldumsätze von knapp 48 % im Jahr 2017 auf etwas weniger als 30 % im Jahr 2021. Auf internationaler Ebene schreitet die Digitalisierung des Zahlungsverkehrs sogar wesentlich schneller voran. Als Antwort auf die großen Marktanteile internationaler Konzerne starten immer mehr Währungshüter Projekte zur Einführung von digitalen Zentralbankwährungen. Laut der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) beschäftigen sich derzeit 86 % der Zentralbanken mit der Einführung einer solchen digitalen Bargeldalternative. Die amerikanische Notenbank Fed hat kürzlich ein Pilotprojekt zum digitalen Dollar gestartet. Chinas E-Yuan gilt derweil als am weitesten fortgeschrittenes Projekt. Und das Bankenkommunikationssystem Swift testete in den letzten acht Monaten die globale Vernetzung solcher Währungen.

Welche Ziele verfolgt die EZB mit der digitalen Währung?

Mit Einführung eines digitalen Euro möchte die EZB auf die derzeit sehr beliebten Zahlungslösungen internationaler Digitalkonzerne reagieren. Aber auch private Digitalwährungen und Krypto-Werte spielen in den Erwägungen eine Rolle. Für EZB-Präsidentin Christine Lagarde ist die „Aufrechterhaltung des Bürgervertrauens in die Zahlungsinfrastruktur“ zentral. Laut FAQ der Europäischen Zentralbank wäre ein digitaler Euro eine risikofreie Währung, die Privatsphäre und Datenschutz wahrt und den Bedürfnissen der Bürger gerecht wird. Doch wie genau funktioniert der digitale Euro und welchen Nutzen hat er?

Was ist der digitale Euro?

Grundsätzlich beruht das Geldsystem auf zwei verschiedenen Geldformen: dem Zentralbankgeld und dem Buchgeld (auch Giralgeld genannt). Das Zentralbankgeld liegt entweder als Bargeld oder als Zentralbank-Reserve vor. Bei dem Giralgeld handelt es sich hingegen nur um eine Forderung auf Bargeld. Ein digitaler Euro wäre Zentralbankgeld in digitaler Form. Die Nutzung wäre die gleiche wie beim Bargeld – nur virtuell. Jeder Bürger soll dazu laut Plänen der EZB eine digitale Brieftasche (Wallet) erhalten – faktisch also ein Konto direkt bei der Zentralbank. Der Maximalbetrag soll auf 3.000 EUR beschränkt werden. Damit möchte die EZB verhindern, dass der digitale Euro als risikofreie Anlageform genutzt wird.

Welchen Nutzen hätte der Digitale Euro für KMU?

Die EZB will mit dem digitalen Euro ein digitales Zahlungsmittel einführen, „das genauso sicher, einfach und günstig zu verwenden ist wie das heutige Bargeld“. Die EU will die digitale Souveränität auch im Zahlungsverkehr etablieren und sieht Zahlungssysteme als öffentliches Gut, das nicht den wirtschaftlichen Interessen internationaler Technologiekonzerne überlassen werden soll. Demnach müssten Unternehmen für die Transaktionen mit ihren Kunden zum Beispiel keine Gebühren zahlen. Ein wesentlicher Vorteil gegenüber Online-Bezahldiensten und der Girokarten- oder Kreditkartenzahlung. Zudem kann die EZB einen wesentlich besseren Datenschutz gewährleisten, während private Dienstleister mit den Nutzerdaten Geld verdienen. Wichtig für den Mittelstand ist, dass der digitale Euro – wie von der EZB häufig betont – auch langfristig nur eine Ergänzung des Bargelds bleibt und dieses nicht ersetzt. In Schweden, wo 80 % der Bevölkerung fast ausschließlich das digitale Bezahlsystem „Swish“ nutzen, können Produkte mancherorts nicht mehr mit Bargeld bezahlt werden. Für KMU ist es wichtig, dass Bargeld in jedem Fall als alternative Zahlmethode bestehen bleibt. Andersherum gibt es auch Bereiche, in denen Bargeld nicht eingesetzt werden kann – etwa bei Zahlungen im Internet. Hier könnte der digitale Euro das Angebot an Zahlungsmitteln erweitern.

Der digitale Euro bietet nicht nur bei der Kundenzahlung eine sinnvolle Ergänzung, sondern könnte in Zukunft auch Mikrozahlungen zwischen Maschinen ermöglichen. In der sogenannten Maschinenökonomie bezahlen Maschinen im Internet der Dinge (IoT) autonom andere Maschinen für eine bestimmte Nutzung (M2M-Payments). Dieser Art des Zahlungsverkehrs werden im produzierenden Gewerbe große Potentiale zugeschrieben. Auch die EU-Kommission erklärt, dass der digitale Euro Unternehmen „im neuen Zeitalter der Industrie 4.0“ unterstützen soll.

Worauf wird es bei der konkreten Umsetzung ankommen?

Die technische und datenschutzrechtliche Umsetzung des digitalen Euro ist noch größtenteils unklar. Elementar wird der Schutz der Privatsphäre sein. Analog zum physischen Bargeld sollte eine weitestgehende Anonymität sichergestellt werden. In ihrem FAQ gibt die EZB zu Wort, dass das Eurosystem kein Interesse daran habe, „Zahlungsdaten einzelner Nutzerinnen und Nutzer zu erheben, das Zahlungsverhalten nachzuverfolgen oder diese Daten an staatliche Stellen und andere öffentliche Einrichtungen weiterzugeben.“

Wann wird der digitale Euro eingeführt?

Den Grundstein für die Einführung des digitalen Euro legte die EZB in ihrem Bericht zur möglichen Ausgabe eines digitalen Euro vom 12. Oktober 2020. Daraufhin hatte die EZB im Herbst 2021 eine zweijährige Untersuchungsphase eingeleitet, bei der vor allem die Themen Technologie und Datenschutz unter die Lupe genommen werden sollen. Im Oktober 2023 soll der EZB-Rat dann zusammen mit dem europäischen Gesetzgeber entscheiden, ob eine Realisierungsphase für den digitalen Euro eingeleitet wird. Bundesbank-Vorstand Burkhard Balz sagte jüngst auf einer Konferenz in Frankfurt, dass die ersten Nutzer frühestens im Herbst 2026 mit dem digitalen Euro zahlen könnten. Ob der digitale Euro kommen wird, ist aber längst nicht abschließend entschieden.

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