Gold-Plating: Deutsche Verschärfung von EU-Recht muss aufhören

Wenn EU-Recht in deutsche Gesetze überführt wird, entstehen oft Wettbewerbsnachteile für KMU. Ein Lösungsvorschlag.
Viele Unternehmen ärgern sich über den Überfluss an Bürokratievorgaben, der vermeintlich aus der EU kommt. Aber das ist oftmals nur die halbe Wahrheit. Denn bei der Umsetzung in nationales Recht verschärft der Gesetzgeber die Auflagen – sogenanntes „Gold-Plating“. Weshalb die kommende Bundesregierung einen neuen Ansatz wählen muss und welche Anforderungen des Mittelstandes zu beachten sind, wird im Folgenden ausgeführt.
Steigende Belastung für die Wirtschaft
Beschlossene EU-Richtlinien wirken, erst nachdem sie in deutsches Recht überführt wurden. Je nach Präzision der Zielformulierung kann die nationale Umsetzung in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten stark variieren. Vor allem steht den nationalen Gesetzgebern dabei offen, was zusätzlich festgelegt wird. Das nehmen die jeweiligen Regierungen nicht selten zum Anlass, die Auflagen zu verschärfen, um anderer politischer Ziele zu erreichen. Diese Überregulierung ist bereits alltägliche Praxis, weshalb es dafür eine Bezeichnung gibt: „Gold-Plating“, die Vergoldung von rechtlichen Mindeststandards.
Im Koalitionsvertrag der Ampelregierung wurde eigentlich festgelegt, europäisches Recht bürokratiearm umzusetzen, was Gold-Plating reduzieren sollte. Jedoch ist das Gegenteil der Fall. Dem Jahresbericht 2024 des Normenkontrollrates ist zu entnehmen, dass die Belastung (abzüglich der Entlastungen) aus EU-Richtlinien den Erfüllungsaufwand um eine Milliarden Euro erhöhte.
Für den Mittelstand heißt das: Es muss eine Trendumkehr stattfinden, die zu Verringerung von bürokratischen Belastungen für KMU führt.
Ablehnung eines radikalen Gold-Plating-Verbots
Der deutsche Gesetzgeber könnte zwar beschließen, EU-Regulatorik unverändert und immer ohne Verschärfung über die Mindeststandards umzusetzen, aber die Anpassung in nationales Recht hat auch nennenswerte Vorteile. Zum einen können nationale Besonderheiten berücksichtigt und die bisherige Rechtstradition gewahrt werden. Zum anderen geht die Richtlinienformulierung teilweise nicht weit genug oder lässt Rechtslücken offen. Einige Ziele, wie die Sicherstellung der Marktstabilität oder die Energiewende, bewirken zudem weitere Vorteile für die deutsche Wirtschaft, weshalb eine solche Präzisionsregulierung wünschenswert ist.
Der DMB ist deshalb gegen ein radikales Anti-Gold-Plating-Gesetz, was pauschal alle Auflagen über das Mindestmaß bei der Umsetzung von EU-Gesetzgebung ablehnt.
Forderung nach zielgerichtetem Silver-Plating
Das Mindestmaß an Regulierung weist also Lücken auf, umfassendes Gold-Plating schießt über das Ziel hinaus. Deshalb erscheint die „silberne Mitte“ als naheliegender Lösungsansatz. Dieser Mittelweg an Überregulierung nennen wir „Silver-Plating“. Welche Faktoren das konkret sind, wird im nächsten Abschnitt mit den Prüffaktoren veranschaulicht.
Der DMB fordert eine Silver-Plating-Vorgabe, die regulative Ergänzungen durch nationale Gesetzgeber auf ein bestimmtes Niveau beschränkt. Diese Beschränkung zeichnet sich dadurch aus, dass Belastungen für KMU prüfpflichtig und nur unter bestimmten Faktoren zulässig sind.
Vorschlag von Prüffaktoren für Silver-Plating
Grundsätzlich sollte jede EU-Vorgabe, die in nationales Recht überführt wird, möglichst den Mindestvoraussetzungen entsprechen und sich bei Bedarf auf effizientes Silver-Plating beschränken. Das bedeutet, die Ausnutzung des rechtlichen Gestaltungsspielraums ist aus Sicht des DMB sogar gewünscht, wenn damit einer der folgenden Aspekte erfüllt wird:
- Vermeidung einer wettbewerblichen Benachteiligung Deutschlands im europäischen Binnenmarkt
- Erhaltung hoher Standards im Arbeitsrecht, die die Standortattraktivität fördern, unter Berücksichtigung eines minimalen Bürokratieaufwands
- Auflösung von Rechtsunklarheiten im Zusammenhang mit rechtlich naheliegenden, bestehenden Gesetzen
Regulative Ergänzungen des Gold-Platings sind aus der Perspektive des Mittelstandes dennoch auszuschließen, wenn:
- KMU keine Ausnahmeregulierungen erfahren oder nicht mit adäquaten Ausgleichszahlungen entschädigt werden
- Kontrollverfahren überkomplex sind und für mittelständische Unternehmen ohne die Einholung von Fachkenntnissen nicht erfüllbar sind
- Kleinere Betriebe direkt oder indirekt betroffen sind, obwohl zur Erreichung der eigentlichen Ziele (Marktstabilität, Nachhaltigkeit etc.) Konzerne bzw. andere große Akteure zielgerechter sind
- Erhebliche wirtschaftliche Einschränkungen für deutsche KMU im EU-Vergleich zu erwarten sind
Weitere Maßnahmen zur Vermeidung von Überregulierung
Um Silver-Plating auf bestehende Gesetze anzuwenden, fordern wir darüber hinaus, die zeitweise Einsetzung einer unabhängigen Kommission, die die bisherige Umsetzungsgesetze mit den größten bürokratischen Erfüllungsaufwänden auf diese Silver-Plating-Kriterien gegenprüft. Entsprechende Empfehlungen sollen an den Gesetzgeber herangetragen und in die politische Debatte eingepflegt werden.
Eine solche Gesetzesvorgabe für Silver-Plating benötigt einen Kontrollmechanismus, damit bei Nichteinhaltung regulatorische Gegenmaßnahmen von den jeweiligen Ministerien eingeleitet werden.
Die Kalkulationsverfahren der Folgekosten sind zur besseren Abschätzung der Auswirkungen stetig zu verbessern. Soweit möglich, sind dabei alle tatsächlich entstehenden Nebenkosten und indirekten Folgen aus der EU-Gesetzgebung einzubeziehen. Diese Folgekosten müssen politisch diskutiert werden und je nach Ausmaß des einzelnen Gesetzes zu entsprechenden Bürokratieentlastungen führen.
Abschließend bedarf es einer digitalen Transformation der deutschen Staatsverwaltung. Mit der Vereinfachung von bürokratischen Prozessen geht einher, dass Unternehmen ihre Daten nicht mehrfach angeben müssen und so entlastet werden. Zusätzlich können damit aus europäischer Gesetzgebung resultierende Berichtspflichten vereinfacht werden.
Weitere überfällige Maßnahmen zum Abbau von bürokratischen Herausforderungen und Digitalisierung der deutschen Wirtschaft lesen Sie im DMB-Positionspapier zur Bundestagswahl 2025.