19.11.2020Fachbeitrag

Hyperautomatisierung: Digitale Superkraft für den Mittelstand

Die Automatisierung von Prozessen gibt es bereits seit vielen Jahren. Neu an der Robots-Technologie ist, dass sie mit nahezu jedem Programm und mit jeder Internetseite funktioniert.

Von jetzt auf gleich 100 oder mehr Arbeitstage pro Jahr einsparen, das klingt wie Utopie. Insbesondere, wenn man von einem mittelständischen Unternehmen mit gerade einmal 30 Mitarbeitern ausgeht. Doch genau das passiert bei Anbietern von Hyperautomatisierung meist mehrmals im Monat. Diese neue Gattung von Digitalisierern übernehmen sich wiederholende Aufgaben des Tagesgeschäfts. Sie lassen die Prozessschritte automatisch, mit Hilfe von kleinen Programmen, bearbeiten. Robots nennen die Hyperautomatisierer ihr Werkzeug, Robotic Process Automation (RPA) die Technologie, mit deren Hilfe die Welt wieder einen Schritt digitaler wird.

Das Düsseldorfer Unternehmen automates ist eines der Pioniere für Hyperautomation. In einem schönen Hinterhofbüro im Stadtteil Bilk arbeiten Prozessexperten und Programmierer daran, die unterschiedlichsten Verwaltungs- und Organisationsprozesse zu automatisieren. Es sind Einstellungsprozesse in der Personalabteilung, die Organisation von digitalen Fortbildungen oder das Erfassen von handschriftlichen Stundenzetteln, an denen das Team von Vanessa Bern und Nils Tißen sitzt. “Branche, Unternehmensgröße und Fachbereich spielen nur eine untergeordnete Rolle. Sobald eine Aufgabe 3-4 Stunden Aufmerksamkeit pro Woche benötigt, kann sie sich für die Robots eignen”, sagt Nils Tißen.


Robots als digitale Brückenbauer

Robots sind kleine Programme, die bereits heute in unzähligen Unternehmen weltweit kleinere und größere Aufgaben übernehmen. Die Automatisierung von Prozessen gibt es bereits seit vielen Jahren. Neu an der Robots-Technologie ist, dass sie mit nahezu jedem Programm und mit jeder Internetseite funktioniert. Die Bots, wie das Team von automates sie nennt, arbeiten auf der Benutzeroberfläche des Computers, klicken durch alle denkbaren Programme, lesen, schreiben und verarbeiten Daten.

Es irritiert zunächst ein wenig, beobachtet man, wie sich der Mauszeiger bewegt und Texte in den Eingabefeldern der täglich genutzten Programme erscheinen. Den größten Wert stiftet Robotic Process Automation in Bereichen mit älterer Software. Dort, wo aufgrund von fehlenden technischen Schnittstellen oft keine Zusammenarbeit mit anderen Systemen möglich ist, schaffen die Robots eine neue Verbindung. Doch auch in Bereichen, in denen mit vielen Insellösungen gearbeitet wird, sparen sie Zeit ein und sorgen für weniger Fehler in der Verarbeitung. In Kombination mit Komponenten künstlicher Intelligenz (KI) lassen sich sogar komplizierte Entscheidungen und Aufgaben, wie das Erfassen von Eingangsrechnungen an die Bots übergeben.


HR-Systeme mit Robots verbinden

“In der Personalabteilung eines unserer Kunden müssen fünf Systeme und drei Exceltabellen angefasst werden, wenn ein Mitarbeiter neu anfängt oder jemand geht.” In solchen Situationen entwickelt automates einen Robot, der sich täglich in einem der Systeme nach dem Status erkundigt und alle anderen nach Bedarf aktualisiert. Zudem passt er Vertragsvorlagen an, erstellt PDFs und verschickt sie per E-Mail zur Unterschrift. Es sind viele kleine Handgriffe, die dank der Bots in sekundenschnelle abgearbeitet sind. Und so erklärt sich, warum man in der IT diese neue Entwicklungsstufe Hyperautomatisierung nennt.


Hyperautomatisierung für den Mittelstand

In jedem Unternehmen gibt es Aufgaben, die keiner wirklich gerne macht: Zeitnachweise abtippen, Zollformulare ausfüllen, Daten von einem System in ein anderes überführen. Tißen hat dutzende Beispiele für diese Aufgaben. Für ihn und das automates-Team ist es Verschwendung, das kreative Talent von Mitarbeiter*innen für derartigen Aufgaben einzusetzen. “Die gewonnene Zeit könnte endlich genutzt werden, um einen besseren Kundenservice anzubieten oder neue Produktideen zu verwirklichen.”

Immer wieder zeigt er Beispiele, wie das der Stadt Düsseldorf, deren Haushalt er mit wenig Aufwand schnell über 10.000 EUR einsparen könnte: “Zu Demonstrationszwecken haben wir einen Bot gebaut, der das tägliche Corona-Update auf den Social Media-Kanälen der Stadt komplett automatisiert.” Das Video dazu hat er auf Youtube veröffentlicht und der Stadt geschickt. Eine Antwort blieb aus.


Roboter als Lebensretter

Wie Robotic Process Automation in der aktuellen Pandemie sogar Leben rettet, zeigt sich sehr deutlich am Beispiel des Mater Hospitals in Dublin. Dort wurden die Roboter binnen weniger Wochen dazu gebracht, Testergebnisse zwischen einem für SARS entwickelten System aus 2003 und den neueren Laborsystemen zu übertragen. Eine wahre Heldenleistung, denn auf diese Weise konnten sie rund 3 Stunden der Arbeitszeit von diversen Pflegern und Krankenschwestern einsparen, die für die Dateneingabe verantwortlich waren. Die hatten infolgedessen wieder mehr Zeit für Patienten und wertvollere Aufgaben. Und gleichzeitig sanken die Falschmeldungen, die durch falsche Eingaben immer wieder auftraten.


Vom Weltkonzern zum Mittelstand

Bei Großkonzernen wie BMW, DHL und OTTO ist RPA bereits seit Jahren im Einsatz. Durch Dienstleister wie automates wird die Technologie auch für den Mittelstand zugänglich. Sie berechnen für ihre Roboter die aktuellen, durch die Tätigkeiten entstehenden Lohnaufwendungen. Die Preise werden dann so ausgelegt, dass Unternehmen 50-75 Prozent durch die jeweilige Automatisierung einsparen. Darin sind Programmierung und Wartung ebenso enthalten, wie die Lizenzkosten für eingesetzte Technologien.


RPA als digitale Superkraft

Sprach man bisher von digitalen Prozessen und Automatisierung, ging es meist um jene schwerfälligen und teuren Projekte, in denen Unternehmen eine Standardsoftware kauften und über Jahre hinweg auf ihre Bedürfnisse angepasst haben. Automatisierung mit RPA ist meist binnen weniger Wochen und mit niedrigen Budgets umgesetzt. Auf diese Weise erhalten auch kleinere Unternehmen einen leichteren Zugang zur Digitalisierung. Auch sie können dann etwas ausprobieren und sich ohne größeres Risiko Vorteile im Wettbewerb verschaffen. Ein wichtiger Schritt in Richtung Zukunft.

 

Teil IV der Beitragsserie Zukunftsfähigkeit durch digitale Technologien

 

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