08.07.2021Fachbeitrag

Innovationsschub durch Beteiligung und Integration

Beteiligungen und Integrationen stellen sehr intensive Formen der Kooperation dar. Meist ist diesen Konstellationen eine enge und vertrauenswürdige Zusammenarbeit vorangegangen und beide Unternehmen erfahren einen echten Mehrwert.

 

Die Integration eines Start-ups in ein mittelständisches Unternehmen bietet große Potentiale für einen regelrechten Innovationsschub. Gleiches gilt für die strategische Beteiligung. Die Unternehmensberater Christine Günther und Oliver Fietz stellen aktuelle Beispiele für attraktive Synergien durch die beiden Kooperationsmodelle vor. Darüber hinaus skizzieren sie die möglichen Potentiale für beide Seiten und geben Praxis-Tipps zur Risikominderung.

Die Beteiligung und Integration an einem Start-up hat ein großes Potential für Co-Creation. Die Innovationskraft, die sich ergänzenden Kompetenzen, die digitalen Talente des Start-ups und das Wissen über neue Märkte und Geschäftsmodelle können gezielt zur Förderung der eigenen Stärken, Verfahren und Marktstellung genutzt werden. Eine angebotsseitige Integration bringt einen Innovationsschub für den Mittelstands-Partner und Zugang zu Zukunftstechnologien.

Auch für die Start-up-Seite ergeben sich große Potentiale: Der "Realitätscheck" durch das gemeinsame Verproben mit ganz neuem Marktzugang bietet dem Startup auch die Gelegenheit die Reifung des eigenen Angebots zu beschleunigen und die Skalierungsfähigkeit (schneller) zu erreichen. Das Start-up kann sich – insbesondere bei gemeinsamen Vertriebsaktivitäten – auf die etablierten Vertriebswege, die Marktstellung und die Prozesse des Mittelstands-Partners verlassen und somit die eigene Umsatzentwicklung massiv beschleunigen.

 

Win-win-Potential

Im Optimalfall gelingt es beiden Seiten die Reputation weiter zu verbessern. Dies kann gerade dem Mittelstands-Partner helfen, Mitarbeiter mit bislang unerreichbarem Profil, das für die eigene Zukunftsfähigkeit benötigt wird, zu gewinnen. Potentiale für weitergehende Co-Creation nach den ersten Meilensteinen werden eröffnet: Ob eine gemeinsame Produktentwicklung, der Aufbau einer gemeinsamen Zweitmarke, die Adressierung alternativer Zielgruppen oder neuer Märkte oder gar der Aufbau eines gänzlich neuen Geschäftsfeldes möglich wird, hängt ganz sicher davon ab, ob die die Partnerwahl und Partnerschaftsumsetzung für den ersten Meilenstein gut gemacht wurde.

 

Wie kann das für beide Seiten mit begrenztem Risiko gelingen?

Die Investition in ein neues Angebot hat immer Risiken. Beteiligt man sich hierfür an einem jungen Unternehmen oder übernimmt dieses vollständig kommt noch das Risiko für einen möglichen ungeplanten Finanzierungsbedarf des Start-ups hinzu. Auch für die Start-up-Seite gibt es Risiken. Die Minderheitsbeteiligung durch einen strategischen Partner birgt durch den neuen Marktzugang viele Chancen. Andererseits verliert man häufig an Flexibilität und Eigenständigkeit, was die zukünftige Attraktivität für reine Finanzinvestoren mindern kann. Bei einer Übernahme kann besonders das Aufeinandertreffen der unterschiedlichen Unternehmenskulturen herausfordernd sein.

 

Tipps für Mittelständler und Start-up

Risikobegrenzend ist es, wenn die Geschäftsentwicklung des Startups auch ohne den Mittelstands-Partner autark und vielversprechend zu erwarten ist und somit das finanzielle Risiko bei Scheitern der Partnerschaft auf die gemeinsamen Angebote begrenzt ist. In diesem Szenario ist es konsequenterweise wichtig dem Startup möglichst viele Freiheitsgrade in der operativen und strategischen Führung zu belassen.

Meistens jedoch wird die Beteiligungs-Hypothese zu großen Teilen auf der engen Kooperation beruhen. Dann ist der Erfolg der Kooperation Voraussetzung für eine wirtschaftliche Stabilität des Startups. Damit es nicht zu ungeplanten Finanzierungsbedarf durch den Mittelstands-Partner kommt sind insbesondere folgende Aspekte zur Risikoreduzierung wichtig:

  1. Gemeinsame Ziele im Vorfeld definieren und incentivieren (für auf beiden Seiten involvierte Mitarbeiter)
  2. Realistische Erwartungen, Leistungskennzahlen und Umsetzung anhand von Meilensteinen mit Gegensteuerungsmöglichkeiten definieren
  3. Steuerung der Beteiligung mit anderem Mindset, aber dennoch sehr aktiv und mit Rückhalt der Geschäftsleitung
  4. Bereitschaft ursprünglich gefasste Kooperationshypothesen umzustoßen und wenn erforderlich auf ganz anderem Wege erfolgreich zu werden.

Es gibt also sehr gute Chancen aus einer strategischen Beteiligung an einem Startup einen wirtschaftlich relevanten Innovationsschub zu generieren und das Unternehmen zukunftsfähiger zu machen. Das zeigen vor allem die Beispiele aus der Praxis, von denen zwei im Folgenden vorgestellt werden.

 

Aktuelle Beispiele für attraktive Synergien durch die Integration eines Startups bei einem Mittelständler

Geglückte Minderheitsbeteiligung in der Elektrotechnikbranche

Ein Familienunternehmen aus der Elektrotechnikbranche hat sich 2019 an einem im Jahr 2016 gegründeten Startup beteiligt. Über die App des Startups können Mitarbeiter Arbeitsplätze und Meetingräume unabhängig vom Ort reservieren. Der Mittelständler hat diese Lösung in die Hardware seines Büroarbeitsplatzsegments integriert und vertreibt beispielsweise erfolgreich Steckdosen mit dieser Lösung. Der Kundennutzen ist überzeugend – Flex-Arbeitsplätze können komfortabel gebucht und zusätzlich die aktuellen Anforderungen wie Mindestabstände erfüllt werden. Der Mittelständler geht mit dieser smarten Lösung auf aktuelle und auch zukünftig relevante Bedarfe ein und konnte sein Sortiment zukunftsfähig weiterentwickeln und aufwerten. Der mit der geglückten Integration erzeugte Kundennutzen ist vertrieblich relevant und wird sich auch zukünftig in den Dimensionen Umsatz, Ergebnisbeitrag, Kundenbindung und Neukundengewinnung auszahlen.

 

Unternehmensübernahme mit echtem Win-Win-Potential in der Spezialversicherungsbranche

Ein führender mittelständische Spezialversicherer für Tiere hat 2020 die Mehrheit an einem im Jahr 2007 gegründeten Online-Tierportal übernommen. Neben dem klassischen Angebot von Tierversicherungen verstärkt sich das Kundenbedürfnis nach Austausch und Informationen, die das Zusammenleben mit Tieren erleichtern und verbessern. Das Tierportal hat bereits zu diesen Mehrwerten 10 Mio. monatliche Nutzer. Mit diesem Zusammenschluss lassen sich nun die Geschäftsmodelle und das Angebot beider Partner digital und auf moderne Bedürfnisse hin weiterentwickeln sowie auf die signifikante Nutzerbasis des Portals skalieren. Eine Umsatz-, Ergebnisbeitrags- und Marktanteilssteigerung scheint hier von außen betrachtet gut erreichbar.

 

Neben den Kooperationsformen Integration und Beteiligung werden im nächsten Fachartikel von Christine Günther und Oliver Fietz die losere Form der Kooperation ohne Beteiligung vorgestellt. Ein gutes Kooperationsmodell, um die Zusammenarbeit mit Start-ups erst einmal zu testen.

 

Teil des Wegweisers Mittelstand trifft Start-up

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