Kompromiss beim OZG 2.0 zur Digitalisierung der Verwaltung
Einordnung zum Kompromiss des Vermittlungsausschusses beim Änderungsgesetz für die Behördendigitalisierung.
Unternehmerinnen und Unternehmer kommen ständig mit der Verwaltung in Kontakt: beginnend mit dem Gewerbeschein bei der Gewerbeanmeldung, über Steuererklärungen, aber auch bei gewerblichen Kfz-Zulassungen. Für viele Verwaltungsdienstleistungen fehlt dennoch eine vollständige elektronische bzw. digitale Abwicklung. Um die digitale Transformation der Verwaltungen voranzubringen, wurde 2017 das Onlinezugangsgesetz (OZG) beschlossen. Ein Kernelement des Gesetzes war die Aufstellungen einer fünfjährigen Frist, bis dahin alle Verwaltungsdienstleistungen zusätzlich elektronisch anzubieten. Da dieses Ziel bis Ende 2022 nicht erreicht wurde und kurzfristig auch nicht wird, plant der Bund ein OZG-Änderungsgesetz (OZG 2.0) mit erweiterten Maßnahmen.
Gestern Abend hat sich der Vermittlungsausschuss mit eben diesem Änderungsgesetz für die Behördendigitalisierung (OZG 2.0) befasst. Das Vermittlungsverfahren im Gesetzgebungsprozess wurde von der Bundesregierung beantragt, nachdem der Bundesrat im März seine notwendige Zustimmung zum bisherigen Gesetzesentwurf versagt hatte. In der gestrigen Sitzung konnten sich die Mitglieder des Vermittlungsausschusses auf einen Kompromissvorschlag einigen, welcher nun vom Bundestag und Bundesrat bestätigt werden muss. Zum bestehenden Entwurf haben sich folgende Änderungen ergeben:
- Das ELSTER-Softwarezertifikat (und Identifizierungsmittel mit vergleichbarem Sicherheitsniveau) soll für Nutzerkonten weiterhin als Identifizierungs- bzw. Authentifizierungsmechanismus angewendet werden können.
- Dreijähriger Übergangszeitraum zur Anwendung bisheriger Nutzerkonten der Länder für die Identifizierung und Authentifizierung der Nutzer soll erst dann starten, sobald die erforderlichen Voraussetzungen für eine automatisierte Migration der Länderkonten vorliegen und die Abwicklung über die BundID funktioniert.
- Das zentrale Bürgerkonto „BundID“ soll zu einer „DeutschlandID“ weiterentwickelt werden. Eine Entwicklergemeinschaft im IT-Planungsrat steuert den Migrations- und Ausbauprozess.
- Die Evaluierung des Gesetzes sollen Bund und Länder gemeinsam gestalten. Dazu ermittelt der IT-Planungsrat die entsprechenden Erfüllungsaufwände.
- In einer begleitenden Prokollerklärung plädieren die Vertreter für weitere Anstrengungen bei der Registermodernisierung, konsequente Umsetzung von „Once-Only“ (Vermeidung von doppelter Datenerfassung) sowie einem Staatsvertrag zwischen Bund und Länder für „Nationales Once-Only-Technical-System“ (NOOTS) inkl. finanzieller Regelung.
Darüber hinaus geht zwar keine finanzielle Unterstützung seitens des Bundes hervor. Dafür jedoch die geänderte Kompetenzzuweisung, dass von den Bestimmungen aus Rechtsverordnung hinsichtlich zu digitalisierenden Verwaltungsleistungen, nun landesrechtliche Abweichung ermöglicht werden.
Der DMB stellt trotz des zu erwartenden Fortschritts durch das OZG 2.0 weiterhin mit Ernüchterung fest, dass der Kompromiss nicht eine erhoffte, wenn auch unwahrscheinliche, Intensivierung des Rechtsrahmens zur einer ambitionierteren Verwaltungsdigitalisierung. Insbesondere folgende Aspekte sind nachzuschärfen:
1. Ausnahmslosen Rechtsanspruch nach 3 Jahren schaffen
Der zunächst sinnvoll erscheinende Rechtsanspruch auf elektronischen Zugang zu Verwaltungsdienstleistungen tritt erst in 5 Jahren in Kraft. Außerdem gilt dieser nur für Bundesleistungen, lässt rechtliche Ausnahmen zu und verbindet damit keine Schadensersatzansprüche. Es sollte angestrebt werden, die Schaffung des Rechtsmittels ohne Einschränkungen und spätestens nach 3 Jahren zu gewährleisten.
2. Übergangs- und Evaluierungsfristen verkürzen
Das erste Monitoring und die Evaluierung des Gesetzes soll frühstens in 3 Jahren stattfinden. Der Vermittlungsausschuss hat außerdem den dreijährigen Übergangszeitraum zur Anwendung bisheriger Nutzerkonten der Länder um die Zeit verlängert, bis die Funktionsfähigkeit zur Abwicklung der Länderkontenmigration und der „BundID“ / „DeutschlandID“ gewährleistet ist. Der fristbedingte Zeitdruck wird damit zunächst auf unbestimmte Zeit verschoben. Da im Gegensatz zum OZG 1.0 keine allgemeine Frist für die vollständige digitale Abwicklung aller Verwaltungsdienstleistungen vor der Sorge eines wiederholten Scheiterns festgesetzt wurde, sollten zumindest die Fristen für Übergangszeiträume und Evaluationen ambitionierter angesetzt und Zwischenschritte einplant werden.
3. Once-Only praktisch umsetzen
Die Zielformulierung, eine mehrfache Erfassung der gleichen Datenerfassung durch die selbe Person zu vermeiden, ist in der Umsetzung weiterhin verbesserungsfähig. Der DMB unterstützt die in der begleitenden Prokollerklärung geforderte konsequente Umsetzung des „Once-Only-Prinzips“ und schätzt eine Vertiefung des Rechtsrahmens gleichermaßen als erforderlich ein, damit das Once-Only-Prinzip in der Praxis gewährleistet wird.
4. Transformationswillen beweisen und Öffnungsklausel schließen
Ein Negativbeispiel ist folgender Änderungsvorschlag des Vermittlungsausschusses: Letztlich behalten die Landesparlamente die Entscheidungshoheit darüber, welche Verwaltungsdienstleistungen zu digitalisieren sind. Und dass, obwohl die primäre Bestimmung durch Rechtsverordnungen erfolgt, die nach Anhörung der kommunalen Spitzenverbände und der Zustimmung des Bundesrates festgesetzt werden. Diese Öffnungsklausel sollte nicht im finalen Gesetzestext übernommen werden und falls doch sind die Länder in der Pflicht von dessen Gebrauch abzusehen.
5. Haushaltsmittel für die Verwaltungsdigitalisierung erhöhen
Weiterhin ist zu beanstanden, dass keine umfassenden Haushaltsmittel vom Bund bereitgestellt werden. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass durch das Gesetz entstehende Entlastungspotenzial von jährlich 75 Millionen Euro, mit größerem Budget schneller und effektiver zur früheren Kosteneinsparungen führt. Deshalb ist es erforderlich, dass der Bund, aber auch die Länder, in einem größeren Rahmen in die Verwaltungsdigitalisierung investieren sollten.